Chefarzt aus Bielefeld klagt gegen Abtreibungsverbot: Große Demo geplant

Lippstadt/Bielefeld. Das Klinikum Lippstadt verbietet Chefarzt Joachim Volz und seinem Team seit der Fusion mit katholischen Krankenhäusern Schwangerschaftsabbrüche. Dagegen setzt sich der Bielefelder Gynäkologe zur Wehr und erfährt dabei eine überwältigende Unterstützung. Vor der Gerichtsverhandlung am 8. August in Lippstadt rufen seine Unterstützer zu einer Demonstration auf, zu der 1.000 Teilnehmer erwartet werden. Das Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen gilt seit Februar für Volz und sein Team, das bis dahin Abbrüche nach medizinischer Indikation durchführen durfte. Seit der Fusion des evangelischen Krankenhauses Lippstadt mit dem Dreifaltigkeits-Hospital Lippstadt und dem Marien-Hospital Erwitte zum Klinikum Lippstadt dürfen Abbrüche nur noch dann durchgeführt werden, wenn Lebensgefahr für die Schwangere besteht. Seit der Fusion gilt katholisches Kirchenrecht, das Eingriffe dieser Art nicht vorsieht. Das Dekret seines Arbeitgebers in Lippstadt gilt für Volz auch in seiner Praxis für Reproduktionsmedizin in Bielefeld. &bdquo;Ich soll meine Patientinnen im Stich lassen und sie kilometerweit wegschicken, obwohl ich helfen könnte. Das kann ich nicht akzeptieren.“ Der 67-Jährige will deshalb arbeitsrechtlich klären lassen, ob ihm das Klinikum Lippstadt Abbrüche untersagen darf. Der erste Gütetermin im April endete ohne Einigung. &bdquo;Nun geht es mit meiner Klage am 8. August vor dem Arbeitsgericht weiter. Sollte es nötig sein, bin ich gewillt, diesen Weg auch durch weitere Instanzen zu gehen.“ 150.000 Unterstützer unterzeichnen Petition des Bielefelder Arztes Volz erfährt dabei große Unterstützung. Seine seit dem 15. Juli laufende Petition auf der Plattform &bdquo;Innn it“ hat inzwischen mehr als 150.000 Unterstützer. Volz fordert in seiner Petition ein Ende religiöser Vorschriften in Kliniken und die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. &bdquo;In der Medizin sollte die Patientin im Austausch mit ihren Ärzten das letzte Wort haben und nicht ein katholischer Moralapparat, der sich über die Betroffenen und die Gesetze hinwegsetzt.“ Um öffentlich zu zeigen, wie viele Menschen hinter Volz’ Engagement stehen, organisiert die Grünen-Politikerin Sarah Gonschorek aus Lippstadt eine Demonstration am Verhandlungstag. &bdquo;Das Engagement von Joachim Volz ist unglaublich wichtig, weil die katholische Kirche das Recht von Frauen auf Schwangerschaftsabbrüche durch die Hintertür einschränkt. Da müssen wir als Gesellschaft gemeinsam gegenhalten.“ Die Kreispolizei Soest erwartet 1.000 Teilnehmer. &bdquo;Die große Unterstützung zeigt, dass Joachim Volz einen Nerv getroffen hat.“ Kritik am Klinikum Lippstadt: &bdquo;Eltern werden alleine gelassen“ Gonschorek kritisiert, dass das Klinikum Lippstadt Frauen und ihre Familien in vulnerablen Situationen alleine lässt. &bdquo;In der Klinik mit Perinatalzentrum Level 1 wird auch Pränataldiagnostik angeboten. Erfahren Eltern dort, dass ihr Kind nicht lebensfähig ist und Ärzte empfehlen einen Abbruch der Schwangerschaft, dann werden sie weggeschickt. Das ist eine furchtbare Situation.“ Auch der Frauenrat NRW, ein Zusammenschluss von etwa 70 Frauenverbänden und Arbeitsgruppen mit zwei Millionen Mitgliedern, unterstützt Volz. &bdquo;Es gibt einen überparteilichen Konsens“, erklärt Gonschorek, die sich im Vorstand des Frauenrats engagiert. &bdquo;Reproduktive Selbstbestimmung darf nicht an Klinikfusionen oder kirchlichen Vorgaben scheitern. Wir brauchen flächendeckende, wohnortnahe medizinische Versorgung für alle Frauen und dafür setzen wir uns mit Joachim Volz ein.“ Stiftung unterstützt Abtreibungsgegner Durch Fusionen mit katholischen Krankenhäusern würden in Deutschland jedoch immer wieder Ärzte daran gehindert, schwangere Frauen vollumfänglich zu versorgen, warnt Gonschorek. &bdquo;Lippstadt ist kein Einzelfall. Wir erleben weltweit Rückschritte bei den Frauenrechten, insbesondere das Recht auf Selbstbestimmung wird vielerorts beschnitten.“ Auch in der Region, wie zuletzt in Paderborn, setzten sich Abtreibungsgegner der sogenannten &bdquo;Pro Life“-Bewegung mit &bdquo;Lebensmärschen“ gegen das Selbstbestimmungsrecht von Frauen ein, moniert Gonschorek. &bdquo;Das sind kleine Gruppen, die aber sehr aggressiv auftreten und international vernetzt sind.“ Teil dieser Bewegung ist auch die Stiftung &bdquo;Citizen Go“, die auf ihrer Plattform auf den Konflikt zwischen Volz und dem Klinikum Lippstadt hinweist und mit einer Petition das kirchliche Selbstbestimmungsrecht im Arbeitsrecht verteidigen will - aktuell mit etwa 13.000 Unterstützern. Hinter der Stiftung stecken fundamentalistische Gruppen aus Russland und der EU, die mit Kampagnen versuchen auf Regierungen, Parlamente und andere Institutionen Einfluss zu nehmen. Nach Angaben des europäischen parlamentarischen Forums für sexuelle und reproduktive Rechte verfügt die Stiftung über viel Geld. Aus einer Untersuchung des Forums geht hervor, dass die Stiftung allein zwischen 2008 und 2019 etwa 28 Millionen Euro in ihre Arbeit investiert und damit die sechstgrößten Gesamtausgaben antifeministischer Lobbyorganisationen in Europa hat. Ziel der Stiftung ist es in Deutschland auch, eine Reform des Paragrafen 218 im Strafgesetzbuch zu verhindern, der Schwangerschaftsabbrüche unter Strafe stellt. &bdquo;In Deutschland wird immer behauptet, dass das ein Kampfthema ist. Untersuchungen zeigen aber, dass die Mehrheit der Bevölkerung einer Neuregelung positiv gegenübersteht“, sagt Gonschorek. Die Lippstädterin bezieht sich auf eine repräsentative Bevölkerungsumfrage im Auftrag des Bundesfrauenministeriums aus dem Jahr 2024, wonach es etwa 80 Prozent der Bevölkerung für falsch halten, dass ein Schwangerschaftsabbruch, rechtswidrig ist. Auch Christen fordern Neuregelung des Abtreibungsparagrafen Bedarf für eine Reform des Strafrechtsparagrafen sieht auch Volz. &bdquo;Das ist ein Paragraf gegen Ärzte, der nicht rechtmäßig ist. Wo persönliche Zumutbarkeit und individuelle Entscheidung ausschlaggebend sind, kann kein allgemeiner Straftatbestand gerechtfertigt werden.“ Auch die evangelische Frauenhilfe Westfalen unterstützt diese Forderung. &bdquo;Schwangerschaftsabbrüche gehören nicht ins Strafrecht, sondern in die medizinische Grundversorgung“, sagt Geschäftsführerin Birgit Reiche. &bdquo;Eine diskriminierungsfreie, flächendeckende und rechtsbasierte Regelung ist längst überfällig.“ Selbstbestimmung über den eigenen Körper sei ein grundlegendes Menschenrecht, das auch aus feministischer und theologischer Sicht respektiert und geschützt werden müsse, sagt die Pfarrerin. Als Teil der evangelischen Frauen in Deutschland verweist die Frauenhilfe darauf, dass die Bibel keine eindeutige Position zu Schwangerschaftsabbrüchen formuliert. Vielmehr fordere sie eine respektvolle, empathische Begleitung von Frauen in Konfliktsituationen. Der Verband fordert, dass der Paragraf 218 aus dem Strafgesetzbuch entfernt wird. In einem Beschluss heißt es: Selbstbestimmung, körperliche Integrität und soziale Gerechtigkeit sind zentrale Werte, die auch aus christlicher Perspektive eine Neuregelung gebieten.

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