Warum OWL weniger Ärzte hat als der Rest von NRW

Bielefeld/Beverungen. Die Menschen in Westfalen-Lippe sind deutlich schlechter mit Ärzten versorgt als der Rest der Bevölkerung in NRW. Das zeigt eine aktuelle Auswertung der Ärzte-Zahlen pro 100.000 Einwohner durch die Kassenärztliche Bundesvereinigung. Bundesweit liegt die Region sogar auf dem drittletzten Platz. Doch wie kann das sein? Schließlich sollen Bedarfsplanung und Zulassungssperren genau diese Unterschiede in der Versorgungsqualität verhindern. Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Im Bereich Nordrhein kommen auf 100.000 Einwohner 240 Ärzte und Psychotherapeuten. In Westfalen-Lippe sind es nur 204. Damit ist Nordrhein im bundesweiten Vergleich ganz oben auf Platz vier verankert, lediglich Hamburg, Bremen und Berlin liegen davor. Hinter Westfalen Lippe auf dem drittletzten Platz liegen nur noch Sachsen-Anhalt und Brandenburg. Es ist eine Verschiebung, die deutlich zeigt, dass die Bedarfsregelung der zuständigen Gremien, der Kassenärztlichen Vereinigungen Westfalen-Lippe und Nordrhein nur noch bedingt greift. Denn eigentlich sollen die Berechnung von Versorgungsgraden und die damit verbundenen Niederlassungssperren verhindern, dass eine beliebte Region oder Stadt besser mit Medizinern und Psychotherapeuten versorgt ist. Uni-Städte in Nordrhein sind attraktiver für junge Mediziner Die zuständige Kassenärztliche Vereinigung (KV) Westfalen-Lippe begründet die Schlechterstellung Westfalen-Lippes demgegenüber mit dem Ärztemangel: Die Bedarfsplanung könne nur dort wirken, wo die Ansiedlung von Medizinerinnen und Medizinern über Zulassungsbeschränkungen gesteuert werden könne. Weil aber zum Beispiel gerade bei den Hausärzten überall Mangel vorherrsche, gäbe es hier fast keine Zulassungssperren mehr. Und dann kommt ein grundlegender Vorteil der Region Nordrhein ins Spiel: die Universitätsstädte mit ihren medizinischen Fakultäten. &bdquo;Der ,Klebeeffekt’ von jungen Ärztinnen und Ärzten, die nach dem Studium in der entsprechenden Region bleiben möchten, ist hier entsprechend höher als in Westfalen-Lippe.“ In den Augen der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein deutet eine höhere Anzahl von Ärzten je Einwohner aber auch darauf hin, dass die Einwohnerstruktur der Region älter und morbider ist. &bdquo;Das Versorgungsniveau wird kontinuierlich an die regionale Morbiditätsstruktur mittels Korrekturfaktoren angepasst.“ Facharzt aus Enger prangert Zustand an: &bdquo;Dreiste Fake News“ Ein großes Problem in der Sache sind allerdings auch immer wieder die Versorgungsgrade, die beide Kassenärztliche Vereinigungen benennen. Immer mehr Mediziner prangern an, dass die Klassifizierung nicht im Mindesten mit der Realität übereinstimmt. So gelten Städte in OWL wie Herford, Bielefeld oder Paderborn als fast oder deutlich überversorgt mit Kinderärzten. In der Realität gibt es viel zu wenige von ihnen, und Patienten bekommen das im Alltag auf der verzweifelten Suche nach einer Praxis, die sie aufnimmt, deutlich zu spüren. Das Problem: Gilt eine Stadt als überversorgt, obwohl sie in der Realität zu wenige Ärzte einer Fachrichtung hat, dürfen sich dort keine neuen Mediziner niederlassen. Und somit ist das Problem nicht zu beheben. Immer mehr Mediziner prangern diesen Zustand an. Unter ihnen ist auch Hans-Joachim Weber, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie in Enger: &bdquo;Seit Jahren verbreitet die Kassenärztliche Vereinigung () dreiste Fake News. Der Versorgungsgrad hat gar nichts mit dem Bedarf zu tun.“ Psychotherapeut aus Kreis Herford hat die Nase voll Im Kreis Herford würden die Wartezeiten für einen Psychotherapietermin mindestens ein halbes Jahr betragen. Auch hier gelte aber offiziell eine Überversorgung mit Fachärzten. &bdquo;Die Versorgung der Bevölkerung interessiert die KV nicht. Maßgeblich wird dies wohl beeinflusst von den Krankenkassen, die ihren Einfluss im Gemeinsamen Bundesausschuss mit der KV ausüben und von denen jede zusätzliche Niederlassung eines Arztes oder Therapeuten behindert wird, da die Kassen nur die Kosten sehen und ihre Kunden ihnen da offenbar auch wieder egal sind.“ Auch Jens Grothues, Mitglied im Vorstand des Hausärzteverbandes Westfalen-Lippe, sieht die Zulassungsordnung neben Ärztemangel und Honorarbudgetierung als Teil des Problems. &bdquo;Es ist dringend nötig, sie zu überarbeiten. Auch daran scheitern Niederlassungen von Medizinern da, wo sie dringend benötigt werden.“ Es ist eine Situation, die sich in der Allgemeinversorgung der kommenden Jahre noch erheblich zuspitzen wird. Denn Westfalen-Lippe ist bundesweites Schlusslicht bei der Hausarztdichte. Hier gibt es nur noch knapp 60 Ärzte pro 100.000 Einwohner. Das Durchschnittsalter der Mediziner liegt zudem bereits bei 54,1 Jahren.

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