OWL bei Notfallversorgung von Kindern immer schlechter aufgestellt

Bielefeld. Die Notfallversorgung von Kindern wird in OWL stetig schlechter. In den Kreisen Paderborn, Herford und Gütersloh und in Bielefeld arbeiten die Kindernotfallpraxen nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr. Teilweise springen Kliniken oder Bereitschaftsdienste aus anderen Kreisen ein, teilweise bleiben schlichtweg Lücken. Grund für die Unterversorgung ist ein gravierender Kinderärztemangel – der laut Kassenärztlicher Vereinigung Westfalen-Lippe aber gar nicht besteht, im Gegenteil: Laut KVWL gibt es in vielen Regionen sogar zu viele Kinderärzte. Für Eltern bedeutet das: lange Fahrtwege mit kranken Kindern und viel Verwirrung. Denn vielerorts sind die Regelungen kompliziert. Hier schnell zu überblicken, wer wann an welchem Standort zuständig ist, gestaltet sich nicht einfach. Für ohnehin überlastete Ärzte, Kliniken und Ambulanzen bedeuten die Streichungen Mehrarbeit, die gar nicht mehr machbar ist. Ein Beispiel: In Bielefeld ist der Kindernotfalldienst im Kinderzentrum in Bethel seit April 2024 nur noch an vier Tagen geöffnet: mittwochs und freitags von 16 bis 21 Uhr, samstags, sonntags und feiertags von 9 bis 21 Uhr. Eltern, die außerhalb dieser Zeiten eine Notfallpraxis brauchen, müssen sich zum Allgemeinen Notdienst ins Städtische Klinikum begeben. Dort arbeiten aber keine Kinderärzte, sodass sie im Zweifel doch ins Kinderzentrum nach Bethel in die Kinderambulanz geschickt werden. Kinderambulanzen baden das Problem aus Ab dem 1. Februar wird dieser eingeschränkte Notdienst aber nicht nur die Bielefelder Kinder versorgen müssen, sondern auch Patienten aus angrenzenden Kreisen. Eltern aus dem Kreis Gütersloh müssen bereits seit 2021 in Notfällen nach Bielefeld fahren. Und in Herford wird der Notfalldienst zum 1. Februar 2025 gestrichen. Von montags bis donnerstags übernimmt nach lautstarkem Protest von Eltern nun das Klinikum Herford die Akutversorgung, von Freitag bis Sonntag und an Feiertagen müssen Eltern aber nach Bielefeld oder Minden fahren. Auch im Hochstift wird die bisherige Notfallversorgung ab dem 1. Februar gekürzt und anders aufgestellt. Konnten Eltern die Sprechstunde bislang samstags, sonntags und an Feiertagen von 9 bis 21 Uhr mit kranken Kindern aufsuchen, gilt das künftig nur noch für eine Zeit bis 18 Uhr. Danach übernimmt die Frauen- und Kinderklinik St. Louise. Abseits der langen Fahrtwege und unübersichtlichen Regelungen treffen die Regelungen auch Systeme, die ohnehin am Limit sind. So gab André Wilken, Ärztlicher Leiter der Kinder-Notaufnahme St. Louise, an, er trage die Kürzungen mit, sehe sie aber kritisch. Schon jetzt würden in der Ambulanz mehr als 11.000 Menschen pro Jahr betreut. &bdquo;Durch die nun nochmals steigende Patientenzahl kann es bald zu längeren Wartezeiten kommen.“ Für Sebastian Gaus, Ärztlicher Leiter der Notaufnahme des Kinderzentrums Bethel, ist das Szenario längst Realität. Er hat ausgerechnet, dass durch die Kürzungen des Bielefelder Notfalldienstes im vergangenen Jahr rund 4.000 Patienten mehr in die Kinder-Notaufnahme gekommen sind. &bdquo;Und auch ein Teil der Patienten aus Herford wird sich angesichts der dortigen Kürzungen ins Kinderzentrum nach Bielefeld verlagern.“ Zumal hier der kinderärztliche Notdienst und die Notaufnahme direkt nebeneinanderlägen. &bdquo;Es wird dann angesichts der hohen Zahl an Patienten noch schwieriger, die echten Notfälle zu erkennen und vorrangig zu behandeln.“ Offiziell sind betroffene Städte mit Kinderärzten überversorgt Doch warum beschneidet die KVWL all die Notdienste überhaupt? Hintergrund ist die Überlastung der Kinderärzte. Denn der Kindernotfalldienst ist zwar da, um abseits der Öffnungszeiten der niedergelassenen Kinderärzte eine Versorgung zu garantieren. Besetzt ist er aber genau von diesen niedergelassenen Kinderärzten. Von denen gibt es ohnehin zu wenige in der Region, sodass die Belastung für die Pädiater in vielen Fällen zu hoch ist. &bdquo;Es gibt in Ostwestfalen-Lippe und in ganz NRW Bezirke, die sehr schwach mit Kinderärzten versorgt sind“, sagt dazu Marcus Heidemann, Vorsitzender des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte Westfalen-Lippe. &bdquo;Es kann auch sein, dass es in OWL zu weiteren Kürzungen kommt, das muss man sehen.“ In einem gravierenden Gegensatz zu dieser Situation stehen aber die Versorgungszahlen der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe. In dieser Statistik stehen die meisten Kreise in OWL sogar kurz vor einer Überversorgung mit Kinderärzten. Dazu gehören ausgerechnet auch jene Kreise, in denen die KVWL die Notfalldienste zusammengestrichen hat. So weist Bielefeld einen Versorgungsgrad von 106 auf, der Kreis Gütersloh von knapp 111, der Kreis Paderborn von 110,4 und der Kreis Herford gar von 122,4. Das Problem: Bei einer Überversorgung, die die KVWL ab einem Versorgungsgrad von 110 definiert, gibt es eine Sperrung der Region für die Niederlassung weiterer Mediziner. .responsive23-TuevAO4Zag1oQVcE-choro-kinderaerzte-in-owl-2024 { width: 100%; padding-top: 100%; } @media (max-width: 600px) { .responsive23-TuevAO4Zag1oQVcE-choro-kinderaerzte-in-owl-2024 { padding-top: 100%; } } @media (max-width: 360px) { .responsive23-TuevAO4Zag1oQVcE-choro-kinderaerzte-in-owl-2024 { padding-top: 142.86%; } } Abhilfe für die in der Realität bestehende Unterversorgung kann also aufgrund von Zahlen auf dem Papier nicht geschaffen werden. Und die sind in den Augen von Marcus Heidemann schlichtweg falsch. &bdquo;Dem Versorgungsgrad liegen Parameter zugrunde, die aus den 90er Jahren stammen und damit völlig veraltet sind.“ Diese Zahlen hätten nichts mit der Versorgungsrealität zu tun. &bdquo;Und die Berechnungen, die dahinter stehen, wie viel Zeit zum Beispiel ein Arzt pro Patient braucht, geben nicht im Ansatz das wirkliche Arbeitspensum der Kinderärzte heute wieder.“ Von Seiten der KVWL teilt man dazu mit, dass es in Westfalen-Lippe Stand November 2024 insgesamt 590,25 pädiatrische Versorgungsaufträge, verteilt auf 719 Kinderärztinnen und -ärzte gebe. Rein rechnerisch kämen auf jeden Versorgungsauftrag in Westfalen-Lippe aktuell 2.799 Kinder und Jugendliche. Diese allgemeine Verhältniszahl gelte überall in Westfalen-Lippe, außer in Bielefeld und Münster, wo sie bei 2.069 bzw. 2.045 liege. Fazit: &bdquo;In keinem Planungsbereich in Westfalen-Lippe besteht derzeit in der Fachgruppe der Kinderärztinnen und -ärzte eine Unterversorgung oder droht unmittelbar.“ Herforder Landrat kritisiert KVWL vehement Doch nicht nur bei Eltern aus OWL, die auf breiter Front seit Monaten einen Kinderarzt suchen, dürfte dieses Statement für Empörung sorgen. Auch in der Ärzteschaft und der Politik steht das Vorgehen der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe in der Kritik. Bereits bei der Verlagerung des Kinderärztlichen Notdienstes aus dem Kreis Gütersloh hatten Politik und Kinderärzte aus Gütersloh ihre Empörung über die Entscheidung und über die fehlende Informierung darüber von Seiten der KVWL bekundet. Und auch im Kreis Herford ist Landrat Jürgen Müller verärgert. Er versuche bereits seit Monaten, die Situation für Eltern zu verbessern und die Notfallversorgung auch am Wochenende im Kreis zu sichern. Doch: &bdquo;Eine kurzfristige Lösung zeichnet sich leider nicht ab“, teilt der Politiker auf Anfrage dieser Redaktion mit. Und: &bdquo;Ich möchte an dieser Stelle betonen: Die Kommunikation der Kassenärztlichen Vereinigung ist eine absolute Katastrophe. Wir wurden erst kurzfristig über die Einschränkungen im kinderärztlichen Notdienst informiert, sodass zielführende Gespräche gar nicht mehr möglich waren.“ Genauso gestalte es sich nun mit der Kommunikation hinsichtlich der Einschränkungen beim allgemeinen Notdienst, die aktuell ebenfalls erfolgen. Auch hier komme es zu einer erheblichen Verschlechterung der Versorgungssituation kranker Menschen. Auch hier sei das Gespräch nicht gesucht worden, bis heute nicht. &bdquo;Ich empfinde all das als Schlag ins Gesicht. Die bisher vertrauensvolle und gute Zusammenarbeit mit der KVWL wird dadurch leider torpediert.“ Müller will jetzt das Gespräch mit dem Vorstand der Vereinigung suchen.

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