Droht ein „Wildwuchs“ in der Region? Gericht kippt wichtige Windkraft-Regel

Düsseldorf/Detmold. Das Land NRW treibt den Ausbau der Windkraft voran. Gleichzeitig versucht es, durch vorübergehende Regelungen, einen Wildwuchs von Windrädern in den Regionen zu verhindern. Genau diese Vorgaben wurden jetzt aber vom Münsteraner Gericht gekippt. Politiker aus OWL befürchten nun, dass das zu einem ungesteuerten Ausbau der Windkraft in der Region führen könnte. Politische Entscheider haben in den vergangenen Monaten festgelegt, wo und wie viele Anlagen in OWL entstehen sollen. Dabei handelt es sich um die sogenannte Regionalplanung. Die sieht eine Fläche von knapp 14.000 Hektar vor. Sie berücksichtigt zum Beispiel, dass dort keine Windräder in Wäldern entstehen dürfen und sie mindestens 1.000 Meter von Wohngebäuden entfernt sein müssen. Auch zu Vogelschutzgebieten und Bahnflächen werden Abstände vorgeschrieben. Kommunen, die aber noch zusätzliche Flächen für Windräder außerhalb dieses Bereichs ausweisen wollen, können dies tun. Das nennt sich Positivplanung. Im Kreis Soest führt die aber jetzt zu Problemen - und somit wahrscheinlich in ganz NRW. Der Grund: Die zuständige Bezirksregierung Arnsberg hatte das Genehmigungsverfahren eines Windrads in Werl - außerhalb der Flächen der Regionalplanung - für ein Jahr ausgesetzt. Die Behörde befürchtete, dass durch das geplante Projekt die beschriebene Regionalplanung &bdquo;unmöglich gemacht“ oder &bdquo;wesentlich erschwert“ werde - also die Steuerungspläne der Region. Dafür hat die Behörde eine Vorschrift des Landes angewandt, die seit dem Sommer besteht - und es ermöglicht, ein Genehmigungsverfahren für ein Jahr auszusetzen, wenn ein Windrad außerhalb der Gebietskulisse liegt, die die Region festgelegt hat. Oberverwaltungsgericht Münster spricht von rechtswidrigem Verfahren Das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster sieht das aber anders. In einem Eilverfahren hat das Gericht die Aussetzung des Genehmigungsverfahrens als &bdquo;aller Voraussicht nach rechtswidrig“ bezeichnet. Tenor: Das Land dürfe das Verfahren nicht einfach aussetzen, so das Gericht. Inzwischen hat das OVG auch in einem weiteren Fall so entschieden. Das dürfte nun Folgen für andere Regionen haben. Denn insgesamt wurden in NRW 87 geplante Windräder seit Juni auf Grundlage der umstrittenen Übergangsregel nicht genehmigt, wie das NRW-Wirtschaftsministerium auf Anfrage mitteilt. Das Ministerium habe nun die Bezirksregierungen angewiesen, diese sogenannten Zurückstellungen auf Basis der Gerichtsentscheidungen kurzfristig &bdquo;neu“ zu überprüfen. &bdquo;Es ist davon auszugehen, dass der ganz überwiegende Teil in Kürze zurückgenommen wird“, teilt das Ministerium mit. Es dürften also zahlreiche Windräder nun doch zeitnah genehmigt werden. Die 87 Anlagen verteilen sich laut Ministerium überwiegend auf die Bezirksregierungen Arnsberg, Detmold und Münster. Politiker aus OWL reagieren verärgert. Mit der aktuellen Entscheidung des Gerichts seien alle Steuerungsmöglichkeiten &bdquo;in Gefahr“, teilt Kevin Gniosdorz im Gespräch mit. Der Chef der Jungen Union in NRW, der für die CDU im Rat der Stadt Bad Wünnenberg (Kreis Paderborn) sitzt, sieht jetzt die Ampel-Koalition in Berlin &bdquo;dringend aufgefordert“, die Bundesgesetzgebung anzupassen, da es sich um Gesetze des Bundes handele - &bdquo;nur so kann das Versprechen der Steuerung eingehalten und Wildwuchs vermieden werden“, glaubt Gniosdorz. NRW-Landesregierung schaltet nun die Bundesregierung ein Tatsächlich schaltet NRW jetzt den Bund ein. Die Landesregierung habe sich zusammen mit anderen Bundesländern an die Bundesregierung gewandt - und um eine entsprechende &bdquo;bundesseitige Regelung“ gebeten, teilt das NRW-Wirtschaftsministerium mit. Dahinter verbirgt sich die Hoffnung, dass NRW seine vorübergehende Steuerungsregel dennoch aufrechterhalten kann. Hermann Striewe ist Mitglied der CDU im Regionalrat Detmold. Der Ortsvorsteher des Dorfes Schwaney im Kreis Paderborn glaubt, dass durch das OVG-Urteil die Akzeptanz für Windkraft in der Bevölkerung &bdquo;zunichtegemacht“ wird. Der Landesregierung würden so &bdquo;alle Instrumente“ zur Steuerung der Windkraftvorranggebiete aus der Hand genommen. &bdquo;Die Verantwortung, einen Wildwuchs bei der Windkraft zu verhindern, liegt jetzt einzig allein bei der Bundesregierung“, sagt Striewe dieser Redaktion. In den Augen Gniosdorzs müsse Berlin jetzt auch klarstellen, dass die Länder die Flächen für Windräder grundsätzlich abschließend festlegen dürfen. Der Chef der Jungen Union in NRW fordert, dass Anlagen außerhalb der in den Regionalplänen vorgesehenen Flächen nur da entstehen dürfen, wo die Kommunen entsprechendes Planungsrecht geschaffen haben. &bdquo;Andernfalls wird vor allem der ländliche Raum unter Windkraft-Chaos leiden.“ Gniosdorz sieht die Verantwortung nun vor allem bei den Grünen. &bdquo;Gerade grüne Spitzenpolitiker in Berlin und Düsseldorf brüsten sich gerne mit dem Windkraftausbau, der fast ausschließlich im ländlichen Raum stattfindet, und versprechen immer wieder einen Ausgleich zwischen den Regionen sowie akzeptanzfördernde Maßnahmen.“ Jan Maik Schlifter, Vorsitzender der FDP-Fraktion im Regionalrat, fordert: &bdquo;Der Windkraftausbau muss landschafts- und menschenverträglich erfolgen. Deshalb braucht es Steuerung.“

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