Eine der letzten Feierabendbier-Kneipen in Bielefeld schließt

Bielefeld. Die Würfel sind gefallen. Zum letzten Mal und wieder tragen die Knobel-Könige der &bdquo;Ratsstuben“ in Quelle den Sieg davon über die geliebten Gegner aus Ummeln. Zum letzten Mal, weil Barbara Gembitzki ihre klassische Feierabendbier-Kneipe schließt. Das Datum stehe schon fest, sagt sie: &bdquo;Am 30. Juni ist hier Schluss“. Es sei denn, es passiere noch ein Wunder und es finde sich jemand, um die Gaststätte in zentraler Lage weiterzuführen. Doch bisher habe sich noch kein Kandidat für die Übernahme gemeldet. Die Wirtin sagt es nicht durch die Blume, dafür hat sie in ihrem langen Gastronomie-Leben schon mehr als genug Biere gezapft, sie sagt es ganz direkt: &bdquo;Nach mehr als 50 Jahren hinter der Theke und in der Küche bin ich einfach müde, und ich möchte aufhören.“ Am 30. Juni wird es dann so weit sein: Barbara Gembitzki gibt den Schlüssel zur Kneipe ab, in der sie seit 26 Jahren mindestens sechs Tage die Woche nicht nur als Köchin und Wirtin agierte, sondern auch als Seelsorgerin und Ratgeberin für alle Lebenslagen. Die in der 1954 errichteten Traditionsgaststätte lange Zeit zum wöchentlichen Repertoire gehörten, wie Hochzeiten und Beerdigungen, Taufen und Konfirmationen oder die vielen Feste. Davon zeugen die verblichenen Farbfotos in einer Ecke der Schankstube. In einer anderen Nische hatte Gembitziki gleich nach der Übernahme der Kneipe im Jahre 1999 viele Schwarzweiß-Aufnahmen aus der Dorfgeschichte von Quelle aufgehängt. Eine kleine Hommage an ihre neue Heimat, in die sie mit ihrer Tochter Magdalena gezogen war, nachdem sie 1981 als Spätaussiedlerin ihre Geburtsstadt Danzig hatten verlassen können. Im Stadtteil Bielefeld-Quelle gab es 1999 noch 23 Kneipen Viele Jahre lebten sie gemeinsam in der Wohnung über der Kneipe, später zog die Tochter in die Nachbarwohnung im Anbau, und diesen Sommer zieht dann die Mutter zur Tochter ins benachbarte Herzebrock. Bis dahin aber steht auch Magdalena Balawender fast jeden Abend mit an der Theke, obwohl sie mit ihrem Mann einen international tätigen Montage-Betrieb leitet. &bdquo;Als meine Mutter die Ratsstuben übernahm, gab es in Quelle noch 23 Kneipen“, sagt sie, das habe der Ortschaftspfleger damals beim Bier erzählt. Geblieben seien davon vielleicht noch zwei, aber keine wie die &bdquo;Ratsstuben“. Eiche rustikal bestimmt Ton und Gestalt des Mobiliars, durch Buntglasfenster fällt farbiges Licht in die Schankstube und den benachbarten Saal. Den Logenplatz am Tresen ziert ein Porträt der Läster-Opas Waldorf und Statler aus der &bdquo;Muppet Show“. In der Luft liegt immer noch ein Hauch des Qualms von Tausenden Zigaretten, die hier einst in Rauch aufgingen. Das Rauchverbot seinerzeit habe der Gesprächskultur ziemlich zugesetzt, sagt Balawender, weil es Unterhaltungen unterbreche, was schade sei. Lesen Sie auch: Ehepaar erfüllt sich mit Pizzeria in Borgholzhausen einen Traum Ein Zustand, den das Smartphone allerdings noch verschlimmere, weil dann gar nicht mehr miteinander geredet werde, sagt ihre Mutter. Doch ihre Gäste kämen gar nicht auf die Idee, stundenlang auf den Bildschirm zu starren, sie freuen sich auf Gesellschaft und Gemeinschaft und am Mittwoch auf frische Frikadellen aus der Pfanne. &bdquo;Die sind dann am Abend auch alle weg“, sagt die Köchin, die jedes Schnitzel selbst klopft und paniert in der kleinen Küche und die Koteletts schlicht mit Brot serviert – aber nur noch bis Ende Juni. Die &bdquo;Ratsstuben“ dienten Jahrzehnte als Vereinslokal für Kneipensport Denn neben den Würfelspielern hat auch Deutschlands ältester, noch bestehender Skatclub, der Rot-Weiß Bielefeld von 1950, bereits ein neues Domizil gefunden. Ebenso der Sparverein, dessen rund 40 Mitglieder ihre eiserne Spardose bereits geplündert haben. Die Ankündigung des Abschiedes sei besonders für die älteren Gäste traurig, sagt Balawender, denn für einige sei die Kneipe wirklich ein Hort gegen die Einsamkeit. Darum würden sich beide wünschen, dass die Gastronomie in der zentralen Lage, praktisch mitten im Ort an der Carl-Severing-Straße gelegen, weiter existiere. Zum Wohl des Stadtteils und seiner Bewohner. Interessierte können sich direkt an Barbara Gembitzki oder Magdalena Balawender wenden. 📱 Aktuelle News bekommen Sie täglich über den WhatsApp-Kanal des HK

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