Harsewinkel. Viele von uns wissen kaum noch, wie ihr Büro aussieht. Na gut, ganz so schlimm ist es vielleicht doch nicht. Aber seit Beginn der Pandemie Mitte März ist das Homeoffice für Zehntausende Menschen in OWL zum Alltag geworden. Doch wie verändert uns die Arbeit in den eigenen vier Wänden? Darüber haben wir mit Michael Hyllan, dem Personalleiter des Claas-Konzerns in Deutschland, gesprochen.
Auch bei Claas mussten viele Mitarbeiter von einem Tag auf den anderen von zu Hause aus ihr Pensum erledigen. Und da hat die Corona-Krise eine Stärke der Menschen ans Tageslicht gebracht: "Sie hat gezeigt, wie schnell die Firmen und die Mitarbeiter vielerorts in der Lage waren, sich den Umständen anzupassen. Das war beeindruckend, auch bei Claas", sagt Michael Hyllan.
Früher war Homeoffice etwas, bei dem mancher Traditionalist die Nase rümpfte. Schwang da nicht oft die Unterstellung mit: "Du arbeitest zu Haue? Machst dir wohl einen schönen Tag, was?" Selbst wenn das so gewesen sein sollte, jetzt ist es offenbar anders: "Das Homeoffice wird nicht mehr so kritisch gesehen oder belächelt wie früher. Ich glaube, dass viele sogar extra viel Gas geben im Homeoffice mit einer Art Jetzt-erst-recht-Mentalität gegen die Krise und zeigen wollen, dass Homeoffice funktioniert", sagt Hyllan. Aus den Führungskreisen bei Claas höre er fast durchweg positive Bewertungen der neuen Situation. Manche sagten sogar, die Abteilung sei produktiver, weil man sich zu Hause besser konzentrieren kann.
"Die machen eigentlich nie richtig Feierabend"
Klingt nach neuer Arbeitsqualität. Doch was ist mit der Lebensqualität? "Auch die steigt in manchem Punkt", meint der Personalchef: "Wenn Sie sich nicht zweimal am Tag durch den Stau im Berufsverkehr quälen müssen oder zu Hause sind, wenn die Kinder von der Schule kommen, tut das doch gut". Das bedeute jedoch nicht, dass Homeoffice nur Vorteile bringt. "In manchen Familien ist das nicht so einfach zu organisieren", sagt Michael Hyllan. Und dann kommt er zu einem besonders wichtigen Punkt, wie er betont: "Mitarbeiter mit hoher intrinsischer Motivation neigen dazu, zu Hause noch mehr zu arbeiten als in der Firma. Sie machen nie richtig Feierabend". Auf diese Mitarbeiter müssten Führungskräfte besonders aufpassen. "Außerdem fehlen uns allen natürlich der persönliche Austausch mit den Kollegen, die Präsenz-Konferenzen im Unternehmen und das Gespräch auf dem Flur." Claas etwa sei ein ausgesprochen netzwerkorientiertes Unternehmen. "Das ist in Corona-Zeiten eine Herausforderung."
So sehr die besonders Motivierten im Homeoffice extra Gas geben, so mag es auch solche geben, die vermehrt Pausen einlegen, oder? Da hat der Personalchef des Mähdrescher-Konzerns eine ganz eigene Ansicht: "Mehr Pausen sind nicht unbedingt von Nachteil, wenn letztlich das Ergebnis in der erforderlichen Zeit erreicht wird". Aber ein gewisser Vertrauensvorschuss sei schon notwendig. "Da muss man als Führungskraft in der Kontrolle auch mal loslassen können."
"Wie wollen Sie das in ein Arbeitsverhältnis übersetzen?"
Ergebnisorientiertes Arbeiten, wie es etwa Auftragnehmer im Gegensatz zu Arbeitnehmern viel häufiger tun, ist eine Konsequenz des Homeoffice'. Ließe sich das auch verstetigen, etwa durch neue Formen von Arbeitsverträgen? "Eine Ergebnisorientierung ist klasse, aber in dem Kontext doch schwer umsetzbar. Wie wollen Sie das insgesamt bewerten und in ein langfristiges Arbeitsverhältnis übersetzen?", fragt Michael Hyllan. "Das dürfte sehr schwierig werden. Dieser Paradigmenwechsel wäre für alle Beteiligten ein sehr steiniger Weg."
Was aber können wir dann aus der Krise mitnehmen für die Zukunft? "Zum Beispiel, dass wir künftig die Präsenzzeiten der Mitarbeiter in den Unternehmen effektiver nutzen für die Dinge, die im Remote-Arbeiten zwangsläufig auf der Strecke bleiben", erklärt Michael Hyllan.
Und nun stellen wir uns mal vor, die Corona-Pandemie wäre schon 2005 ausgebrochen, lange vor der fortgeschrittenen Digitalisierung: "Daran denke ich lieber nicht. Aber wenn sich unsere IT in den letzten Jahren nicht derart mit Hard- und Software verstärkt hätte, wären die aktuellen Herausforderungen ungleich größer gewesen."
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