Bielefeld

Tönnies-Beschäftigte verschwunden: "Die sind mit ihren Koffern weg"

161 Wohnungen hat das Ordnungsamt zur Quarantäne-Kontrolle abgeklappert - einige davon vergebens.

Die Stadt Bielefeld sucht noch immer Tönnies-Beschäftigte mit Wohnsitz in Bielefeld. | © Lukas Brekenkamp

Ingo Kalischek
24.06.2020 | 24.06.2020, 16:57

Bielefeld. Der Corona-Ausbruch beim Fleischunternehmen Tönnies hält seit Tagen die Stadt Bielefeld in Atem. In einer beispiellosen Aktion rekrutierte das Ordnungsamt jetzt seine Mitarbeiter, um Bielefelder Tönnies-Angestellte unter Quarantäne zu stellen. Doch noch immer konnte die Stadt nicht alle Personen ausfindig machen. Viele Fragen bleiben offen.

161 städtische Adressen

161 Wohn-Adressen hat das Ordnungsamt seit Samstag im gesamten Stadtgebiet abgeklappert. Dabei handelt es sich überwiegend um Tönnies-Arbeiter, die bei Subunternehmen angestellt sind.

Die Anschriften hat die Stadt von der Bezirksregierung nach und nach erhalten – „in ganz unterschiedlicher Qualität", wie Krisenstabsleiter Udo Witthaus sagt. Auf den Listen gab es Doppelungen, Zahlendreher und verschiedene Dienstleister. Das habe die Arbeit massiv erschwert.

14 Namen nicht erreicht

Bis Montagmorgen waren 14 der 161 Adressen noch offen. Sprich: Dort wurde trotz mehrfacher Versuche niemand angetroffen. „Die sind mit ihren Koffern weg" und „die sind im Urlaub" hätten einige Nachbarn gegenüber den Ordnungsamts-Mitarbeitern gesagt, so Witthaus. Die Stadt prüfe jetzt in Ruhe, wo sich die Personen befinden. „Wir wollen nicht spekulieren." Es könne theoretisch auch sein, dass sich die nicht angetroffenen Personen regulär im Urlaub befinden würden.

An den weiteren Adressen machten die 36 Mitarbeiter insgesamt rund 350 Personen aus. Sie alle wurden mündlich unter Quarantäne gestellt. Dabei handelt es sich um Tönnies-Arbeiter sowie Menschen, die mit ihnen im Haushalt leben – wie Partner und Kinder. „Wir konnten somit bis jetzt 87 Prozent der Personen ausfindig machen", sagt Witthaus und spricht von einem guten Wert. Die Stadt wartete am Montagnachmittag noch auf eine weitere Adressliste mit rund 40 Namen. „Auch diese Personen werden wir aufsuchen und unter Quarantäne stellen", sagt Witthaus.

Testergebnisse offen

Auch auf die Testergebnisse wartet die Stadt jetzt. Sollte das Coronavirus bei einigen der Personen nachgewiesen werden, beginnt das Gesundheitsamt mit der Nachverfolgung – prüft also, mit welchen Menschen die Infizierten zuletzt Kontakt hatten. Die Quarantäne gilt bis zum 2. Juli, auch für Personen, deren Test-Ergebnisse negativ sind.

Christiane Krumbholz ist stellvertretende Leiterin des Ordnungsamts. Sie sagt, dass die Wohnsituation der Arbeiter in Bielefeld nicht mit der der Menschen im Kreis Gütersloh vergleichbar sei. In Verl-Sürenheide sind beispielsweise viele Tönnies-Arbeiter in großen Sammelunterkünften untergebracht. Das sei in Bielefeld bis auf eine Ausnahme nicht der Fall. In den allermeisten Haushalten lebten zwei bis drei Personen, in der Höchstzahl 7.

Viele Griechen

Die Menschen stammen laut Krumbholz aus „vielen verschiedenen Ländern" wie Polen, Bulgarien und Rumänien. Unter ihnen seien auch Deutsche und viele Griechen. Die Personen hätten einen „sehr vernünftigen Eindruck" gemacht. Nur in einem Fall musste die Polizei eingreifen, da ein Mann sehr laut geworden sei. Die Situation konnte schnell geklärt werden. Die Stadt prüfe aktuell, wie intensiv sie die Quarantäne-Einhaltung überwachen wird.

Die Versorgung der Menschen mit Lebensmitteln sei vorerst sichergestellt – durch Nachbarn und andere Kontakte, so Krumbholz. Auch die Wohnsituation der Menschen sei in Ordnung – sie wohnen nach Ansicht der Stadt nicht auf zu beengtem Raum.

Schulverbot für Kinder

Bislang hat die Stadt in den 161 Adressen elf Kinder ausfindig gemacht, die in Bielefeld zur Schule gehen. Das ist ihnen seit Donnerstag untersagt. Unklar sei aktuell, um wie viele Kindergartenkinder es sich handelt.

Die Stadt kann momentan nicht mitteilen, ob und wie viele der Bielefelder Tönnies-Mitarbeiter mit dem Coronavirus infiziert sind – und ob einige davon im Krankenhaus liegen.

Fall in Marienschule

Unabhängig von der Causa Tönnies hat sich in Bielefeld ein weiterer Schüler mit dem Coronavirus infiziert. Er wohnt nicht in Bielefeld, besucht aber die Marienschule. Der Schüler sei im Zusammenhang mit einer anstehenden Operation getestet worden und hatte Kontakt mit drei Lerngruppen. Die rund 50 Kinder und ihre Lehrer befinden sich jetzt in Quarantäne. Nach aktuellem Stand der Stadt hatte der Schüler keinen „Tönnies-Bezug".

Am Montag gab es in Bielefeld offiziell 23 aktuell Infizierte, davon haben neun einen Bezug zu Tönnies. „Das sind aktuell nicht wirklich gute Tage für die Region", sagt Witthaus. Er appelliert an die Bielefelder, sich weiter an die Mindestabstände und Hygieneregeln zu halten. Sorgfalt, Vorsicht und Verantwortungsbewusstsein seien jetzt wichtig, um weitere schärfere Maßnahmen abwenden zu können.

Links zum Thema
Tönnies-Themenpaket auf www.haller-kreisblatt.de