Bekanntes Akrobaten-Duo aus Werther: Ein völlig neues Leben nach Corona

Werther-Rotingdorf. Ein Leben als Akrobaten, die ihre Kunst meistens auf der Straße präsentieren - was für die meisten Menschen nach einem Lebensmodell klingt, das sie sich schwer vorstellen können, ist für Albert Wittbrock und Astrid Schöne schon immer ihre berufliche Traumvorstellung. Mehr als 100 Auftritte im Jahr hatten die beiden. Mal als &bdquo;Duo Agil“, mal als &bdquo;Glupo Group“ waren sie auch beim Haller Willem, beim Bielefelder Wackelpeter oder beim Dornberger Freibadfest Stammgäste. Als Zirkuspädagogen waren sie international gefragt. Von Seoul über Ägypten bis in die USA leiteten sie Zirkusprojekte. Doch dann kam die Pandemie - und ihr Leben änderte sich gezwungenermaßen von einem auf den anderen Tag. &bdquo;Es gab keine Auftrittsmöglichkeiten mehr, alle Veranstaltungen waren abgesagt und wir hatten keinerlei Einkünfte“, erzählt Astrid Schöne. Sie sitzt mit Albert Wittbrock - die beiden gehen auch privat gemeinsam durchs Leben, haben zwei erwachsene Söhne - am großen Esstisch in ihrem gemütlichen Bauernhaus in Rotingdorf. Die Pandemie ist inzwischen überstanden, aber sie hat das Leben des Künstler-Paares kräftig durchgerüttelt. Was macht man, wenn man sein gesamtes Leben als freie Künstler der Akrobatik verschrieben hat, plötzlich nicht mehr auftreten kann und auch das Alter voranschreitet? Job am Schreibtisch? Nichts für die Artistin aus Werther Zunächst greift man auf die B-Lösungen zurück, die man als Freischaffender klugerweise in der Hinterhand hatte. &bdquo;Ich bin ausgebildete Logopädin und habe schon immer freiberuflich nebenbei gearbeitet. Das konnte ich zum Glück erst mal ausweiten“, sagt Astrid Schöne. Aber auch in ihrer eigenen Branche tut sich eine Möglichkeit auf. Die Landesarbeitsgemeinschaft Zirkuspädagogik NRW bietet ihr eine Stelle als Bildungsreferentin an. &bdquo;Da war ich zuständig für die Fortbildung und Vernetzung im Bereich Jugendzirkus und für die Verwaltung von Fördergeldern.“ Also von der Straßenbühne an den Schreibtisch? &bdquo;Ja, genau - und das war einfach nicht mein Job“, sagt die 56-Jährige und lächelt. Ein Jahr lang versucht sie sich 2022 als Büro-Arbeiterin. Dann kommt wieder ein Angebot unverhofft auf sie zu, aber dieses Mal aus der Praxis. Der belgische Choreograf Piet Van Dycke lädt Astrid Schöne ein, Teil seines Projekts zu sein. Bei dem geht es - ganz direkt gesagt - um alte Akrobatinnen und Akrobaten. Mit fünf Berufskollegen und -kolleginnen aus Belgien und Deutschland gehört Astrid Schöne seitdem der Kompanie Circumstances an und tourt mit ihrer Show &bdquo;Glorious Bodies“ durch Europa. Alte Akrobaten können mehr, als man glaubt &bdquo;Wir wollen das Thema Alter auf die Bühne bringen. Dabei bin ich mit 56 Jahren die Jüngste, der Älteste ist 69“, sagt sie. Choreograf Piet Van Dycke hatte sich mit alternden Akrobaten beschäftigt und stellte fest: Die können mehr, als er gedacht hatte. &bdquo;Es geht in dem Stück nicht um Einschränkungen, sondern um den Weg, den man geht“, erklärt Astrid Schöne, es sei eine Mischung aus modernem Tanz und Akrobatik. Aktuelle News bekommen Sie täglich über den WhatsApp-Kanal des HK Neben Belgien und den Niederlanden war die Kompanie mit ihrem Stück in Portugal, Tschechien, Italien, Ungarn, Litauen und der Schweiz zu sehen. Im Mai gastieren sie in Köln. 50 Auftritte hatte Astrid Schöne nun auf Tournee. Für das Akrobaten-Duo, als das sie mit ihrem Mann auftritt, bleibt da nur noch wenig Zeit. Und Albert Wittbrock ist froh darüber. Denn ihn hat es in eine ganz andere Richtung geweht. Schon lange vor der Pandemie hatte er neben der Akrobatik ein Pädagogik-Studium begonnen. &bdquo;Ich hatte 2012 vom Bielefelder Oberstufenkolleg die Anfrage bekommen, ob ich Sportlehrer werden wolle“, erzählt er. Allerdings fehlte ihm dazu der pädagogische Hintergrund. Also entschloss er sich, 2015 neben seiner Tätigkeit als freischaffender Künstler ein Pädagogik-Studium aufzunehmen, in dessen Rahmen er regelmäßig an der Laborschule in Bielefeld unterrichtete. Lesen Sie auch: Zirkus ohne Zelt: Zwei Wertheraner sind als Straßenartisten weltweit unterwegs Wertheraner Artist durch Krankheit ausgebremst Die halbe Stelle, die ihm die Laborschule nach dem Studium als Erzieher anbot, war gut, um während der Corona-Zeit über die Runden zu kommen. Doch dann knockte eine Knochenmarkentzündung im Bein ihn völlig aus, nahm zeitweise lebensbedrohliche Ausmaße an und stellte auch seine Zukunft als Akrobat infrage. Nach einer langen Leidenszeit überstand Albert Wittbrock die Erkrankung glücklicherweise gut und nahm gerne das Angebot der Laborschule an, eine feste Fachstelle für Pädagogik zu übernehmen. Und zu seinem eigenen Erstaunen ist er darin sehr glücklich. &bdquo;Wenn mir jemand vor ein paar Jahren gesagt hätte, dass ich mal in einem festen Job mit festen Arbeitszeiten, Wochenende und Urlaub arbeiten würde, hätte ich das nicht geglaubt“, sagt er. Aber es fühle sich gut an. &bdquo;Ich habe früher immer ein schlechtes Gewissen gehabt, wenn ich nicht gebastelt habe“, sagt der 56-Jährige im Hinblick auf die Requisiten, Kostüme und Technik, die das Paar für alle Shows und Acts selbst konzipierte, baute, schneiderte und immer wieder verbesserte. Als Akrobatik-Duo machen sie weiter Ungefähr ein Jahr lang habe es gedauert, bis er genießen konnte, Feierabend und Wochenende zu haben. Die Auftritte an allen Wochenenden, die ewigen Proben und Entwicklungen der Shows - &bdquo;das vermisse ich überhaupt nicht“, sagt Albert Wittbrock. Wahrscheinlich auch, weil der Vollblut-Künstler natürlich nicht ganz mit der Akrobatik aufgehört hat. Er und seine Frau sind als Trainer gefragt: beim Kinderzirkus Karibu, in Akrobatik-AGs an der Laborschule oder beim TSVE in Bielefeld. Und selbstverständlich gibt es die Zwei auch noch als Duo. &bdquo;Wenn wir gebucht werden und Zeit haben, treten wir auf“, sagt Astrid Schöne. Rund 15 Termine waren es im vergangenen Jahr. Und so werden sie auch in diesem Jahr wieder im Umkreis zu sehen sein: beim Wackelpeter und ganz bestimmt beim Haller Willem.

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