
Werther. Der Schnappschuss der Hochzeitsgesellschaft versprüht einen ganz eigenen Charme. Braut und Bräutigam haben sich mit ihren Gästen auf ein Bier an der Theke niedergelassen, man prostet sich zu, die Stimmung ist heiter. Aber wer sind diese Menschen? Das ist die große Frage.
Nur zwei Dinge sind über dieses Foto bekannt: Dass es von Vincent Böckstiegel gemacht wurde. Und dass seine Mutter Hanna als Fünfte von links ebenfalls auf dem Foto zu sehen ist. Doch wer hier wo feiert, bleibt ein Geheimnis. „Das sich aber vielleicht mit Hilfe von Bürgerinnen und Bürgern lösen lässt“, hofft David Riedel.

Der künstlerische Leiter des Museums Peter August Böckstiegel steckt mitten in den Vorbereitungen zu einer großen Ausstellung mit Arbeiten von Vincent Böckstiegel. „Von Arrode in die Welt - dem Fotografen Vincent Böckstiegel zum 100.“ heißt sie und soll am 12. Februar eröffnet werden - dem Tag, an dem Vincent Böckstiegel 100 Jahre alt geworden wäre.
Riesiger Nachlass mit Tausenden Fotos
Der Sohn des Malers Peter August Böckstiegel, 1925 geboren und 2007 im Alter von 82 Jahren verstorben, war selbst niemand, der gern im Vordergrund stand. Möglicherweise wählte er aus diesem Grund den Beruf des Fotografen. So war er bei vielen Ereignissen dabei, blieb aber fast immer im Hintergrund.
Ob es ihm gefallen hätte, dass ein Teil seiner Arbeiten nun im Museum in Werther gezeigt wird? Auf jeden Fall will David Riedel den Fotografen nun in den Mittelpunkt einer Ausstellung rücken. Auch darum, um über seine Bilder etwas über sein Leben und Wirken zu erzählen, das doch oft im Schatten seines großen künstlerischen Vaters stand.
Seit fast zwei Jahren ist David Riedel jetzt dabei, Fotos von Vincent Böckstiegel zu sichten und für die Ausstellung zusammenzustellen. Das war nicht immer leicht. „Es gibt einen geteilten Nachlass“, erzählt der Museumsleiter. Viele Fotos, ungefähr um die 1.000, lagerten im Gütersloher Kreisarchiv, ein erheblich größerer Teil sei darüber hinaus privat nach Bielefeld gegangen. „Und dazu gibt es sehr, sehr viele noch unentwickelte Filme.“
Leider kein guter Archivar
„Leider war Vincent Böckstiegel niemand, der sich durch besonders gutes Archivieren ausgezeichnet hat“, drückt sich David Riedel diplomatisch aus. Er habe viele Bilder einfach in großen Kisten ohne Beschriftung oder Datierung hinterlassen. Entsprechend spricht Riedel von einem „Blick in eine Fundgrube voller Fragezeichen“.
In Vorbereitung auf die Ausstellung hat er in den vergangenen Monaten zusammen mit einem Team aus Ehrenamtlichen 30 Umzugskisten voller Fotos durchgeschaut - eine Mammutaufgabe. „Wir haben uns immer montags getroffen, wenn das Museum geschlossen hat. Sonst wäre das gar nicht möglich gewesen. Es war eine Heidenarbeit“, erzählt Riedel.
Und nicht immer befriedigend. „Viele Fotos sind einfach nicht gut genug für eine Ausstellung“, sagt Riedel ehrlich. Vincent Böckstiegel habe zwar als Werbe- und Modefotograf, aber auch als Bildjournalist für verschiedene Tageszeitungen gearbeitet. Da sei es mehr um die Dokumentation von Ereignissen und weniger um Ästhetik gegangen. „Seine erste Anstellung war 1950 bei der Kasseler Zeitung“, erzählt Riedel. Später habe er auch für die Zeitschrift „Unsere Kirche“ und für die von Bodelschwingh’schen Stiftungen in Bethel gearbeitet.
Immer wieder herausragende Fotos
Das Sichten der vielen Fotos entführte Riedel und sein Team die Zeit der 1950er, 60er und 70er Jahre. „Ganz oft haben wir uns gefragt, wer wohl auf den Bildern zu sehen ist. Wer die Menschen waren, welche Feste sie feierten, welche Treffen sie abhielten, und wo. Das konnte man oft nur raten.“
Dass zwischendurch immer mal wieder herausragende Fotos auftauchten, machte das Sichten und Sortieren trotzdem spannend. „Man hofft eigentlich immer, dass man im nächsten Stapel wieder ein tolles Bild findet.“
Natürlich kann in der Ausstellung nur ein winziger Bruchteil des fotografischen Werks Vincent Böckstiegels gezeigt werden. „Wir haben versucht, eine spannende und interessante Auswahl zu treffen“, so Riedel. Eines sei allen Arbeiten gleich: „Im Zentrum steht immer der Mensch.“
Wer kann helfen?
Die Fotos, die in diesem Bericht eine Rolle spielen, werden in der Ausstellung zwar vermutlich nicht gezeigt werden. „Weil sie künstlerisch eher nicht dafür infrage kommen“, sagt Riedel. „Aber wir würden trotzdem gern wissen, wo sie aufgenommen wurden und wen sie zeigen.“ Denn sie seien ja nicht umsonst aufgehoben worden und hätten für den Fotografen eine Bedeutung gehabt.
Der Museumsleiter setzt nun auf die Mithilfe der Bevölkerung. „Kennt jemand die Menschen auf diesen Fotos? Etwa die hübsche blonde Frau, die auf ganz vielen Bildern Vincent Böckstiegels zu sehen ist? Die Gäste der Hochzeitsgesellschaften? Den Hof, wo gefeiert wurde? Die Kinder beim Backen? Und ist jemandem bekannt, wo genau die Fotos in welchem Jahr aufgenommen wurden?“ Das „Haller Kreisblatt“ würde sich über Mails an redaktion@haller-kreisblatt.de sehr freuen.