Lebenstraum erfüllt: Neue Chefin übernimmt Buchhandlung in Werther

Werther. Von einer glücklichen Fügung zu sprechen, wäre wohl noch untertrieben. Da gibt es in Werther die Buchhandlung Lesezeichen, die einen neuen Besitzer suchte. Und es gibt Verena Prohl, die im Grunde seit ihrem Studium davon träumte, im Bereich Literatur Fuß zu fassen. Inzwischen haben sich beide gefunden, zum 1. Mai übernimmt die zweifache Mutter aus Marienfeld das alteingesessene Geschäft an der Ravensberger Straße. Im Gespräch mit dem &bdquo;HK“ erzählt sie, warum damit für sie ein Lebenstraum in Erfüllung geht, warum dieser Schritt viel Mut erforderte und welche Sorgen sie aktuell umtreiben. Zunächst aber die allerbeste Nachricht: Es geht weiter im Lesezeichen. Die Buchhandlung, seit 1996 fester Bestandteil in Werthers Geschäftsleben, wird nicht schließen, sondern den Kundinnen und Kunden in altbewährter und doch neuer Weise zur Verfügung stehen. Was keine Selbstverständlichkeit ist. Schon seit geraumer Weile geistern in Werther Gerüchte herum, die Buchhandlung würde aufgegeben. Es war bekannt geworden, dass sich die bisherigen Eigentümer von ihr trennen wollten. Christina und Ekkehard Risken haben sich entschieden, sich auf ihre Versmolder Buchhandlung Krüger zu konzentrieren. Den Wechsel riskieren, oder im bequemen Job bleiben? Weshalb Ellen Elbracht, fast vom ersten Tag an in Werther dabei, immer wieder besorgten Kunden versichern musste, dass es weitergehen werde, lediglich mit neuen Eigentümern. Und die sind inzwischen in Verena Prohl und ihrem Mann Christian gefunden. Verena Prohl, 48 Jahre alt und Mutter zweier Söhne (sechs und zehn Jahre), wird das neue Gesicht des Geschäfts sein. Die gebürtige Hessin hat in Marburg englische und spanische Literatur und Sprachwissenschaften studiert. &bdquo;Nach dem Abschluss wollte ich eigentlich in einem Verlag arbeiten“, erzählt sie. Stattdessen sei sie bei einem großen Pharma-Unternehmen gelandet, wo sie zwar ihre Fremdsprachenkenntnisse anbringen konnte, ihre Liebe für die Literatur jedoch auf der Strecke blieb. &bdquo;Aber die Stelle war attraktiv und der Verdienst gut. Da fragt man sich zwangsläufig, ob man einen Wechsel riskieren soll.“ Die Kündigung war die Chance auf einen Neustart 2009 lernte sie ihren Mann Christian aus Gütersloh kennen. &bdquo;Im Internet“, erzählen beide und müssen lachen. Ein Jahr später zog Verena Prohl zu ihm und nahm eine Stelle beim Software-Entwickler Diebold-Nixdorf in Paderborn an. &bdquo;Wieder nichts mit Literatur“, bedauert sie, stattdessen verschiedene Aufgaben, zum Schluss in der Rechtsabteilung. 2011 baute das junge Ehepaar in Marienfeld ein eigenes Haus. Und dann der Schock: Diebold geriet in finanzielle Schwierigkeiten, was folgte war ein massiver Stellenabbau. 2023 ebenfalls davon betroffen: Verena Prohl. Rückblickend aber endlich die Chance, aus ihrem Leben das zu machen, was sie immer machen wollte - etwas im Bereich Literatur. &bdquo;Schon während meiner beiden Elternzeiten habe ich mir eine Arbeit gewünscht, die mich wirklich ausfüllt. Eine klare Vorstellung, was das sein könnte, hatte ich allerdings nicht.“ Der Zufall half ihr auf die Sprünge: Bei einer Mutter-Kind-Kur mit ihrem jüngsten Sohn lernte sie im Kurort eine kleine Buchhandlung kennen, inhabergeführt und das Inbild einer wunderbaren literarischen Oase. &bdquo;Irgendwie hat sich das in meinem Kopf festgesetzt“, erzählt sie. Und dann fand ihr Mann auf der Homepage des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels folgende Anzeige: &bdquo;Buchhandlung in OWL sucht Nachfolge“. Anzeige war wie ein Weckruf Ein Weckruf. &bdquo;Wahrscheinlich hinter Paderborn oder noch weiter weg“, dachte Verena Prohl pessimistisch - und las Werther. &bdquo;Ich bin ins Auto gestiegen und hingefahren. Als Kundin, nicht als potenzielle Käuferin.“ Und dann hat sie mit ihrem Mann gesprochen. Idealerweise ist Christian Prohl Betriebswirt, heute als IT-Leiter tätig und ein Mann der Zahlen. Beste Voraussetzungen, um in Sachen Buchhaltung und EDV zu unterstützen - und überhaupt erst einmal abzuschätzen, ob eine Geschäftsübernahme erfolgreich sein könnte. &bdquo;Aber ganz ehrlich: Ich kann das nicht nicht machen“, sagt die 48-Jährige. &bdquo;Sonst würde ich mich später immer fragen, ob es geklappt hätte. Täte ich es nicht, würde ich es immer bereuen.“ Und dann erzählt die sympathische Marienfelderin von diesem ganz besonderen Moment, von dem Gefühl, das sie damals hatte: &bdquo;Wie krass wäre es, wenn ich Inhaberin einer eigenen Buchhandlung wäre?“ Eine Chefin in High Heels und mit Haaren auf den Zähnen? Sicher nicht. Den Ausschlag gab ein neuerlicher Besuch in Werther, dieses Mal ganz offiziell als potenzielle neue Eigentümerin: &bdquo;Ich bin hier so unglaublich freundlich empfangen worden, das war großartig.“ Denn die Literaturliebhaberin weiß auch: &bdquo;Das alles kann nur im Team gelingen.“ Trotzdem macht sie sich viele Gedanken über ihre Zukunft als Geschäftsinhaberin: &bdquo;Bin ich überhaupt der Typ dafür? Bin ich als Chefin geeignet?“ Sie selbst habe in ihrem bisherigen Berufsleben nur Chefinnen in High Heels und mit Haaren auf den Zähnen erlebt. &bdquo;Und so bin ich definitiv nicht!“ Auch die Frage nach ihrer literarischen Qualifizierung treibt Verena Prohl um. Kann sie Kundinnen und Kunden überhaupt Büchertipps geben? &bdquo;Ich habe viel englische und spanische Literatur gelesen. Und ich bin eine Liebhaberin von Klassikern. Müsste ich einen Lieblingsautor nennen, wäre das Hermann Hesse. Über ihn bin ich zu Schulzeiten überhaupt zur Literatur gekommen. Aber zeitgenössische deutsche Literatur? Da kenne ich mich wenig aus. Und das ist gerade ein ganz großes Ding in meinem Kopf“, gibt sie ehrlich zu. Alle Mitarbeiterinnen werden übernommen Auch weil sie weiß, dass sie nicht die Zeit haben wird, dies alles nachzuholen. &bdquo;Ich habe zwei Kinder, ein Haus mit Garten, und ich koche gern. Aber ich glaube an das gebundene Buch, ich höre im Auto Hörbücher und habe viele Ideen für das Lesezeichen. Doch reicht das?“ Am Ende hat sie sich gesagt: Doch, das reicht. Denn es gibt ja auch noch die drei Mitarbeiterinnen Bettina Gehle, Meike Ringwald und Nadine Bihlmayer, die auch weiterhin zum Team des Lesezeichens gehören werden. Und natürlich Ellen Elbracht. Allerdings nur noch bis zum 20. März. Dann geht die Mitarbeiterin, die seit mehr als 27 Jahren im Lesezeichen dabei ist, in den Ruhestand. Bis dahin nimmt sie sich die Zeit, Verena Prohl einzuarbeiten. &bdquo;Es ist manchmal fast ein bisschen peinlich, wie viele Fragen ich habe“, erzählt die Buchladen-Besitzerin in spe. Nicht mehr nur ein Job, sondern eine Perspektive Doch ihre Vorfreude auf den Neustart im Mai ist riesig. So soll das Lesezeichen nach einer kurzen Umbauphase ein neues Gewand bekommen, es soll wieder Lesungen in Kooperation mit der Stadtbibliothek geben, und auch sonst sprüht Verena Prohl nur so von Ideen: &bdquo;Ich habe jetzt nicht mehr irgendeinen Job, sondern eine wirkliche Perspektive für die Zukunft.“

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