
Werther. Auf den ersten Blick wirkt der Inhalt der Flasche ganz normal, klares Wasser eben. Beim Schütteln die Erkenntnis: alles andere als klares Wasser. Mengen brauner Sedimente steigen vom Boden auf und schweben in der Flüssigkeit, winzig kleine wie deutlich größere, der Flascheninhalt eine trübe Brühe. „Was ist das?", will eine Familie aus Werther wissen. An einem Sonntag im September hat sie die Probe genommen, doch es gibt viele weitere Tage, an denen verschmutzt gelb-braunes Wasser aus ihrer Leitung kommt, schon seit Jahren. Städtisches Wasser, für das sie Geld bezahlt. Auf mehrere Schreiben an die Stadt, persönliche Gespräche und die Bitte, die Missstände zu beheben, habe sie keine befriedigende Antwort erhalten. Jetzt hat sie das Wasser auf eigene Kosten beproben lassen. Das Ergebnis sei „alarmierend".
Das sagen die Bürger
Nach unserem Bericht über die braune Brühe standen die Telefone beim HK nicht still. Bürger aus dem gesamten Stadtgebiet meldeten sich und schilderten ähnliche Vorfälle: Ob an Ost-, Walter- oder Schloßstraße, an Käppken-, Ziegel- oder Borgholzhausener Straße, an der Kök, nahe des Freibads, an Hohl- oder Sonnenweg – bei allen kommt seit Jahren immer wieder braunes, gelbes oder weißliches Wasser aus dem Wasserhahn.
„Das ist eklig", finden die betroffenen Bürger. Trinken kommt für sie nicht in Frage, auch längeres Laufenlassen helfe oft nicht, das Wasser bleibe trüb. Einige kochen es ab, andere lagern für Notfälle Sprudel im Keller. Wenn es ganz schlimm wird, waschen sie sich die Haare lieber mit Sprudel als mit Leitungswasser, fahren zum Duschen ins Haller Lindenbad oder zu den Eltern.

„Manche meiner Bekannten halten mich für bekloppt, wenn ich das erzähle", schildert eine Bürgerin. Sie wohnt im Neubaugebiet Am Hohlweg, „die eigenen Leitungen sind neu, sie können es also nicht sein". Nur: Was ist es dann?
Viele führen ein Schadenstagebuch, um nachzuhalten, wann sich die Vorfälle ereignet haben. Eine Systematik lasse sich daraus aber nicht ablesen, mal passiere es am Wochenende, mal wochentags, mal mittags, mal zu anderen Zeiten. Alle haben das Problem seit Jahren und beklagen, dass bei jedem Anruf beim Wasserwerk die Stadt so tue, als ob dies ein ganz neues Phänomen wäre. „Sie verharmlost die Vorfälle und verkauft uns für dumm", ärgert sich einer der Betroffenen. Niemand gebe ihnen das Gefühl, es würde sich wirklich gekümmert. „Entweder, die wissen nicht, was das grundsätzliche Problem ist, oder sie wollen es uns nicht sagen." Gründe für die Eintrübungen würden verschiedene genannt, erzählen die Bürger, manchmal für sie durchaus nachvollziehbar, manchmal auch nicht. „So viele Rohrbrüche kann es in Werther gar nicht geben", sagt ein Mann.

Besagte Rohrbrüche werden häufig als Erklärung genannt, schildern die Betroffenen, außerdem Bauarbeiten, Anschlussarbeiten an das Leitungsnetz oder Feuerwehrübungen und Großveranstaltungen, bei denen das System erheblich beansprucht wird. Dann könnten sich Verkrustungen im Inneren der Leitungen lösen. Es sei auch schon mal ein Landwirt als Schuldiger genannt worden.
Rohrbrüche und Feuerwehreinsätze? „Völliger Schwachsinn!", beschwert sich ein Mann. „Die haben ihr Netz verkommen lassen." Einen „unerträglichen Zustand" nennen weitere Bürger die Situation. Trinkwasser sei ein Lebensmittel und die Stadt als Versorger verpflichtet, es in Lebensmittelqualität zu liefern.
Eine Familie beschuldigt die Stadt sogar, „auf Kosten der Bevölkerung zu lügen". Sie hätte seit fast zehn Jahren das Problem, acht- bis neunmal im Jahr, manchmal mehr. „Wir hören immer das Gleiche", fragt sie sich inzwischen, ob das alles seine Richtigkeit hat. „Wir wissen nicht, was wir noch glauben sollen." Sie will sich nun rechtlichen Beistand nehmen.
Alle gemeinsam fragen sich, wie es weitergeht und was die Stadt unternehmen will. Niemand ist bereit, bei der aktuellen Problemlage 42 Prozent mehr für das Trinkwasser zu zahlen, wie von der Stadt für nächstes Jahr angekündigt.
Das sagt die Stadt
Rainer Demoliner, Betriebsleiter des Wasserwerks, betont, die Stadt beprobe ihr Wasser mehrmals im Jahr nach Vorgaben des Gesundheitsamts, die Ergebnisse seien immer in Ordnung gewesen. Sämtliche Parameter ließen sich auf der Homepage der Stadt öffentlich einsehen.
„Wir haben nichts zu verheimlichen", betont er. Die Gründe für die Verfärbungen habe er genannt, „eine Gesundheitsgefahr geht davon nicht aus". Das Leitungsnetz sei ein geschlossenes System, in das keine Schadstoffe von außen eindringen könnten.
Er verstehe die Sorgen der Bürger und bitte sie, bei solchen Fällen immer das Wasserwerk zu verständigen, damit die Fachleute auf Ursachenforschung gehen könnten. „Nebulöse Aussagen wie ’alle zwei Monate’ helfen nicht weiter." Das Trinkwassernetz der Stadt sei 90 Kilometer lang, 20 davon seien alte Leitungen. Sie würden nach und nach ausgetauscht. „Wir haben unser Netz nicht verkommen lassen", wehrt er sich gegen Pauschalurteile.
Grenzwerte bei Eisen, Mangan und Sulfat überschritten
Mehrere Bürger geben gegenüber dem HK an, dass sie eine Beprobung des braunen Wassers auf eigene Kosten ins Auge fassen, eine Familie an der Schloßstraße hat dies bereits getan: Im September hat sie die Brühe von einem Gütersloher Labor untersuchen lassen. Sie hat neutrale Flaschen von dort abgeholt und befüllt – vom Anschluss im Keller, damit das Wasser nicht durch die Hausleitungen musste und das Ergebnis verfälschen konnte.
Resultat: Die Parameter Eisen, Mangan und Sulfat würden die Grenzwerte der Trinkwasserverordnung teilweise um ein Vielfaches überschreiten. Die Manganwerte seien über ein Dreifaches erhöht. Eisen und Mangan seien aus technischen Gründen unerwünscht, da sie zu Inkrustierungen in Leitungen und Boilern sowie zur Verfärbung der Wäsche führen könnten. Von der Verwendung manganhaltigen Wassers, insbesondere zur Zubereitung von Säuglingsnahrung, rät das Labor „aus gesundheitlichen Gründen" ab.
„Wir sind nicht mehr bereit, die Situation zu tolerieren", sagt die Familie und hat die Unterlagen an die Stadt weitergereicht. Sie behält sich Schadenersatzansprüche vor. „Wir werde die Problematik konsequent verfolgen, denn hier geht um eine gesundheitliche Gefährdung", schreibt sie.
In der Antwort der Bürgermeisterin heißt es, dass die gemessenen Laborwerte wohl im Zusammenhang mit der Störung Anfang September – größere Wasserentnahmen im Rahmen des Sonnenblumenfestes – zusammenhingen. Das Wasser der Stadt werde regelmäßig untersucht und habe im Bereich der Eisen- und Manganwerte keine Auffälligkeiten gezeigt. Sie schlägt vor, im Normalbetrieb eine Probe zu ziehen, um sicherzugehen, dass die Werte eingehalten werden. Die Familie spricht daraufhin von „Hinhaltetaktiken seitens der Stadt".