63-jähriger Versmolder will Lokführer werden: Traum droht zu platzen

Versmold. Klaus Flottmann ist auf den ersten Blick nicht der Typ, der sich schnell die Laune verderben lässt. Der Mann ist Musiker mit Leib und Seele und das über Genre-Grenzen hinweg. Einst schwang er den Taktstock beim Musikzug Oesterweg, noch heute rockt er mit seiner Band &bdquo;Chateau Collage“. Und so empfängt er denn auch recht fröhlich und gelassen auf seinem Hof im Grünen, schiebt die rote Lesebrille in das immer noch lange Haupthaar – und erzählt auf der zum Wohnbereich umgebauten Deele, warum die jüngste Episode in seinem Leben ihm nun doch ein wenig aufs Gemüt schlägt. &bdquo;Ich habe insgesamt 28 Jahre bei Arvato gearbeitet – erst in Versmold, später in Herzebrock und zuletzt in Gütersloh“, erzählt der 63-Jährige. Der gelernte Heizungsbauer hatte in den 1980er Jahren auch studiert. &bdquo;Ich wollte schon damals Ingenieur werden – aber das habe ich abgebrochen, als ich Familie bekam.“ Doch irgendwie wurmte es Flottmann, dass er seine akademische Ausbildung nie abgeschlossen hatte. &bdquo;Nach meiner Versetzung nach Herzebrock habe ich das Studium wieder aufgenommen und halbtags gearbeitet.“ An der Fachhochschule Münster-Steinfurt studiert er Ingenieurwesen für Technik und Gebäudeausrüstung. Und erwirbt 2016 den Bachelor. &bdquo;Ich war an der Uni akzeptiert, es war toll, als über 50-Jähriger zu studieren“, erinnert sich Flottmann heute. Versmolder hat früh und spät studiert – und viel Musik gemacht &bdquo;Ich habe viel studiert, viel Musik gemacht – was aber auch bedeutet, dass ich arbeiten muss, bis ich 66,5 Jahre alt bin“, erzählt der Versmolder. Darum ist der Wechsel zu Arvato in Gütersloh 2017 ein Rückschlag. &bdquo;Da hat es am Ende einfach nicht gepasst zwischen dem Arbeitgeber und mir. Wir haben uns getrennt – und ich musste mir Anfang 2024 neue Perspektiven suchen.“ Doch er kassiert viele Absagen. &bdquo;Da haben das Alter und der Umstand, dass ich noch nicht so lange Ingenieur war, sicher eine Rolle gespielt“, mutmaßt Flottmann heute. &bdquo;Mein ehemaliger Professor aus Münster etwa war ganz ehrlich und hat mir erklärt, dass sie auf einer freien Stelle jemanden für die nächsten 20 Jahre suchen.“ Der Versmolder sieht bald ein, dass er neue Wege gehen muss. &bdquo;Die Agentur für Arbeit hat mir früh signalisiert, dass es schwer werden würde.“ Klaus Flottmann wird schließlich selbst fündig – bei der &bdquo;LokLöwen-Akademie“ in Hamburg, die Lokführer ausbildet. &bdquo;Ich habe sofort Kontakt aufgenommen und das mit der Arbeitsagentur geklärt – die Ausbildung wurde über einen Bildungsgutschein finanziert.“ Versmolder büffelt in Hamburg an der Lokführer-Akademie Ein spannender zweiter – oder fast dritter – Bildungsweg beginnt für Klaus Flottmann. Er büffelt an der Akademie in Hamburg-Hammerbrook ab Juni 2024 Theorie – muss dafür in den ersten drei Monaten Präsenzphase auch sein Leben umstrukturieren. &bdquo;Wir haben meinen Vater bei uns zu Hause gepflegt – meine Lebensgefährtin und ich mussten viel improvisieren.“ Ein Jahr soll die Ausbildung dauern, &bdquo;danach versprechen die LokLöwen noch ein halbes Jahr Beschäftigung“, berichtet Klaus Flottmann. Er hängt sich auch im Online-Unterricht rein, büffelt die kompletten Regeln des Schienenverkehrs: von Signalen über Rangierbetrieb bis zur Wagenprüfung. Das bestätigen auf HK-Anfrage auch die LokLöwen: &bdquo;Wir haben Herrn Flottmann als zuverlässigen, fleißigen und sehr strukturierten Menschen kennengelernt.“ Lesen Sie auch: Versmolder Unternehmen geht bei Pflege und Beruf mit gutem Beispiel voran Bei der Abschlussprüfung in diesem Februar &bdquo;habe ich mir wirklich Mühe gegeben“, berichtet Flottmann. 35 Teilnehmende sind in seinem Kurs – &bdquo;dabei sind einige durchgefallen“. Nun hat er einen Führerschein. &bdquo;Der ist zwar zehn Jahre gültig – aber eigentlich kann ich ihn mir nur an die Wand hängen.“ 40 Schichten Praktikum auf der Schiene – erst dann ist man Lokführer Denn: &bdquo;Ohne 40 praktische Schichten bin ich kein vollwertiger Triebfahrzeugführer“, erklärt der 63-Jährige. Die LokLöwen hätten ihm zugesichert, eine Stelle näher zum Wohnort zu finden. &bdquo;Das habe ich im November 2024 schon klar angesprochen.“ Doch stattdessen bekommt Flottmann 40 Fahrten in Schleswig-Holstein offeriert – für ihn damals aufgrund der Pflegesituation nicht machbar. &bdquo;Ich habe die LokLöwen noch mal darauf aufmerksam gemacht und unter anderem darauf verwiesen, dass das Unternehmen Captrain in Dortmund Leute sucht.“ Zunächst sah es so aus, als ob Flottmann eine Stelle kriegen könne. Dann kam die Absage: &bdquo;Die Fahrten nach Dortmund und damit meine Arbeitstage seien zu lang, hieß es“, berichtet der Versmolder. &bdquo;Die wollten mich nicht.“ Neue Perspektiven: Handwerkstradition in Werther endet – trotz allem ist der Chef guter Dinge Die LokLöwen betonen, in der Branche gut vernetzt zu sein. &bdquo;Unsere Kooperationen erstrecken sich auf über 15 direkte Partner – sowohl im Güter-, Personen- als auch im Bauverkehr über das gesamte Bundesgebiet verteilt.“ Man berücksichtige auf Wunsch einen wohnortnahen Einsatz. &bdquo;Wir betonen aber ausdrücklich, dass insbesondere für Teilnehmende der Weiterbildung der Fokus auf das Maßnahmeziel gelegt sein muss. Gerade auch deshalb, weil mehr als 90 Prozent unserer Teilnehmenden von Kostenträgern wie der Bundesagentur, dem JobCenter oder den Berufsgenossenschaften und Rentenkassen gefördert werden.“ Versmolder erhält zahlreiche Absagen von Schienenunternehmen Man habe auch bei Klaus Flottmann alles versucht – dass der Versmolder täglich zu Hause sein wollte, habe letztlich allerdings ein zu großes Hindernis dargestellt. &bdquo;Auch die Fahrzeiten zu den jeweiligen möglichen Einsatzorten wurden hierbei berücksichtigt.“ In der Quintessenz sei kein Unternehmen bereit gewesen, seinen Wünschen zu entsprechen. &bdquo;Dies hat Herr Flottmann dann als Zeichen gesehen und von seiner Seite aus die Weiterbildungsmaßnahme abgebrochen“, heißt es aus Hamburg. Der Versmolder selbst berichtet nur davon, dass ihm die LokLöwen irgendwann mitgeteilt hätten, ihn jetzt auch von der Schule abmelden zu müssen. Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an Ein Beitrag geteilt von LokLöwen Akademie GmbH (@lokloewen_akademie) Flottmann bewirbt sich auch selbst – unter anderem bei der Westfalenbahn. Und kassiert eine Absage. &bdquo;Bitte sehen Sie diese Entscheidung nicht als persönliche Wertung“, heißt es darin. Das Nein der Eurobahn trifft den Versmolder einige Tage später: &bdquo;Hintergrund ist, dass wir derzeit kein Fahrpraktikum anbieten“, schreibt das Unternehmen. &bdquo;Bitte lassen Sie sich hiervon nicht entmutigen.“ Ist das Alter des Versmolders der Grund für die Absagen? Was aufmunternd klingen soll, mutet für den Versmolder eher wie Hohn an. Und auch die Option bei Captrain Gütersloh zerschlägt sich am 27. März. &bdquo;Ich brauche aber bis zum 7. August die 40 Schichten – sonst verfällt die komplette Ausbildung“, berichtet der 63-Jährige. Was Klaus Flottmann besonders wurmt: &bdquo;Letztlich wurde mir aus der Arbeitslosenversicherung eine Ausbildung bezahlt – und die soll jetzt nichts wert sein?“ Die Agentur für Arbeit Bielefeld äußert auf HK-Anfrage Verständnis: &bdquo;Eine nicht abgeschlossene Ausbildung sorgt natürlich für Frust – und das auf beiden Seiten: beim Kunden und auch bei uns. Wir wurden leider erst nach dem Abbruch der Weiterbildung informiert, sodass wir keine Möglichkeit mehr hatten, zu vermitteln“, schreibt Sprecherin Berit Peek. Man versuche weiterhin, einen Praktikumsplatz für Klaus Flottmann zu finden. Parallel sei auch eine Rückkehr in den erlernten Beruf eine Option: &bdquo;Erste Bewerbungen sind hier bereits erfolgt.“ Mehr zum Thema: Weniger Rente, mehr Freizeit: Junge Krankenschwester aus OWL macht es vor Der Versmolder bewirbt sich jetzt weiter auf die Angebote, die ihm die Arbeitsagentur schickt – bisher kamen viele Absagen. &bdquo;Unterm Strich muss man sagen: Alter ist hier absolut ein Thema. Potenzielle Arbeitgeber scheuen sich mit Blick auf mögliche Ausfälle wegen Krankheit oder körperlichen Beeinträchtigungen.“ Bahnunternehmen leiden unter Fachkräftemangel Die LokLöwen berichten, dass das Alter bei den Absagen für den Versmolder aus ihrer Sicht keine Rolle gespielt habe: &bdquo;Der Fachkräftemangel in der Eisenbahnwelt ist derart hoch, dass Unternehmen es sich schlicht nicht leisten können, dies als Ausschlusskriterium zu sehen.“ Klaus Flottmann jedenfalls will sich auch von diesem Rückschlag nicht runterziehen lassen – für ihn ist seine berufliche Laufbahn noch nicht vorbei. Aber wohl um eine Enttäuschung reicher. Aktuelle News bekommen Sie täglich über den WhatsApp-Kanal des HK

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