Heimatgeschichte

Zu diesem traditionsreichen Versmolder Wahrzeichen gibt es viele Legenden

Die Bitt- und Brandglocke in Oesterweg hat eine mehr als 500 Jahre lange Tradition. Nach wie vor kümmern sich die Familien der Glockenbauern um die Pflege. Nun strahlt sie in neuem Glanz.

Die Glocke präsentiert sich ebenso wie der Glockenturm nach der Restaurierung. Zur kleinen Feierlichkeit treffen sich die Familien der Glockenbauern und Gäste. | © Rita Sprick

01.03.2025 | 01.03.2025, 12:14

Versmold-Oesterweg. Der Ortsteil Oesterweg hat eine Besonderheit zu bieten. Sie fällt nicht sonderlich ins Auge, weil sie verborgen in einer ruhigen Seitenstraße steht. Aber in den Heimatbüchern örtlicher Historiker wird über die Geschichte der Bitt- und Brandglocke sowie die Entstehung des Glockenturms ausführlich berichtet. Zudem verfassten Bürger wie Werner Bettmann und seine Tochter Regina Wagemann die mehr als 70-seitige Chronik „Eine Glockengeschichte“ anlässlich des 500-jährigen Jubiläums des Wahrzeichens im Jahr 2019.

Sie gibt Aufschluss über die bemerkenswerte Geschichte der Glocke samt Turm und sie beschreibt mehrere Restaurierungen des Denkmals. Die aktuelle Instandhaltungsmaßnahme fand in den vergangenen Wochen statt. Nun erstrahlt das Kulturgut wieder in neuem Glanz. Das Aufhängen der Glocke übernahmen Glockenbauer, die mit ihren Familien und heimatverbundenen Dorfbewohnern auch Pfarrerin Susanne Absolon zu einer kleinen Feierstunde samt Segensworten eingeladen hatten.

Heimatfreunde und 13 Glockenbauer-Familien kümmern sich seit Generationen um den Erhalt des Oesterweger Wahrzeichens. „Wir sind eine lebendige Gemeinschaft, die sich engagiert, aber wir sind kein Verein“, klärt der Sprecher der Initiative, Thomas Kleinebecker, auf. Zur Feier des Tages schmückten sie den Tisch am Rastplatz neben dem Glockenturm mit einem weißen Tischtuch. Darauf präsentierten sie die 55 Kilogramm schwere und 50 Zentimeter hohe Glocke aus Bronze. „So können alle die Inschrift am oberen Rand lesen“, weist Glockenbauer Frank Holtkamp auf die Analen „Anno domini MCCCCCXIX St. Anna Antonigi Georgi ora pro nobis“ hin.

Glocke soll verschwundenen Kindern den Weg gezeigt haben

Noch ist das Oesterweger Wahrzeichen umgeben von einem Gerüst. Nach der Restaurierung des Glockenturmes und der Bitt-und Brandglocke wird es wieder abgebaut. - © Rita Sprick
Noch ist das Oesterweger Wahrzeichen umgeben von einem Gerüst. Nach der Restaurierung des Glockenturmes und der Bitt-und Brandglocke wird es wieder abgebaut. (© Rita Sprick)

Über den Zweck der Glocke gehen die Mitteilungen auseinander. Im Dorf hält sich die Sage, dass sie aufgrund eines Gelübdes gestiftet wurde. Angeblich soll das Läuten Verirrten den Weg nach Hause weisen. Sie könnte auch Landwirten als Glocke der Fürbitte wichtig gewesen sein, um das Böse von den Tieren fernzuhalten oder die Getreidefelder vor dem sogenannten „Antonisfeuer“, dem gefürchteten und giftigen Mutterkorn, zu schützen. Eine andere Überlieferung dokumentiert, dass die Glocke verschwundenen Kindern den Weg nach Hause gewiesen hat. Regina Wagemann kann sich noch gut erinnern, dass zu ihrer Hochzeit die Glocke geläutet wurde. Inzwischen wurde das Ehepaar Wagemann in die Runde der Glockenbauern aufgenommen.

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In Schriften der Heimatforscher Wilhelm Vinke und Dr. Wilhelm Warning gibt es weitere Beiträge. Eine der ältesten geschriebenen Aufzeichnungen stammt wohl von Hermann Kämper, dessen Vater als Dorflehrer in Oesterweg fungierte. Es sind Kindheitserinnerungen aus der Zeit von 1854 bis 1870, die unter dem Titel „Jugendjahre in Westfalen“ verfasst wurden. Darin ist festgehalten, dass zu jener Zeit die Glocke morgens um 7, mittags um 12 und abends um 19 Uhr zu hören war, um den Feldarbeitern die Uhrzeit mitzuteilen.

Zudem sei sie bei Beerdigungen und bei Feuerausbrüchen geläutet worden. Ursprünglich hing die Glocke wohl an einem stabilen Eichenmast. Erst später wurde ein Turm aus massivem Holz mit Gefachen aus Metall gebaut. Seine Standfestigkeit wird regelmäßig von den Glockenbauern geprüft und wenn nötig repariert, so wie in den vergangenen Wochen.

Als das Ende der Oesterweger Glocke drohte

Das Baugerüst am Turm steht noch, aber die Glocke konnte ausgestattet mit einem neuen Klöppel aus Leder bereits von kräftigen Glockenbauern unter den Blicken vieler Schaulustiger nach oben getragen und dort befestigt werden. Einige in der Runde erinnerten sich noch an Erzählungen ihrer Vorfahren. Eine geht auf die Zeit des Ersten Weltkriegs zurück. Damals drohte der Glocke, zu Kanonenkugeln eingeschmolzen zu werden. Angeblich war das Wahrzeichen schon zum Versmolder Bahnhof verfrachtet worden. „Dort stellte sich heraus, dass sie ungeeignet war, weil zu leicht“, berichtet Glockenbauer Kleinebecker.

Das Glockengewicht spielt dagegen für ein Ehepaar, das demnächst Goldhochzeit feiert, keine Rolle. Es hat den Wunsch, dass anlässlich der Feier unter freiem Himmel die Glocke im frisch restaurierten Wahrzeichen am Glockenweg geläutet wird.

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