Versmolder Schule schafft die klassischen Hausaufgaben ab

Versmold. Durch die Sanduhr rieseln blaue Körner. 15 Minuten lang. Die Uhr soll den Kindern zeitliche Orientierung geben. Ist der Sand einmal durch, können Stift und Zettel zur Seite gelegt werden, und eine kurze Bewegungspause steht an. Einmal den Kopf freibekommen, bevor es wieder ans konzentrierte Arbeiten geht. Was auffällt: Es ist sehr ruhig im Klassenraum der 3a. Kein Gemurmel, kein Stühlewippen, kein Geraschel. &bdquo;Wir flüstern hier“, sagt Lehrerin Corinna Golbeck und mahnt die Gäste beim Gespräch zum leiseren Sprechen. Das HK darf an diesem Vormittag dabei sein und sich ein Bild von den neuen &bdquo;Lernzeiten“ an der Sonnenschule machen. Klassische Hausaufgaben waren an der Wersestraße gestern - zumindest in einem Großteil der Klassen. Stattdessen gibt es zusätzliche Stunden im Vormittagsbereich. &bdquo;Wir haben sie bewusst nicht hinten drangehängt“, sagt Eva Strieckmann, die zusammen mit Andrea Kaumkötter Versmolds größte Grundschule leitet. Die &bdquo;Lernzeiten“ sind das Ergebnis eines längeren Prozesses und werden nach einer Pilotphase nun schrittweise verbindlich eingeführt. Vor einiger Zeit installierte die Sonnenschule eine Arbeitsgruppe zum Thema Hausaufgaben - mit dem Ziel, die Situation für alle Beteiligten zu optimieren. &bdquo;Was sind sinnvolle Hausaufgaben, wie haben die Kinder wirklich zusätzliche Übung?“, nennt Andrea Kaumkötter eine wichtige Fragestellung. Immer wieder stellten Lehrkräfte zuvor fest, dass Kinder manche Aufgaben nicht alleine bewältigen und dass nicht alle Familien zu Hause dabei unterstützen konnten. Zudem gab es Rückmeldungen aus der OGS, dass bei der Gruppengröße die Hausaufgabenbetreuung schwierig sei. Ganz generell weiß die Schulleiterin: &bdquo;Hausaufgaben sind oft Quell für häuslichen Stress.“ Hausaufgaben gibt es jetzt als Wochenplan Viele Gründe also, die aus Sicht des Kollegiums und der Schulgemeinschaft dafür sprachen, sich nach neuen Formaten umzuschauen. Im ersten Schritt hat die Sonnenschule - begleitet durch Schulentwicklungsberater - auf einen Wochenplan umgestellt, &bdquo;ein Instrument, das es den Kindern ermöglicht, ihre Hausaufgaben selbstständig und selbstwirksam anzufertigen“. Auf diese Weise gibt es nicht mehr einzelne Tage, an denen der Nachwuchs vor einem Berg an Aufgaben steht, während am nächsten Tag das Hausaufgabenheft vielleicht leer ist, sondern jeder und jede kann sich selbst einteilen, in welche Reihenfolge er oder sie alles abarbeitet. Für die beiden ersten Jahrgänge gilt das für die Fächer Deutsch und Mathe, im dritten und vierten Jahrgang kommen auch mal Sachunterricht und Englisch dazu. &bdquo;Die Klassenleitung hat die Fäden in der Hand und koordiniert es mit den Fachlehrerinnen“, erklärt Andrea Kaumkötter. Den Hausaufgaben-Wochenplaner gibt es für alle Jahrgänge und Schüler, teilweise auch mit differenzierten Aufgaben nach Leistungsstand, was an unterschiedlichen Symbolen und Farben zu erkennen ist. Im Klassenraum der 3a zeigt Andrea Kaumkütter, wie ein solcher Wochenplan aussieht. In der grauen Mappe hat jedes Kind einen ausgedruckten Zettel abgeheftet, auf dem verschiedene Aufgaben stehen: Neben zum Beispiel Rechtschreibtrainer und Mathe-Buch finden sich dort Arbeitsblätter, Lernspiele oder OR-Codes, über die digital Aufgaben mit dem iPad abzurufen sind. Der Blick entlang der Arbeitstische der Klasse zeigt, dass jeder individuell und in seinem Tempo arbeitet. Lehrerin Corinna Golbeck sieht einen großen Vorteil in der neuen Praxis. &bdquo;Jetzt sehe ich den Entstehungsprozess“, sagt sie. Und dadurch kann sie gut feststellen, welches Kind die Aufgaben wirklich eigenständig erledigen kann und welches vielleicht noch Unterstützung benötigt. Neben der Klassenleitung ist eine OGS-Kraft betreuend mit dabei - für die Kinder des Ganztags eine wichtige Bezugsperson. Anders als bisher haben sie am Nachmittag nun Zeit für AGs und andere Aktivitäten. Versmolder Familien freuen sich über weniger Hausaufgaben-Stress Die Klase 3a ist eine von drei Testklassen, bei der die &bdquo;Lernzeiten“ im vergangenen Schuljahr gelaufen sind. Auf freiwilliger Basis, einige Familien haben sich gegen die zusätzlichen Stunden im Vormittagsbereich entschieden, dort wurden die Aufgaben weiterhin nach Schulschluss zu Hause bearbeitet. &bdquo;Es handelt sich um Einzelfälle, die sich aus verschiedenen Gründen nicht mit der Lernzeit anfreunden konnten“, resümiert die Schulleitung. Eine Befragung aller Beteiligten zeigte insgesamt, dass die Pilotphase &bdquo;ein großer Erfolg“ war. Die Schulkonferenz hat deshalb vor der Sommerpause beschlossen, dass mit dem Schuljahr 2025/26 Lernzeiten als schulisches Konzept aufbauend verbindlich eingeführt werden. Familien der künftigen Erstklässler haben keine Wahlmöglichkeit mehr. Für alle jetzigen Sonnenschüler gelten im Übergang unterschiedliche Regeln. Im zweiten Jahrgang wird der Wochenplan zu Hause erledigt, die übrigen Klassen haben drei bis vier Lernzeit-Stunden im Stundenplan verankert (einige wenige Kinder nehmen nicht daran teil). Dass es noch vereinzelt Vorbehalte gibt, können Andrea Kaumkötter und Eva Strieckmann verstehen. &bdquo;Eltern kennen die klassischen Hausaufgaben.“ Die Sorge mancher Familien, dass sie mit dem neuen System nicht mehr am Lernen ihrer Kinder teilhaben können, möchten die Schulleiterinnen nehmen. Zum einen bekommen die Eltern täglich über das Logbuch eine Rückmeldung zum Arbeitsverhalten ihres Kindes. Zum anderen gibt es einige Aufgaben, die weiterhin zu Hause anstehen: Lesen und Kopfrechnen zum Beispiel. Was die meisten Familien nach der Testphase positiv sehen: Nach der Schule gibt es kaum mehr Hausaufgaben-Stress.

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