Steigende Preise: Letzte Versmolder Traditionsbäckerei kämpft ums Überleben

Versmold-Hesselteich. Jörg Sickendiek ist sauer. "An uns wurde überhaupt nicht gedacht. Wir nutzen hier Öl", sagt der Bäckermeister, der in Hesselteich die letzte Backstube der Stadt betreibt. Und anders als für Strom und Gas gibt es dafür bisher noch keine Entlastungspakete oder Preisdeckel - obwohl auch hier die Preisschraube stark angezogen hat. "Lange halten wir das nicht durch", da ist sich Sickendieck sicher. Und nicht nur die hohen Energiekosten setzten der Traditionsbäckerei zu. Ist das Sonntagsfrühstück mit Brötchen und Croissants für die Versmolder gefährdet? Natürlich, das weiß auch der Bäckermeister, sei der Ölpreis nicht in dem Maße angestiegen, wie bei den anderen Energieträgern. "Aber wenn ich das eins zu eins an die Kunden weitergebe, haben wir ein Problem", sagt er. Bisher kostet ein Brötchen bei ihm noch 40 Cent. Seine Mitbewerber nehmen bereits 43 Cent, und in Zukunft werde auch die 50-Cent-Marke geknackt werden, so Sickendiek. "Wir können die hohen Kosten nicht auf Dauer selbst schultern." Noch könne er alles ganz gut händeln, auch weil er keine Miete für seine Bäckerei zahlen müsse, sondern Eigentümer sei. Das entlaste enorm. Trotzdem müsse etwas passieren. Denn natürlich nutze er auch Strom und hier seien die Preisauswirkungen noch längst nicht ersichtlich. Nur eins stehe fest: "Teurer wird es auf jeden Fall", sagt Sickendiek. Brötchen sind Luxusartikel - man muss sie sich leisten können Das Problem: Obwohl er seine Preise noch nicht stark nach oben angepasst habe, bemerke er bereits jetzt eine deutliche Kaufzurückhaltung seiner Kunden. "Allein mein Brötchenumsatz ist um rund 15 Prozent eingebrochen. Und die Zahl wird in den nächsten Monaten wohl noch steigen", sagt Sickendiek. Schließlich würden die Menschen noch mehr sparen - gerade in den kalten und heiz-intensiven Wintermonaten. "Es geistert ein Schreckensszenario umher", sagt der Bäcker. Dass er die letzte inhabergeführte Bäckerei in der Stadt betreibt, sei zwar gut fürs Karma, ein Selbstläufer sei es aber keineswegs. "Ich muss um meine Kunden kämpfen." Sein Ausbilder habe immer gesagt: "Brötchen sind Luxusartikel". Sie seien viel teuer in der Herstellung als etwa ein herkömmliches Brot. "Früher mussten Brötchen acht Minuten gebacken werden, heute sind es 14 Minuten", erklärt Sickendiek. "Das liegt daran, dass die Bauern nicht mehr düngen dürfen und dadurch der Proteinwert im Getreide sinkt. Ergebnis: Der Energieverbrauch steigt." 12.000 Liter Öl verbraucht seine Backstube jährlich - und das sei noch wenig. Er kaufe nur noch kleinere Mengen, um von möglichen Preissenkungen zu profitieren. Die blieben aber bisher aus. Zahlte er für 3.000 Liter vor ein paar Monaten noch etwas weniger als 2.000 Euro, sind es heute knapp 4.500 Euro. Mehr als doppelt so viel wie vor dem Krieg. "Das geht gar nicht", sagt der Bäckermeister. "So viele Rücklagen kann man gar nicht anhäufen, um diese hohen Kosten zu tragen." Dorfladen schließt: Wichtige Einnahmequelle fehlt plötzlich Also muss gespart werden: Der Ofen sei immer nur dann an, wenn er auch wirklich gebraucht werde. Aber gerade nach dem Wochenende brauche es knapp eine Stunde, bis er vorgeheizt ist. "Alles, was wir hier machen, ist energieintensiv", sagt Sickendiek. Daran könne er nichts ändern. Seitdem zudem der Oesterweger Dorfladen Margenau im April 2022 dicht gemacht hat, fehlt dem Bäckermeister ein wichtiger Kunde sowie eine wichtige und regelmäßige Einnahmequelle. Über Jahre hat er die Betreiberinnen mit seinen Backwaren beliefert. "Es wurde zwar immer weniger, aber man merkt es jetzt trotzdem", so sein Fazit. "Das kann man nicht alles auffangen." Lesen Sie auch: Mit dieser Schließung stirbt ein Stück Dorfgeschichte Ans Dichtmachen denkt Jörg Sickendiek aber noch längst nicht. Auch weil er noch einen Bäckermeister und zwei fest Verkäuferinnen beschäftigt. Volker Herzberg, der Sickendiek in der Backstube unterstützt, weiß, wie es ist, seinen Laden schließen zu müssen. Er hatte selbst über Jahre eine Familienbäckerei. Doch nach und nach mussten sich immer mehr Mitglieder zurückziehen. "Nur mit Personal kannst du das nicht stemmen. Das ist einfach viel zu teuer", sagt Herzberg. Also musste er schließen. Existenz gefährdet: "Es muss was passieren" Sickendiek hofft derweil auf den Preisdeckel auch für Öl. "Wir können nicht einfach so auf Gas oder Strom wechseln. Dann müssten wir gleich noch einen neuen Ofen kaufen", sagt er. In der Wahl der Energieträger sei man nicht immer frei - gerade auf dem Land. Und das könnte ihm am Ende seine Existenz kosten. "Es muss was passieren!"

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