Und wieder alles abgesagt: Schaustellern vergeht langsam das Lachen

Versmold. Das Kinderkarussell von Patrizia und Klaus Rasch war in diesem Jahr bei genau einer Veranstaltung im Einsatz, bei den Glückstalertagen in Brackwede. Ansonsten stand es still. Monatelang. Genauso wie der nagelneue Crêpe-Wagen von Sohn René. Zweimal war der Oesterweger 2021 damit bei einem Volksfest vertreten. Der sieben Meter lange Wagen war eine große Investition. &bdquo;Es war immer sein Traum", sagt Patrizia Rasch. Bestellt hatte er ihn, bevor Corona kam. Zu einem Zeitpunkt, wo er nicht ahnen konnte, dass die Pandemie die Branche nahezu lahmlegen würde. 25 bis 30 Veranstaltungen stehen in einem normalen Jahr im Kalender der Oesterweger Familie. Im zweiten Jahr hintereinander ist es nur ein Bruchteil. &bdquo;Wir haben Gott sei Dank eine gute Bank, die hinter uns steht", sagt Patrizia Rasch. Die Soforthilfen zu Beginn der Pandemie seien nur ein Tropfen auf den heißen Stein gewesen, um einen Teil der Betriebskosten decken zu können. &bdquo;Wir haben teilweise von unserem Ersparten gelebt", sagt Ehemann Klaus Rasch. Es gebe Kollegen, die hätten andere Jobs annehmen müssen, um über die Runden zu kommen. "Wir sind hier eingesperrt" Über jede noch so kleine Veranstaltung zum Geldverdienen freut sich Familie Rasch. Viel mehr als das sind die Oesterweger aber froh, raus zu kommen, Kirmesluft zu schnuppern, unter Schaustellern zu sein. &bdquo;Das ist unser Leben", sagt Patrizia Rasch. Die Raschs wohnen in Oesterweg in einem schönen Wohnhaus mit großem Außengelände. Und doch haben sie seit Monaten das Gefühl: &bdquo;Wir sind hier eingesperrt." Im Frühjahr kitzelt es in den Schausteller-Fingern, dann &bdquo;wollen wir hier weg", schildert das Ehepaar. An den traditionellen Kirmeswochenenden in Versmold, Steinhagen und Halle nächtigt die Familie noch zu Hause und fährt nur tagsüber zu den Veranstaltungen. Danach beginnt die große Volksfest-Reise. &bdquo;Bis Mitte November sind wir alle im Wohnwagen und reisen von Stadt zu Stadt." Normalerweise. Kann Sünne Peider Anfang März stattfinden? Im März 2020 änderte sich das schlagartig – ausgerechnet in dem Jahr, als ihr Musik-Shop, der Nachfolger der Raupe, 40-Jähriges feierte. Im Sommer gab es zumindest den &bdquo;Pop-up-Freizeitpark" auf der Bielefelder Radrennbahn. &bdquo;Sonst waren wir fast ausschließlich zu Hause." In diesem Jahr drehte sich der Musik-Shop wieder öfters. Zumindest in den Sommermonaten waren die Raschs zurück auf dem Rummel: Bielefeld, Warendorf, Ennigerloh und Ahlen gehörten zu den Stationen. &bdquo;Mit einer normalen Kirmessaison kann man das aber nicht vergleichen", sagt Klaus Rasch. Viele Veranstaltungen fanden in eingezäunten Bereichen mit Eintritt statt. Die Herbstkirmes in Bielefeld ist dann wieder unter vergleichsweise regulären Bedingungen gelaufen. &bdquo;Eine gute Veranstaltung", sagt Rasch. Man habe gemerkt, dass die Menschen nach draußen wollen und bereit sind, nach der langen Durststrecke im Freizeitbereich Geld auszugeben. Weihnachtsmarkt bietet ein wenig Normalität Ein Stück Normalität im Schaustellerleben bietet zurzeit der Weihnachtsmarkt in Bielefeld. Patrizia Rasch betreibt dort traditionell ihren Champignon- und Backkartoffelstand. Zusammen mit ihrer Schwiegertochter teilt sie sich die Arbeit. Aushilfen, die sonst beschäftigt sind, können sie diesmal nicht einsetzen. &bdquo;Wir müssen die Kosten so gering wie möglich halten", sagt Klaus Rasch. Die Einnahmen sind etwa 30 Prozent schlechter als üblich; Kollegen beklagen einen Rückgang um die Hälfte. Bei der Veranstaltung gilt 2G. Jeder Kunde muss Nachweis und Ausweis oder alternativ das Bändchen, das für Einzelhandel und Weihnachtsmarkt gilt, vorzeigen. Für die Schausteller bedeutet das mehr Aufwand. &bdquo;Ich bin froh, dass wir überhaupt ein bisschen Geld verdienen dürfen." Bis zuletzt gehofft Gerne wäre Familie Rasch beim Weihnachtmarkt in der Heimat dabei gewesen. Klaus Rasch ist zweiter Vorsitzender im ausrichtenden Verein &bdquo;Ein Herz für Versmold". Eine Woche vor dem Termin hat der Vorstand die Veranstaltung abgesagt. &bdquo;Wir haben bis zuletzt gewartet und gehofft. Heute muss ich sagen: Es war die richtige Entscheidung." Die Hoffnung ruht nun auf dem Beginn der Kirmessaison 2022, die traditionell mit der Sünne Peider startet. &bdquo;Vielleicht haben wir Glück und die Zahlen gehen bis dahin runter", sagt Klaus Rasch. Im Januar wollen sich Schaustellerverein und Stadt zusammensetzen. Im Rathaus plant man derweil die Kirmes. &bdquo;Wir bereiten alles vor und könnten sie durchführen", sagt Fachbereichsleiterin Claudia Rohde. Bis Ende Januar möchte man eine Entscheidung treffen, ob sich am ersten Märzwochenende die Karussells in der Innenstadt drehen. Lesen Sie auch: Keine Kirmes: Schausteller-Familie kreiert süße Lösung gegen den Stillstand Patrizia und Klaus Rasch, die seit 41 Jahren verheiratet sind, können es kaum erwarten, sich zusammen mit den Söhnen und Enkelkindern wieder ins Rummel-Leben zu stürzen. Mit 62 und 64 Jahren denken die beiden noch nichts ans Aufhören. &bdquo;Wir werden irgendwann ein bisschen kürzertreten", sagt die Oesterwegerin. Aber nur in den eigenen vier Wänden zu sein? Patrizia Rasch schaut sich in der gemütlichen Wohnküche um. &bdquo;Nein, das ist nicht unsere Welt."

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