Lebensgefahr? Tierschützer fordern, das Bruch für den Verkehr zu sperren

Versmold. Vor einem guten Jahr kam der Stein durch einen Bürgerantrag erneut ins Rollen. Darin wird die Versmolder Politik aufgefordert, die Straße mitten durch das Bruch für den motorisierten Verkehr zu sperren. Ein Bürgerentscheid hatte eben dies vor 16 Jahren erfolgreich verhindert. Lange Zeit ruhte das Thema – bis im vergangenen Jahr. Kommende Woche gibt die Verwaltung im Ausschuss für Mobilität, Energie, Klima und Umwelt einen Zwischenstand. Bisher konnte man sich am Sitzungstisch noch zu keiner Entscheidung durchringen, sondern möchte erst alle Seiten ausführlich beleuchtet wissen. Vor allem die Folgen einschätzen können, die eine Entscheidung hätte. Mit einer Gesamtsperrung der Straße scheint man sich – zumindest im Rathaus – schwer zu tun. Ganz anders die Biologische Station Bielefeld-Gütersloh. Diese Arten sind besonders gefährdet Sie hat der Stadt nun auf sechs Seiten in einer Stellungnahme dargelegt, warum aus ihrer Sicht eine Sperrung der Rebhuhnstraße für den Autoverkehr &bdquo;dringend notwendig" ist. Sie verweist auf die &bdquo;außergewöhnlich hohe Artenvielfalt" und das Risiko, &bdquo;dass im Versmolder Bruch gefährdete Arten durch den Autoverkehr zu Tode kommen". In dem Gebiet südlich der Kernstadt haben viele Tiere, die auf der Roten Liste stehen, ihren Lebensraum. Deshalb habe das Bruch &bdquo;überregionale Bedeutung". Die meisten der Arten kämen beidseitig der Rebhuhnstraße vor, was zu häufigen Querungen der Fahrbahn führe und eine erhöhte Gefahr darstelle. Jungvögel sind einfach zu langsam Beim regelmäßigen Monitoring erfasst die Biostation das Aufkommen einzelner Arten. Bei den Vögeln sehen die Naturschutzexperten insbesondere die Wiesenbrüter als gefährdet durch den Autoverkehr an. &bdquo;Die Straße wird bei nassem Wetter oft aufgesucht, um das Gefieder abtrocknen zu lassen, insbesondere Jungvögel reagieren recht langsam und kommen dann nicht schnell genug aus der Gefahrenzone, wenn Autos sich nähern", heißt es in der Stellungnahme. Von einzelnen Arten, wie beispielsweise dem Wiesenpieper oder der Uferschnepfe, gibt es im Kreis Gütersloh nur noch sehr geringe Bestände. So brüten im gesamten Kreisgebiet nur zehn bis zwölf Paare des Wiesenpiepers, acht davon im Bruch im direkten Umfeld der Rebhuhnstraße. &bdquo;Um diese kleinen, stark gefährdeten Bestände zu schützen, sollte jede Möglichkeit, die Mortalität zu verringern, ausgeschöpft werden." Die Biostation bezieht sich in ihrer Stellungnahme aber nicht nur auf Vögel. Heuschrecken und Libellen sind akut bedroht Als wechselwarme Tiere nutzten Heuschrecken erwärmte Straßenbereiche gerne und &bdquo;sind dann akut vom Verkehr bedroht". Fünf Arten von der Roten Listen kommen im Bruch vor. Bei den Libellen sind es einige Arten mehr. Die Biologische Station kommt zu dem Schluss: &bdquo;Auf der Suche nach passenden Ablaichorten überfliegen die Libellen in großer Anzahl die Straße. Insbesondere die langsam fliegenden Kleinlibellen sind dabei einem großen Kollisionsrisiko ausgesetzt." Bei Tagfaltern sieht es ähnlich aus. Langsame Flugweise und niedrige Flughöhe stellen eine Gefahr dar. Waldeidechse und Wasserfledermaus sind ebenso einem erhöhten Risiko ausgesetzt. Verkehr müsste Umwege nehmen Die Sicht des Naturschutzes ist also klar. Nach Aussage des Kreises wären die rechtlichen Voraussetzungen für verkehrsberuhigende Maßnahmen an der Stelle erfüllt. Die Straßenverkehrsordnung sieht vor, dass Verkehr aus Gründen des Arten- und Naturschutzes verboten werden kann. &bdquo;Zur Abwehr der Gefahr ist im Grundsatz nur ein Verbot für Kraftfahrzeuge zielführend", schreibt die Abteilung Straßenverkehr. Lesen Sie auch: Quads im Schutzgebiet sorgen für Empörung Die Stadt hatte bereits mit einem mobilen Display Messungen vorgenommen und im Tagesschnitt 750 Fahrzeuge auf der Rebhuhnstraße gezählt – dort, wo Tempo 100 gilt, ohne Auffälligkeiten. Der Kreis wird nun ergänzend eine verdeckte Verkehrszählung vornehmen. Eine Sperrung hätte Auswirkungen auf den Verkehr. &bdquo;Es wird zwangsläufig zu höheren Belastungen der Ausweichstrecken kommen", sagt Bürgermeister Michael Meyer-Hermann. Diese müssten zuvor gutachterlich untersucht werden und Teil der Gesamtbetrachtung sein. Als Verbindungsstraße nicht zu ersetzen Die Polizei verweist in ihrer Stellungnahme auf die Bedeutung der Straße als Verbindung Richtung Harsewinkel. &bdquo;Selbst wenn man mit dem Kfz die 30 km/h einhält, ist man fast immer schneller im Süden von Versmold, als wenn man die offizielle Zufahrtsstraße über die B 476 im Westen fährt." Kämpenstraße oder die Lange Straße seien unattraktiv, &bdquo;weil es oft Umwege sind, die zu schmal und zu eng für den Kfz-Verkehr sind", heißt es weiter. Uneins über die Rolle der Radfahrer Während die Biologische Station in ihrer Einschätzung dazu kommt, dass Fußgänger und Radfahrer weiterhin im Naturschutzgebiet unterwegs sein dürfen, hat die Polizei eine andere Position. &bdquo;Wenn diese Tiere und die Landschaft dort nach Angaben der Experten so schützenswert sind, dann fährt dort gar keiner mehr einfach nur durch", so der Landrat. Auf diese Weise würde jegliche Störung der Tiere unterbunden. Das wäre konsequent und von jedem Verkehrsteilnehmer zu respektieren. Landwirte könnten ihre Flächen erreichen, ohne den Schutz der Tiere zu missachten. Anwohner gibt es auf dem Abschnitt zwischen Wiesenstraße und Vorbruchstraße nicht. Schwieriger Prozess – so geht es weiter Ganz oder gar nicht – diese beiden Szenarien scheinen momentan möglich. Die Stadt möchte wissen, ob es nicht doch Alternativen gibt. Sie beabsichtigt, ein spezialisiertes Fachbüro zu beauftragen. Dieses soll gutachterlich untersuchen, &bdquo;ob und in welchem Umfang es möglich ist, Maßnahmen für Flora und Fauna zu ergreifen, ohne eine Gesamtsperrung der Straße vornehmen zu müssen". &bdquo;Gibt es mildere Mittel bei gleichzeitiger höchstmöglicher Schutzwirkung?", formuliert Bürgermeister Michael Meyer-Hermann in der Vorlage zur Sitzung. Am Mittwoch, 22. September, tagt der Ausschuss. Bis dahin sollen Gutachterkosten vorliegen. Eine Entscheidung steht nicht an – eine mögliche Sperrung der Rebhuhnstraße wird die Politik noch länger beschäftigen.

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