Politischer Ruhestand: Dieser Mann wählte stets den direkten Weg

Das Amt des stellvertretenden Bürgermeisters hat Horst Hardiek vor drei Jahren aufgegeben. Nun endet nach 41 Jahren auch seine Zeit im Stadtrat. Den Ausklang seiner politischen Laufbahn hätte er sich anders gewünscht.

Horst Hardiek verabschiedet sich aus dem Stadtrat. | © Marc Uthmann

Marc Uthmann
18.12.2020 | 18.12.2020, 19:00

Versmold-Peckeloh. Seit Dezember 2017 saß der heute 74-Jährige als Parteiloser im Stadtparlament. Der Mann, der über Jahrzehnte wie kaum jemand sonst für die SPD in Versmold stand, hatte sich mit seiner Fraktion überworfen. 1974 war Hardiek bei den Sozialdemokraten eingetreten, gewann für sie in Peckeloh zig Wahlen – zuletzt kämpfte der stolze Politiker nur noch für sein Heimatdorf. Und blickt darum bei allen Erfolgen der vergangenen Jahrzehnte auch traurig zurück.

„Ein Wahlkampf dauert immer fünf Jahre"

„Herbert Zachau hat mich 1974 für die SPD gewonnen. Er ist noch heute mein Vorbild", schwärmt Horst Hardiek von jenem Mann, „den alle Versmolder für einen tollen Kommunalpolitiker gehalten haben. Er hatte für viele nur das falsche Parteibuch". Horst Hardiek ging in die politische Lehre, klebte fleißig Plakate und kandidierte nach fünf Jahren für den Stadtrat. „1979 hatte ich gegen Peter Schulte zur Surlage keine Chance", erinnert sich Horst Hardiek mit einem Schmunzeln an den damals übermächtigen CDU-Kandidaten im Peckeloher Wahlbezirk 9. Und auch fünf Jahre später gab ihm Manfred Kuhn das Nachsehen. „Ich bin zwei Mal über die Reserveliste in den Rat eingezogen – aber dann wollte ich unbedingt den Wahlbezirk 8 im Peckeloher Zentrum zurückholen."

Das gelang Hardiek bei der nächsten Kommunalwahl mit 48 Prozent, in den kommenden Jahrzehnten sollte er seine Ergebnisse auf über 50 Prozent ausbauen und stets das Direktmandat holen. „Bayerische Verhältnisse", nennt der Peckeloher das heute in Anspielung auf die CSU, und der Stolz darauf ist ihm anzuhören. „Wahlkampf begann für mich immer am Tag nach der Wahl und dauerte fünf Jahre", erklärt Horst Hardiek sein Erfolgsrezept. „Man muss das ganze Jahr über für die Leute da sein. Ich habe halt in allen Pötten gerührt."

Horst Hardiek ist bekannt in Peckeloh. Er trat 30 Jahre in der Laienspielgruppe auf, engagierte sich auch darüber hinaus beim SC Peckeloh, war im Dorf unterwegs. „Und wenn mir die Leute erzählt haben, dass der Bürgersteig mal ausgebessert werden muss, dann habe ich das nicht im Ausschuss vorgebracht, sondern bin auf dem kurzen Dienstweg direkt ins Bauamt gegangen. Zu vielen Mitarbeitern dort habe ich einen engen Draht entwickelt. Weil ich mit ihnen ein offenes Wort gesprochen habe."

Kommunalpolitik spielt sich zwischen Menschen ab

Ein echter Parteipolitiker war Horst Hardiek wohl nie. Und das, obwohl er die sozialdemokratischen Werte sehr gut vertreten konnte: Er hatte sich selbst beim Feinkosthersteller Menzi in eine leitende Position hochgearbeitet, war trotzdem noch nah dran an den Beschäftigten und ihren Sorgen. Doch Kommunalpolitik, das ist noch heute Hardieks Überzeugung, spielt sich nicht zwischen Parteien ab, sondern zwischen Menschen. Und dieses Spiel beherrschte er: mit dem nötigen Ehrgeiz, Ausdauer und dem Talent, sich richtig zu inszenieren.

Der Mann hatte auch persönliche Ziele. 25 Jahre stellvertretender Bürgermeister – das hätte Horst Hardiek für einen stimmigen Ausklang seiner politischen Laufbahn gehalten. Dass der große Zwist mit seiner Partei ihn das gekostet hat, verbittert ihn noch heute. Alles begann 2014 – nach der Kommunalwahl hatte die SPD nur noch realistische Ansprüche auf einen stellvertretenden Bürgermeisterposten – die Entscheidung musste zwischen Horst Hardiek und Petra Pölzing fallen. „Man wollte mich auf das politische Abstellgleis schieben, ohne mit mir darüber zu sprechen. Ich war wie vor den Kopf gestoßen", sagt der Peckeloher heute. Wenn man ihn fragt, ob er vielleicht zu lange auf seinem Posten bestanden hat und die Bemühungen um einen Generationswechsel in der Partei rückblickend nicht verstehen kann, reagiert Horst Hardiek immer noch sehr entschieden: „Über solche Dinge hat mit mir niemand gesprochen. Das sollte einfach durchgesetzt werden."

Am Ende gab es einen wackligen Kompromiss – Horst Hardiek sollte das Amt nach der Hälfte der Legislaturperiode an Petra Pölzing übergeben. Die wurde im Dezember 2017 jedoch vom Rat nicht gewählt – auch nicht von Horst Hardiek. „Dazu konnte mich die Partei nicht zwingen", sagt er heute. Ulrike Poetter (FDP) wurde stellvertretende Bürgermeisterin, es kam zum endgültigen Bruch Hardieks mit der SPD, vor allem mit Fraktionschefin Liane Fülling. Der Peckeloher verließ die Fraktion und agierte fortan als freier Ratsherr.

„Austausch mit Parteifreunden fehlte mir"

Er hätte sein Mandat schon vor drei Jahren aufgeben können. „Aber ich fühlte mich für die Leute verantwortlich, die mir in Peckeloh ihre Stimme gegeben hatten – und das waren nicht wenige." Am Anfang machte die Rolle Horst Hardiek Spaß: entscheiden nur nach eigenem Ermessen, keiner Parteidisziplin unterworfen. „Im vergangenen Dreivierteljahr habe ich mir aber gedacht: Jetzt ist es langsam gut. Der Austausch mit Parteifreunden fehlte mir doch."

Mit der Partei wird sich Horst Hardiek indes nicht mehr versöhnen: Er ist zum 1. Oktober aus der SPD ausgetreten. „Als ich gesehen habe, dass sich nach der Kommunalwahl in der Führungsstruktur so wenig verändert hat, stand das für mich fest", sagt der Peckeloher.

Seine politische Laufbahn ist damit beendet, für sein Dorf wird sich Horst Hardiek wohl Zeit seines Lebens engagieren. Was bleibt vom Ehrenamt? „Die Städtepartnerschaft mit dem polnischen Dobczyce liegt mir weiter am Herzen – da war ich ja ein Kind der ersten Stunde." Eigentlich wollte der 74-Jährige im vergangenen Frühjahr den Campingplatz im neuen Freizeitzentrum der Partnerstadt ansteuern – dann kam Corona dazwischen. „Das Ding habe ich aber weiter im Kopf und hoffe, dass es 2021 klappt." Ziele wird Horst Hardiek immer haben.