
Altkreis Halle. Zum elften Mal legt der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) die Ergebnisse des vom Bundesministerium für Verkehr geförderten ADFC-Fahrradklima-Tests vor. 213.000 Radler haben bundesweit ihre Kommunen bewertet. Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder ehrte persönlich die fahrradfreundlichsten Städte.
Nach eigenen Angaben ist der Fahrradklima-Test eine der größten entsprechenden Umfragen der Welt. Er findet alle zwei Jahre statt. 1.047 Orte kamen zuletzt in die Bewertung – damit sind 65 Prozent der deutschen Bevölkerung repräsentiert.
Die Bewertungskategorien lauten Sicherheit und Komfort beim Radfahren, Infrastruktur, Förderung des Radverkehrs, Verkehrsklima und die subjektive Zufriedenheit beim Radfahren. Der Test umfasst 27 Fragen mit gegensätzlichen Aussagen, die auf einer sechsstufigen Skala bewertet werden. Die Städte werden in verschiedene Größenklassen eingeteilt, um faire Vergleiche zu ermöglichen. Die Ergebnisse sind statistisch nicht repräsentativ, haben aber durch die breite Bürgerbeteiligung hohe Aussagekraft und sollen Kommunen helfen, das Angebot für Radfahrende gezielt voranzubringen.
Steinhagen liegt im Altkreis vorn
Das beste Ergebnis der fünf Kommunen im Einzugsgebiet des „Haller Kreisblatts“ erzielt Steinhagen. Mit der Gesamtnote von 3,57 liegt die Gemeinde auf dem respektablen 59 Platz von 429 Kommunen zwischen 20 und 50.000 Einwohnern. Dabei hat sich Steinhagen gegenüber der letzten Auswertung 2022 sogar noch mal leicht verbessert.
Stärken, die die Steinhagener Radfahrer ihrer Kommune hoch anrechnen, sind die konsequente Kontrolle und Sanktionierung von Falschparkern auf den Radwegen, den guten Winterdienst auf den Radwegen und die Werbeaktionen für das Fahrrad, die das Rathaus regelmäßig forciert. Schwächen sind demnach zum Beispiel das Fehlen von öffentlichen Fahrrädern oder einem Fahrradverleih und mangelnde Möglichkeiten, Räder im ÖPNV mitzunehmen. Auch das Fahren im Mischverkehr mit Autos wird als Problem erwähnt.
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Tatsächlich hat der Steinhagener Rat in den vergangenen Jahren schon mehrfach über Leihfahrräder (neudeutsch: Bike-Sharing) gesprochen. Bisher wurden solche Angebote abgelehnt, weil man in einer kleinen Kommune wie Steinhagen keinen echten Nutzen darin sieht, der die Kosten rechtfertigen würde. Der Zweckverband „Verkehrsverbund OWL“ und die Stadt Bielefeld arbeiten trotzdem daran, ein flächendeckendes gemeinsames Fahrradverleihsystem aufbauen. 99 Steinhagener nahmen an der ADFC-Umfrage teil.
Werther verbessert sich leicht

An zweiter Stelle im Altkreis steht Werther, welches allerdings in der Kategorie „Weniger als 20.000 Einwohner“ teilnahm. Hier schaffte es die Stadt mit der Note 3,78 auf den 164. von 423 Plätzen. Ebenfalls eine leichte Verbesserung. Stärken sind aus Sicht der Radler die aktive Fahrradförderung und die Werbung für das Thema. Außerdem haben sich mehrere Teilnehmer positiv über die umstrittene Einbahnstraßenregelung in der Innenstadt geäußert. Aus Radfahrersicht sei die eine Verbesserung.
Schwächen sehen die Wertheraner bei Hindernissen auf den Radwegen, der Breite der Wege und der teils schlechten Oberfläche einiger Passagen. Fahrraddiebstahl ist offenbar kein großes Problem, trotzdem ist das Sicherheitsgefühl im Vergleich zu anderen Kommunen etwas schlechter. 78 Wertheraner haben an der ADFC-Umfrage teilgenommen.
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Das Wertheraner Rathaus nahm darüber hinaus an der „Kommunalbefragung“ des Fahrradklubs teil. Die Verantwortlichen im Rathaus betonnen noch einmal die Bedeutung der geschaffenen Fahrradzonen am Schwarzer Weg und am Meyerfeld. Man arbeite aktiv daran, den Radverkehr weiterzuentwickeln, stelle Mitarbeitern Diensträder zur Verfügung, unterstütze bei der Organisation von Fahrtrainings und plane entsprechende Kampagnen.
Halle bleibt stabil
Note 3,9, Platz 177 von 429: Halle zeigt sich beim Fahrradcheck solide. Der Platz im vorderen Mittelfeld ist verteidigt, allerdings auch nicht wirklich verbessert. Gelobt werden von den 76 Teilnehmern der Umfrage der gute Winterdienst auf den Radwegen, die gefühlt wenigen Fahrraddiebstähle und die funktionierende Kontrolle von Falschparkern auf den Radwegen. Als Problem werden empfunden, die schlechten Ampelschaltungen (aus Sicht der Radfahrer) und die offenbar allgegenwärtigen Probleme, sein Rad mit Bus und Bahn zu transportieren.
Versmold rutscht ab
Während die Radfahrer in Werther und Steinhagen ihre Kommunen besser bewerten als noch vor zwei Jahren, ist der Trend in Versmold ein anderer. Die Stadt rutschte im Ranking weiter ab – und das nicht zum ersten Mal. Stattdessen setzt sich eine Entwicklung fort, die offenbar schon seit 2018 anhält. Konnte Versmold damals noch eine gute 3,5 vorweisen, verliert die Stadt seitdem bei jedem Ranking. Mittlerweile steht sie auf 4,0. Insgesamt 92 Menschen gaben ihre Stimmen ab.
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Die aufgezählten Schwächen sind dabei die gleichen, wie in vielen anderen Kommunen: die Beschaffenheit der Radwege, die besser sein könnte (Note 4,9), das Problem, Fahrräder nicht ausreichend im ÖPNV transportieren zu können, und das Fehlen von öffentlichen Rädern. Positiv werteten indes auch die Versmolder, dass man Auto-Einbahnstraßen geschaffen habe, auf denen nur Radfahrer in beide Richtungen fahren dürfen.
Auch das Versmolder Rathaus beantwortetet den Fragenkatalog der „Kommunalbefragung“. Aus Sicht der Verwaltung gilt es, zum Beispiel den Arbeitskreis „Fahrradfahren in Versmold“ und den neuen Radweg zur Grundschule in Bockhorst zu loben. Außerdem leiste sich die Stadt eine Teilstelle für einen Radverkehrskoordinator.
Kein Interesse in Borgholzhausen?
Doch, natürlich leben auch im Bergdorf Borgholzhausen viele begeisterte Radfahrer. Einzig für die Teilnahme am ADFC-Fahrradklimatest 2024 reichte es nicht. Wie der ADFC auf Nachfrage erklärt, hätten für eine Auswertung mindestens 50 Borgholzhausener abstimmen müssen. Das war offenbar nicht der Fall.
Durchwachsenes Fazit für Radwege und den ADFC
Verbesserungen in vielen Bereichen, aber auch einige Probleme, so ließe sich das Fazit des ADFC herunterbrechen. „Was uns weiter Sorgen macht, ist das Thema Sicherheit. Mehr als zwei Drittel der Radfahrenden fühlt sich im Straßenverkehr nicht sicher. Am meisten stresst es, wenn Radwege zu schmal oder zugeparkt sind. Oder wenn man auf Straßen ohne eigenen Radweg mit zu geringem Abstand überholt wird“, resümiert ADFC-Bundesvorsitzender Frank Masurat. Das müsse sich ändern: „An Hauptverkehrsachsen und Landstraßen braucht der Radverkehr eigene, separate Führung, eingebunden in ein zusammenhängendes Radwegenetz.“
Was die konkreten Ergebnisse im Altkreis angeht, ist ein Hinweis auf die Methodik wichtig. Der Fragebogen des ADFC funktioniert nach dem Rating-Skalen-Prinzip. Wenn der ADFC also zum Beispiel wissen möchte, ob „Leihfahrräder für jeden einfach, zuverlässig und preisgünstig nutzbar“ sind, setzt er voraus, dass in der jeweiligen Kommune solche Leihräder erwünscht sind. Aus Sicht vieler Bürgervertreter in der Umgebung ist das indes nicht der Fall. So kann schon die Frage selbst die Aussage verfälschen. Anders gesagt: Dass es im Altkreis keine Leihfahrräder gibt, ist vermutlich kein Problem, wie es der Fahrradklub darstellt, sondern eher eine bewusste politische Entscheidung gegen eine mögliche Steuerverschwendung.
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