„Verschandelung“: Steinhagener streiten über Flüchtlings-Hotel-Pläne

Steinhagen. Wenn man vor 50 Jahren wissen wollte, was die Leute beschäftigt, ging man auf den Marktplatz. Wenn man heute wissen will, was die Leute beschäftigt, öffnet man Facebook. Wo aber auf dem Dorfplatz mit Bekannten freundschaftlich getratscht wurde, ist der Ton in den &bdquo;sozialen Medien“ deutlich schärfer. Während Themen wie der Klimawandel oder Landespolitik kaum jemanden hinter dem digitalen Ofen hervorlocken, gibt es Aufreger, die zuverlässig die Emotionen entzünden. So wie die Idee, im seit Jahren leer stehenden &bdquo;Graf Bernhard 1344“ Geflüchtete unterzubringen. Die Vorgabe, den Menschen – die zu großen Teilen aus dem Nahen Osten, Afrika und der Ukraine stammen – Wohnraum zur Verfügung zu stellen, stellt Steinhagen und andere Kommunen schon seit zehn Jahren vor große Probleme. In der Not wurden bereits Turnhallen umgebaut und Wohncontainer aufgestellt. Beides keine Wunschlösung, wie Verwaltung und Politik immer wieder betonen. Nun prüft das Rathaus die Möglichkeit, das insolvente Hotel nahe dem Ortskern zu nutzen, nachdem sich in den vergangenen Jahren niemand gefunden hatte, der es mieten will. Die große Immobilie am Brückhof gehört der Haller Unternehmerfamilie General. Nach einer positiv ausgefallenen baurechtlichen Prüfung wird jetzt mit den Eigentümern verhandelt. Steinhagener streiten über Pläne für Graf Bernhard Seit das Haller Kreisblatt über den Plan berichtet hat, haben sich Dutzende Steinhagener mit insgesamt 73 Kommentaren an einer regen Facebook-Debatte beteiligt. Teils mit Klarnamen, teils anonym stellen manche die Sinnhaftigkeit infrage, während andere sie verteidigen – ganz vorn an: Bürgermeisterin Sarah Süß. Ausgelöst hatte das Wortgefecht eine Steinhagenerin, die den Einwand formulierte, andere hätten Wohnraum nötiger: &bdquo;Warum wieder die Flüchtlinge? Für unsere Obdachlosen ist wieder kein Platz. Sorry, aber es regt mich langsam auf!!!“ Während einige User mit Vokabular wie &bdquo;Verschandelung“ der Wutrede zustimmten und andere schon von &bdquo;Moscheen auf dem Marktplatz“ schwadronierten, legten dritte Wert auf die Richtigstellung, dass für Steinhagens (wenige) Obdachlose gerade eine neue Unterkunft gebaut werden soll. Mit dem Wortungetüm &bdquo;Whataboutism“ bezeichnet man in Populismus-kritischen Kreisen übrigens die Methode, Dinge infrage zu stellen, indem man fragt: &bdquo;Aber was ist mit ... (den Obdachlosen)?“ Auch bei Facebook gibt es etliche Menschen, die dieses Vorgehen offenbar erkennen und hinterfragen. Flüchtlinge sollen in Steinhagener Hotel einziehen Eine weitere Gegnerin des Vorhabens ist offenbar der Meinung, dass man Geflüchtete von Wohngebieten fernhalten soll: &bdquo;Ich bin der Meinung, dass weder direkt neben einer Schule noch direkt in ein Wohngebiet eine Flüchtlingsunterkunft gehört. Und eigentlich dachte ich auch, dass nach der Wahl und aufgrund der desolaten Finanzlage weniger Asylanten aufgenommen werden würden.“ Mehrere aktive und ehemalige Ratsmitglieder bezogen ebenfalls Position, erklärten die Zusammenhänge und stellten klar, dass die Alternative wohl ist, dass das Gebäude auch in den kommenden Jahren leer stehen wird. Die Konsequenz benennt eine langjährige Ratsherrin: &bdquo;Das Gebäude weiter leer stehenzulassen, würde es langsam dem Verfall preisgeben.“ Auch Sarah Süß schaltet sich schon früh in den Streit ein und schreibt: &bdquo;Um hier mal die ein oder andere Vermutung richtigzustellen: Das Haus an der Patthorster Straße, in dem geflüchtete Menschen und Obdachlose untergebracht sind, ist baufällig. Es wird, so die Planung, abgerissen und neu gebaut. Dort sollen auch zukünftig Menschen untergebracht werden. Wir können uns das nicht aussuchen, wir MÜSSEN Wohnraum zur Verfügung stellen. Das sind manchmal Container, wenn es nicht anders geht. Das sind aber auch manchmal Objekte, die leer stehen und geeignet sind und von der Gemeinde zu diesem Zweck angemietet werden. So könnte es auch beim Graf Bernhard ablaufen – die Verhandlungen sind aber noch nicht abgeschlossen.“ Für manchen Steinhagener kommt die Debatte zu spät Allerdings, so vermittelt es der Diskussionsverlauf, kommt für manchen die Erklärung zu spät. So lautet einer der letzten bisher veröffentlichten Kommentare: &bdquo;Ja, es wird sich nichts ändern, und demnächst gehe ich auch nicht wählen.“ Wir haben uns vorbehalten, Rechtschreibung und Grammatik zu korrigieren und Kommentare gegebenenfalls zu kürzen. Aktuelle News bekommen Sie täglich über den WhatsApp-Kanal des HK

Meistgelesen

Steinhagens Bürgermeisterin wirbt im Netz für Flüchtlinge im Ex-Hotel

Großes Steinhagener Hotel-Restaurant soll Unterkunft für Geflüchtete werden

Ungewöhnlich: Zentrales Steinhagener Hotel wird Flüchtlingsunterkunft

Steinhagens Bürgermeisterin Sarah Süß überrascht mit einem Auto-Verbot

Steinhagener Realschulstreit: Anmeldungen stehen bevor, Detmold reagiert Kurz bevor viele Eltern entscheiden müssen, ob sie ihre Kinder an der Realschule in Steinhagen anmelden wollen, reagiert die Bezirksregierung auf die Klage aus Steinhagen.

Geheimnis gelüftet: Warum Steinhagens neues Wahrzeichen alt aussieht Mit dem 12-Uhr-Glockenschlag...