
Steinhagen. Medikamente und Chemie im Wasser sind ein Problem. Bereits 2017 beschäftigte sich der Steinhagener Rat deshalb mit einer vierten Reinigungsstufe für die Kläranlage. Die Gemeinde war damit im kommunalen Vergleich recht früh dran. Pflicht ist diese noch bessere Reinigung bis heute nicht, allerdings waren und sind die Fördermöglichkeiten derzeit sehr gut. Nach ersten Planungen sollte die Anlage schon im vergangenen Jahr fertiggestellt werden. Das hat nicht geklappt. Derzeit hofft man, die neue Technik ab 2027 nutzen zu können.
Die zusätzliche Reinigung mit sogenannter „pulverisierter Aktivkohle“ soll Steinhagens Abwässer künftig noch besser klären, bevor sie in den Abrooksbach eingeleitet werden. Der fließt unter anderem durch das Naturschutzgebiet Foddenbach-Landbach. Die neuen Filter sollen vor allem schwer abbaubare „Spurenstoffe“ eliminieren, die von Reinigungsmitteln, kosmetischen Produkten oder aus der Medizin stammen.
Allerdings ist die Technik nicht billig und braucht einige neue Gebäude auf der Anlage an der Friedhofsstraße. Anfängliche Planungen waren von rund elf Millionen Euro ausgegangen. Wie sich nun zeigt, wird das nicht zu halten sein. Beim letzten Zwischenstand im Bauausschuss rechnete das Bauamt mit etwas mehr als 17 Millionen Euro. Rund neun davon trägt das Land NRW.
Millionen-Bau in Steinhagen wird teurer
Die Kostensteigerung hat mehrere Gründe. Vor allem der Baugrund macht den Planern die Arbeit schwer. „Wir haben dort eine Grundwasserproblematik, die für eine Verzögerung sorgt“, erklärt Katharina Eckstein vom Bauamt. Die erste „konventionelle“ Planung habe eine Grundwasserabsenkung vorgesehen, um die neuen Gebäude bauen zu können. „Weitere Baugrunduntersuchungen zeigten aber, dass es in dem Bereich Torfeinschlüsse gibt“, so die Bauingenieurin.
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Diese Torf-Bereiche haben eine unangenehme Eigenschaft: Wenn man sie trockenlegt, schrumpfen sie. So hätte sich ein „Absenktrichter“ bilden können, der neben dem nahe gelegenen Schlammbehandlungsgebäude auf der Kläranlage auch benachbarte Privathäuser hätte schädigen können. „Das war einer der Gründe, warum wir keine Grundwasserabsenkung machen. Und es gibt noch einen zweiten“, so Eckstein im HK-Gespräch. „Die Absenkung würde auch dem Abrooksbach das Wasser entziehen.“

Der Bach hätte dadurch erheblich an Wasserstand eingebüßt, worunter wohl auch das Naturschutzgebiet leiden würde. Die vierte Reinigungsstufe, die eigentlich der Natur zugutekommen soll, wäre somit kontraproduktiv geworden. „Das wäre auch nicht genehmigungsfähig gewesen.“
Baustelle an Steinhagener Klärwerk dauert länger
Entsprechend ging man einen anderen Weg und legt nun mit Unterwasserbeton und sogenannten „Spundwänden“, wie man sie von den Deichen der Nordsee-Küste kennt, eine große Baugrube trocken. „So brauchen wir nur eine sehr kurze und kleine Grundwasserabsenkung“, erläutert Eckstein. Insgesamt sei die Baustelle schon „relativ anspruchsvoll“, bestätigt die Ingenieurin.
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Neben den zusätzlichen Kosten verursacht dieses neue Vorgehen vor allem eine Zeitverzögerung. Schon der notwendige Änderungsantrag bei der Bezirksregierung habe einige Zeit gebraucht. Und Zeit ist Geld. „Je länger es dauert, desto teurer wird es“, sei in den vergangenen Jahren eine zuverlässige Regel geworden, erklärt die Bauamtsmitarbeiterin. Das zeige schon der Baupreis-Index. Allein von 2023 bis 2025 stiegen die Gesamtkosten des Projekts von 16,1 Millionen auf 17,2 Millionen Euro.
Ob Steinhagen mit der Summe auskommt, ist indes noch nicht sicher. „Durch die Ergebnisse der noch ausstehenden Ausschreibungen könnte eine erneute Anpassung der Kosten erforderlich sein“, kündigt Katharina Eckstein im letzten Bericht an den Bauausschuss bereits an. Entscheidend ist, wie schnell es nun geht. Da gibt es auch Positives zu berichten. Der nötige Transformator und die Mittelspannungsschaltanlage sind bereits fertiggestellt. Die weiteren Bauschritte sind zum Teil ausgeschrieben und bereits beauftragt.
INFORMATION
Das 1x1 der Kläranlage
Übliche Kläranlagen verfügen über drei Stufen. Erstens: die mechanische Reinigung mit Rechen, Sand- undFettfang und Vorklärbecken. Zweitens: die biologische Reinigung durch sogenannte „Nitrifikation“ und „Denitrifikation“. Dabei kommen Bakterien zum Einsatz. Drittens: die chemische Reinigung, also die Phos-phat-Eliminierung. Dabei werden Phosphate in Feststoffe umgewandelt und dann entfernt. Die vierte Klärstufe soll mittels Aktivkohle Antibiotika, Analgetika wie Diclofenac, Blutdrucksenker, Korrosionsschutzmittel und besonders gefährliche Pestizide wie „Terbutryn“, das in der EU als Pflanzenschutzmittel mittlerweile verboten ist, aus dem Wasser filtern. Auch PFAS- und Mikroplastik-Belastungen können so reduziert werden.