Gestank, Gummistiefel und die Sache mit dem WM-Klo - die Klärwerks-Mythen

Steinhagen. Ist die Halbzeitpause im Fußball-WM-Finale tatsächlich eine Belastungsprobe für die Kläranlage? Wie verhindert man, dass die Becken bei Starkregen überlaufen? Was passiert, wenn jemand Altöl im Gully entsorgt? Und: Wie wird man abends eigentlich den Gestank wieder los? Typische Fragen, die die Abwassermeister Florian Drewel und Michael Alter gut kennen und aus dem Stegreif beantworten können. Heute haben die Mitarbeiter der Kläranlage die Presse eingeladen, um mit einigen Mythen aufzuräumen. Während die alte Fußball-Anekdote noch amüsant ist, birgt das Vorurteil, dass es auf der Anlage stinkt, echte Probleme. "Seit 2019 haben wir eine Ausbildungsstelle ausgeschrieben, bekommen aber kaum Bewerbungen", sagt Michael Alter, der das siebenköpfige Team der Steinhagener Kläranlage führt. Damals hatte als letzter Neuzugang Florian Drewel auf der Anlage an der Friedhofsstraße angefangen. Frisch von der Reaschule hat es der 23-Jährige mittlerweile bereits zum Meister gebracht. Er weiß, warum es so schwierig, ist Kollegen zu finden. "Das Vorurteil mit dem Gestank existiert", sagt er. "Viele haben mit schon gesagt, ich kann mir das gar nicht vorstellen, dort zu arbeiten." "Vieles ist Kopfsache. Schulklassen sagen oft, dass es hier stinkt" Das Paradoxe dabei: Auf der Kläranlage stinkt es überhaupt nicht. "Die gesamte Luft aus den Gebäuden wird abgesaugt, per Biofilter gereinigt und dann durch den hohen Schornstein abgegeben", erklärt Michael Alter. Gerade weil man die Wasserreinigung nah an der Wohnbebauung betreibe, habe man stark darauf geachtet, dass es keinen Ärger mit den Nachbarn gibt. "Vieles ist Kopfsache. Schulklassen sagen oft, dass es hier stinkt, aber es stinkt nicht. Wir haben eigentlich nie Beschwerden", so Alter. Genauso wenig wahr sei die Vorstellung, dass man sich bei der Arbeit dreckig mache und viel in Gummistiefeln unterwegs sei. "Die Anlage ist hochmodern", sagt Personalamtsleiter Jens Hahn und Michael Alter ergänzt: "Man arbeitet im Labor, beprobt täglich das Wasser, arbeitet am Rechner und repariert Dinge." Dazu komme, dass das Team viel unterwegs sei, weil man rund 170 Kilometer Kanalnetz und einige Außenstellen betreue. "Eigentlich braucht man die kompletten Mint-Fächer plus Elektrik", beschreibt Abwassermeister Drewel den Job. "Es ist schon ziemlich abwechslungsreich." Aus seiner heutigen Sicht sei es kaum nachvollziehbar, dass die Kläranlage schon seit Jahren Nachwuchssorgen plagen. Und das Problem droht sich noch zu verschärfen. Bei mehr als 345 Litern macht der Schieber dicht Anfang kommenden Jahres soll mit dem Bau der vierten Reinigungsstufe begonnen werden, damit die Anlage künftig auch Medikamente und andere Chemie noch zuverlässiger ausfiltert. Mehr als elf Millionen Euro soll das Projekt kosten. "Dann wird unser Personalbedarf noch größer", plant Alter. Wenn dann noch Kollegen in den Ruhestand wechseln, wird es irgendwann schwierig, die Kästchen im Dienstplan zu füllen. Aber zurück zum Mythen-Check und zur Fußball-WM. "Das merken wir fast gar nicht!", widerspricht Michael Alter der bekannten Anekdote, dass das zeitgleiche Spülen unzähliger WCs in der Halbzeitpause Kanäle und Kläranlage unter Stress setze. Heftig werde es eigentlich nur bei Starkregen-Ereignissen wie 2018. Bei mehr als 345 Litern pro Sekunde mache der automatische Schieber am Einlass des Klärwerkes dicht, damit die Anlage nicht beschädigt wird. Ärgerlich fürs Team sind auch Stoffe, die definitiv nicht in die Kanalisation gehören. So wie Altöl. So etwas sei schon vorgekommen - und dann steigere sich das Job-Spektrum sogar noch weiter und aus den Klärwerkern werden Detektive, die sich auf die Suche nach dem Übeltäter machen.

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