Kulinarisches Dilemma: Besuch auf dem Steinhagener Weihnachtsmarkt

Steinhagen. Achtung, Achtung! Dies ist ein – wie heißt das nochmal auf neudeutsch? – ach ja: Disclaimer. Es folgt ein Text über den Weihnachtsmarkt, wie er subjektiver nicht sein kann. Es geht um ganz persönlichen Geschmack. Mein kulinarischer Streifzug beginnt am Stand der Karnevalisten. Reiner Zufall. Hinter dem Tresen stehen drei junge Damen. &bdquo;Was ist denn bei euch der Renner auf der Karte?" &bdquo;Apfelpunsch" sagt Nummer eins. &bdquo;Glühwein" sagt Nummer zwei. &bdquo;Was denn nun?" frage ich Nummer drei, die sich nach kurzem Überlegen festlegt: &bdquo;Glühwein." Ich bitte um ein Probierschlückchen. Kriege ich. Was ist das denn? Falsche Farbe! Bei Glühwein habe ich eine Weißwein-Sperre. Der muss rot sein, da bin ich alte Schule. Also erst einmal vorsichtig dran schnuppern. Riecht eigentlich ganz vielversprechend. Der erste Schluck. Eieieiei, ordentlich süß und ordentlich Wumms! &bdquo;Seid Ihr sicher, dass da kein Schuss drin ist?", frage ich vorsichtshalber nach. &bdquo;Auf jeden Fall, der kostet nämlich extra", antwortet das KCCF-Trio. Ein echter Steinhagener Promi gibt jetzt den Nikolaus Nach ein paar weiteren Schlucken fällt mir siedend heiß der Nikolaus ein. Den darf ich auf keinen Fall verpassen. Etwas leichtfüßiger und schwebender als vor dem wirklich ganz schön starken Gebräu gehts vom Kirchplatz zum Marktplatz. Hier steht Katja Tarun parat, um den neuen Nikolaus vorzustellen. Die AGS-Vorsitzende hat sich einen echten Profi geangelt: Erfahrung mit Auftritten vor großem Publikum? Check! Eine laute, weit tragende Stimme? Check! Kann mit Kindern umgehen? Check! Erraten? Genau: Kein Geringerer als Klaus Besser steckt zum ersten Mal in dem roten Mantel. Der Alt-Bürgermeister hört sich auf der Bühne auch beim fünften Mal hintereinander &bdquo;Oh, Tannenbaum" geduldig von den kleinen Gästen an. Zur Belohnung – also für die Kinder – gibts Gummibärchen. Die würden sich eigentlich für einen Blindtest eignen, denn das Gerücht, dass alle Gummibären-Farben gleich schmecken, hält sich hartnäckig. Aber das ist mir jetzt zu viel Gewiggel. Außerdem habe ich kalte Füße. Wohin als nächstes? Irgendwohin, wo es warm ist. Zu den Landfrauen! Die schlagen ihr Lager immer im Historischen Museum auf und servieren heiße Suppe. Genau das Richtige. Die leckeren Suppen der Steinhagener Landfrauen Im ersten Stock des Museums sind so gut wie alle Tische besetzt. &bdquo;Welche Suppe ist denn am beliebtesten?", möchte ich von Heike Jörger vom Landfrauen-Leitungsteam wissen. Damit stürze ich die arme Frau in ein echtes Dilemma. &bdquo;Wir haben hier sieben Suppenköchinnen! Da kann ich mich unmöglich festlegen." Alles klar, kein Ding, suche ich mir eben selbst was aus. Meine Wahl fällt auf &bdquo;Annes Kabanossi-Suppe." Wäre der Topf offen gewesen, hätte ich mich wohl anders entschieden. Denn optisch macht das Gericht nicht viel her. Wie beim Glühwein ist schon wieder weiß die vorherrschende Farbe. Ich greife trotzdem entschlossen zum Löffel und merke sofort: Was dem Süppchen an Ästhetik fehlt, macht der Geschmack wieder wett: perfekt gewürzt, und die Konsistenz passt auch, nicht zu dick- nicht zu dünnflüssig. Ich hätte mehr Vertrauen haben sollen: Die Landfrauen können es eben. Wieder im Erdgeschoss angekommen, fällt mir als erstes die große Traube rund um den Museumsshop auf. Mittendrin: Angelika Mikoteit vom Verkaufsteam. Man kennt sich seit Jahrzehnten. &bdquo;Na? Die Geschäfte laufen wohl super", stelle ich völlig überflüssig das Offensichtliche fest. Die Ehrenamtliche nickt trotzdem freundlich und bietet mir den neuen Aquavit zum Probieren an. Kümmel? Ohne mich! &bdquo;Ist eine ganz milde Note", versucht sie mich zu überreden, aber ich bleibe ausnahmsweise eisern. Gewürzter Glühwein stürzt die Reporterin in ein Dilemma &bdquo;Wie wäre es dann mit unserem Schlehen-Glühwein?" Damit hat sie mich am Wickel. Sie besorgt mir eine Tasse. Schon der Geruch verspricht allererste Güteklasse. Auch auf der Zunge ist das Zeug ein Träumchen: Nicht zu süß, sehr aromatisch, und bei den Gewürzen hat Produzent Horst Feye vom Museumsteam ein ganz feines Händchen bewiesen. Bekomme ich für den Artikel von der Redaktion eigentlich Taxi-Geld?, schießt es mir kurz durch den Kopf und antworte mir gleich selbst: Wohl eher nicht. Also lasse ich, obwohl mir fast das Herz blutet, das meiste im Becher zurück. Zum Mitnehmen gibt es den exquisiten Stoff leider nicht. &bdquo;Horst füllt nur Hochprozentiges in Flaschen ab", erklärt mir Angelika Mikoteit. Mir fällt ein Schlehen-Schnaps aus Spanien ein. Von dem muss ich ihm unbedingt bei nächster Gelegenheit mal erzählen. Zuerst muss aber etwas Tröstendes her. Irgendwas Süßes. Am Stand des Familienzentrums werde ich fündig. Praktisch in Tüten verpackt und international sind die angebotenen Gebäckmischungen auch noch. &bdquo;Woher kommt denn das alles?", frage ich Waltraud Heinrich. Die gerade Diensthabende gibt sich alle Mühe: &bdquo;Was aussieht wie eine Walnuss, kommt aus der Ukraine. Und die so schräg abgeschnitten sind, das sind Dattel-Kekse aus Arabien. Beim Rest muss ich leider passen." Zuerst bin ich ein wenig enttäuscht. Dann wird mir klar, dass der Ursprung völlig egal ist. Und tatsächlich: Der Inhalt der Tüte duftet und schmeckt einfach nur wunderbar nach Weihnachten. Ist eben alles Geschmackssache.

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