Schüler bringen eigene Stühle mit: Rentnerin hilft armen Kindern in Afrika

Steinhagen/Accra. Ein Zufall brachte Christa Amelung nach Assin Akonfudi: 2019 war sie zur Hochzeit ihres Sohnes Malte nach Westafrika geflogen. Nachdem sich das Paar bereits in Deutschland das Jawort gegeben hatte, wollten ihr Sohn und seine Frau Angela, die aus Ghana stammt, auch in der Heimat feiern. Dort, in der Millionenstadt Accra, lernte die deutsche Rentnerin schnell ihre neue afrikanische Familie kennen. Darunter auch Samuel Kofi Adjei, den Großvater ihrer Schwiegertochter. Der über 80-Jährige nahm Amelung mit, um ihr sein Heimatdorf zu zeigen. &bdquo;Er hat dort als Lehrer an der Schule gearbeitet", berichtet die Deutsche. Das sei allerdings schon ein halbes Jahrhundert her. Adjei hatte sein Dorf verlassen, als Polizist in Accra angefangen und sich sogar bis zum Polizeichef von Ghanas Hauptstadt hochgearbeitet. Die Kinder müssen eigene Stühle mitbringen Im Dorf besichtigten sie auch den Schulkomplex, wo vom Kindergartenkind bis zum 16-Jährigen der gesamte Nachwuchs der Region unterrichtet wird. &bdquo;Die Schule hatte sich in der ganzen Zeit überhaupt nicht verändert", erzählt Christa Amelung. &bdquo;Es gab noch immer kaum Schulmobiliar, Räume hatten keine Wände. Hühner liefen durch die Klassen und der Boden hatte Löcher." Zustände, die sich die Deutsche zuvor nicht hätte träumen lassen. &bdquo;Die Kinder müssen dort eigene Plastikstühle mitbringen, sonst sitzen sie auf dem Boden." Die einstöckigen Schulgebäude, die seit den 50er Jahren nicht nennenswert renoviert worden sind, waren in schlechtem Zustand. Ein vor Jahren auf Initiative der Regierung begonnener Schulneubau war nicht fertiggestellt worden, die zurückgebliebenen Bauruinen mit Buschwerk bewachsen. Auf blanken Steinen wurde das Schulessen zubereitet. Die Besucherin beschloss, ihre prädestinierte Stellung als Europäerin zu nutzen, um dem armen Dorf zu helfen. Lehrer George Ekyem beschrieb als eines der drängendsten Probleme die fehlenden Sitzmöglichkeiten. Von den rund 500 Schülern haben fast 300 keinen Platz. Zurück in Steinhagen begann Christa Amelung Geld aufzutreiben. &bdquo;Am Anfang habe ich ohne offizielle Spenden im Bekanntenkreis gesammelt", bis Ende des Jahres trieb sie so rund 1.300 Euro auf, genug für 65 Lernplätze. Der Tischler im Dorf besorgte Holz, stellte die Bänke her und lieferte sie direkt aus. Zur Armut verdammt Noch im selben Jahr lernte sie Heike Kunter kennen, die mit dem Team vom Steinhagener Bürgerkomitee für Entwicklungszusammenarbeit schon lange in Westafrika aktiv ist und sich dort ebenfalls für Schulen einsetzt. 2020 reiste Amelung erneut nach Ghana und ermöglichte weitere Schulbänke, lies aber auch neue Tafeln herstellen. Jetzt zusätzlich mit Geld des Bürgerkomitees. &bdquo;Es gibt noch viel zu tun im Dorf", sagt sie. &bdquo;Zum Beispiel ist die Situation der Witwen katastrophal." Ohne Ehemann sind ältere Frauen in der Region meist zur Armut verdammt. &bdquo;Da gab es eine Frau, die schickte ihr Kind nicht zur Schule, weil sie kein Geld für Flipflops hatte", nennt die Witwe des verstorbenen Brockhagener Hausarztes Claus Amelung einen Fall. Auch deshalb reiste sie Anfang Oktober erneut in das 30-Millionen-Einwohner-Land. Vor wenigen Tagen kehrte sie zurück. &bdquo;Wegen Corona musste ich länger darauf warten", berichtet sie. Neben einem Verwandtschaftsbesuch konnte sie erneut einiges für die Schule von Assin Akonfudi erreichen. &bdquo;Mit Unterstützung der Familie habe ich zunächst Schulmaterial eingekauft, weil es das in der Umgebung des Dorfes nicht gibt." Der Einkauf dauerte viele Stunden Ein unerwartetes Großprojekt, wie sich herausstellte. &bdquo;So ein Einkauf dauert viele Stunden. Der Händler lotste uns durch das übliche Verkehrschaos in Accra zu seinem Büro ins Zentrum, dem riesigen Makola-Market. Nun mussten die Globen, Wandkarten, Bücher, Zirkelkästen und Wanduhren erst von wer weiß woher aus verschiedenen anderen Geschäften herangeschafft werden." Dankbar für den großen Auftrag lieh der Händler den Käufern sogar seinen Lieferwagen. &bdquo;Aber wie sollten wir die Kartons den weiten Weg nach Assin Akonfudi transportieren?", zeigte sich Amelung, die so etwas noch nie gemacht hatte, ein neues Problem. Gelöst wurde es schließlich typisch westafrikanisch: &bdquo;Hier halfen die guten familiären Beziehungen. Ein Pick-up der Polizei holte uns ab. Der Fahrer fuhr sehr waghalsig und schnell, aber wir kamen heile in Assin Akonfudi an." Im Dorf wurden die Lehrmaterialien gemeinsam mit einer Geldspende übergeben. Mittlerweile sind schon 185 gespendete Schulbänke im Einsatz. Christa Amelung ist mit Ghana aber noch lange nicht fertig.

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