Steinhagener Claas-Academy surft im Steinzeitmodus

In dem Schulungszentrum in Sandforth wird die Landtechnik der Zukunft unterrichtet. Internetverbindung und Handyempfang auf dem Gelände sind allerdings von vorgestern.

Lohnunternehmer und Verpächter Henning Kienker (links) und der Leiter der Claas-Academy, Wilfried Vorhoff, ärgern sich über Funklöcher und die lahme Internetverbindung auf dem Gelände. | © Frank Jasper

Frank Jasper
24.09.2019 | 24.09.2019, 05:10

Steinhagen-Brockhagen. Wilfried Vorhoff ist zunehmend genervt. Der Leiter der Claas-Academy, in der der Landmaschinenhersteller Mitarbeiter und Kunden schult, arbeitet im digitalen Nirwana. Das Schulungszentrum an der Sandforther Straße hat nicht nur eine miserable Internetanbindung, auch die Mobilfunkabdeckung ist schlecht. Mit gerade mal 10 Megabit pro Sekunde surfen Schüler und Dozenten in der Claas-Academy in der Steinzeit. „Wir bräuchten 50 Megabit", sagt Vorhoff. Telefonieren mit dem Handy sei nur an bestimmten Stellen möglich.

Seit 2015 habe sich die Situation an dem Standort noch verschärft. „Weil wir damals das Schulungszentrum ausgebaut und seitdem mehr Teilnehmer haben. Damit ist hier natürlich auch der Datenbedarf gestiegen", erklärt Wilfried Vorhoff. Inzwischen käme es immer öfter zu Störungen im Schulungsbetrieb. „Zum Beispiel wenn Techniker Service-Systeme nutzen, die heute online basiert funktionieren", erläutert der Academy-Leiter.

Lohnunternehmer Henning Kienker hat Claas das Grundstück in Sandforth verpachtet und kennt die Probleme seines Nachbarn aus dem eigenen Berufsalltag. „Über Handy sollte man immer und überall erreichbar sein. Das ist hier aufgrund der Funklöcher schwierig." Natürlich befände man sich in einem ländlichen Gebiet. „Andererseits liegen wir hier an der direkten Verbindung von Halle nach Gütersloh", wundert sich Kienker. Trotzdem scheint Sandforth Netzbetreibern und Kommunikationsanbietern wenig attraktiv. Claas könnte in Eigenregie eine Glasfaserleitung legen lassen. Laut Vorhoff wäre dafür allerdings eine sechsstellige Investitionssumme nötig. Der Plan wurde verworfen.

Bürgermeister Klaus Besser kennt die Probleme in Sandforth, sieht die Möglichkeiten der Kommune aber begrenzt: „Es handelt sich bei der Kommunikationstechnologie anders als bei der Strom- oder Wasserversorgung um einen privatwirtschaftlichen Markt. Der Staat greift nur da ein, wo es sich wirtschaftlich nicht mehr lohnt. Wir tun darum alles, um Fördermittel für den Breitbandausbau zu beantragen und gegebenenfalls aufzustocken", sagt Besser.

Doch selbst im letzten Förderverfahren, das entlegene Bereiche mit schnellerem Internet versorgen sollte, waren die Claas-Academy und der Betrieb Kienker durchs Raster gefallen, wie Jan Christoph Dübner, Breitbandkoordinator beim Kreis Gütersloh, bedauert. Er verweist auf das aktuell laufende Förderverfahren. „Darin findet die Claas-Academy Berücksichtigung", sagt Dübner. „Und wir sind zuversichtlich, auch einen Anbieter zu finden, der die Leitungen später nutzt." Mit der dann geschaffenen Infrastruktur könne theoretisch auch ein zusätzlicher Handymast versorgt werden. Mit dem Baubeginn werde allerdings nicht vor dem Jahr 2021 gerechnet.

Kommentar

Versorgungslücke schnell schließen

Auch die Landwirtschaft wird immer vernetzter, smarter und digitaler. Kaum irgendwo kann man das so gut begutachten wie auf dem Grundstück von Lohnunternehmer Henning Kienker, wo Theorie und Praxis der Agrartechnologie so nah beieinander liegen. Dass die Bundesregierung ihr Ziel fürs schnelle Internet schon mehrmals verfehlt hat, ist im ländlichen Raum besonders bitter. Neue Technologien, die von einer gut funktionierenden digitalen Infrastruktur abhängen, werden gerade hier eine besondere Bedeutung erlangen. Nicht nur in der Landwirtschaft, auch im Bereich der Telemedizin, die große Chancen für weniger dicht besiedelte Räume birgt. Die digitale Kluft zwischen Stadt und Land muss darum rasch geschlossen werden.
Frank Jasper