Haller IT-Fachmann restauriert 86 Jahre alten Zirkuswagen-Oldtimer

Halle. Für jeden Mercedes-Liebhaber ist Heinz Schattos Garage ein kleines Paradies. Über Jahrzehnte hat der Haller Klassiker mit Stern gesammelt und wieder aufgebaut. Alles fing an mit einem gebrauchten 108er, damals noch kein Oldtimer, den er sich während seines Maschinenbau-Studiums zulegte. Heute erstrahlt die Limousine in schönstem Glanz. Danach ließ ihn das Mercedes-Virus nicht mehr los. Die neueste Anschaffung: ein 320-B-Cabrio. Vor neun Jahren hatte sich der IT-Fachmann den Mercedes Baujahr 1938 mit einigen Mängeln zugelegt. Nach fünf Jahren Restauration erstrahlt er nun in frischem, nahezu perfektem Glanz. Seinen &bdquo;Zirkuswagen“ nennt Schatto den Sechszylinder mit Typenbezeichnung W142, denn der hat eine ganz besondere Geschichte. Der vermutlich erste Besitzer des Wagens war Karl Kossmayer. Ein Name, der vor allem manch älterem Semester etwas sagt. Kossmayer verdiente sein Geld als erfolgreicher Zirkus-Artist. Mit seiner Esel-Dressur-Nummer war er in ganz Europa bekannt und unterwegs. Immer dabei: das elegante Cabrio, das seinen Wohnwagen zog. &bdquo;Eigentlich war das eine ganz einfache Nummer“, weiß Heinz Schatto: Ein widerspenstiger Esel lief durch die Manege, die Zuschauer sollten versuchen, auf ihm zu reiten – und scheiterten zuverlässig. Vor allem zwei Clowns, die Kossmayer heimlich unters Publikum gemischt hatte, sorgten dafür, dass das Zelt vor Lachen bebte. Mercedes-Cabrio aus Halle lässt jedes Herz höherschlagen Auch finanziell lohnte sich die Tier-Nummer offenbar, sodass sich der Zirkuskünstler das schon damals nicht günstige Cabrio leisten konnte. Bei den Touren quer über den Kontinent wurde es trotzdem nicht geschont und sammelte reichlich Kilometer. &bdquo;Er hat richtig was runtergerissen. Und der Wagen hat wohl immer unter Last gearbeitet“, sagt der heutige Besitzer. Der Sechszylinder läuft trotzdem noch rund und voll – dank der Vorkriegs-Wertarbeit. Heinz Schatto fand die außergewöhnliche Geschichte des Wagens nur durch einen Zufall heraus. Tatsächlich verlief die entsprechende Recherche im Sand, bis er auf einen alten Auktionskatalog stieß, in dem sein Cabrio angeboten wurde. Dank Fahrzeugnummer kann er sicher sein, dass es dasselbe ist. Hier stieß er das erste Mal auf den – falsch geschriebenen – Namen des Artisten. Ein Anruf beim &bdquo;Verband für Zirkusfreunde“ brachte ihn dann auf die Spur von Karl Kossmayer. Weitere Informationen konnte dessen Tochter beisteuern, die der Haller per E-Mail kontaktierte. Mittlerweile hat er sogar einige alte Fotos des Wagens mit seinem Vorbesitzer. Was der am 320 fand, kann Schatto gut nachvollziehen. Aus 3,4 Litern Hubraum holt der robuste Sechszylinder-Benziner 78 Pferdestärken. Aus heutiger Sicht wirklich wenig. Trotzdem fährt sich der Wagen erstaunlich unkompliziert. Dank bereits synchronisierter Gangschaltung, E-Starter und vielem mehr muss sich der moderne Fahrer kaum umgewöhnen. &bdquo;Das ist alles schon sehr ähnlich dem heutigen Motorenbau, einzig die unten liegende Nockenwelle ist besonders“, erläutert der Haller. &bdquo;Zirkuswagen“ ist ein Prunkstück der Haller Sammlung Für Heinz Schatto ist das Restaurieren seiner Preziosen fast noch wichtiger als das Fahren. &bdquo;In der IT-Branche habe ich viele Calls und Termine. Die Arbeit hier schafft mir einen Ausgleich. Da muss man zur Ruhe kommen, sich Zeit nehmen“, sagt der 65-Jährige. Das sei natürlich auch ein Lernprozess. &bdquo;Wenn man es nicht richtig macht, macht man es zwei Mal.“ Die Technik habe er sich im Prinzip autodidaktisch angeeignet, auch wenn das Maschinenbau-Studium ihm einiges Grundlegendes vermittelt habe. Unsere schönsten Blechgeschichten: Besondere Autos aus dem Altkreis Halle Als ihm der Wagen durch Zufall bei einem süddeutschen Händler über den Weg lief, hatte der Mercedes-Fan nicht damit gerechnet, fünf Jahre Arbeit investieren zu müssen. Im Wiederaufbau machen die mehr als 80 Jahre dann eben doch einen echten Unterschied. So besteht die Unterkonstruktion des 320 in großen Teilen aus Holz, die Bleche werden festgenagelt. Vor allem die Teilesuche sei bei so einem alten Wagen eine Sisyphos-Aufgabe, sagt der Schrauber. Das viel gelobte Mercedes-Benz Classic Center sei da keine echte Hilfe, stattdessen gebe es wenige Enthusiasten, die noch Teile vorrätig hielten. Oft müsse man das Benötigte indes neu anfertigen oder anfertigen lassen. Trotz der Hunderte Stunden, die im 320 und den anderen Hochglanz-Klassikern stecken, will der 65-Jährige die Oldtimer nicht in der Garage verstauben lassen. Autos sind zum Fahren da, findet er. Und beim Luxus-Cabrio gelte das umso mehr: &bdquo;Man fährt schon wegen der Fahrt los!“ Angesichts der Werte, die da bewegt werden, keine Selbstverständlichkeit. Trotzdem sind Heinz Schatto und seine Frau viel unterwegs, gerne auch auf Oldtimer-Rallyes. Bald soll es zum Beispiel nach Italien gehen, zur legendären &bdquo;Gran Premio Nuvolaria“ – wo sich Fahrzeug und Team mit einigen der imposantesten Preziosen der Welt messen werden. Aktuelle News bekommen Sie täglich über den WhatsApp-Kanal des HK

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