Nach Verkauf: Haller Chemie-Unternehmen schlägt neues Kapitel auf

Halle. Als der Pförtner den Weg gewiesen und das Tor geöffnet hat, betritt der Besucher eine eigene Welt. Der Weg führt quer über das gut 153.000 Quadratmeter große Gelände an der Kantstraße, auf dem gleich drei Unternehmen zu Hause sind: Simtra, Evonik – und seit Kurzem &bdquo;DAPIN“. Willkommen in Halles &bdquo;Chemie-Cluster“. Der Weg führt vorbei an Bürogebäuden und mächtigen Produktionshallen, die von Rohrleitungen flankiert und von Kühlaggregaten gesäumt werden. Hier wird täglich in vielen Schichten gemischt, filtriert, komprimiert und erhitzt, um Wirkstoffe zu produzieren: in erster Linie, um pharmazeutische Wirkstoffe oder fertige Arzneimittel herzustellen wie bei DAPIN oder Simtra, doch mitunter auch für Kunden aus anderen Branchen. Der Fußweg ist gestrichelt markiert und schlängelt sich über das Gelände. Nach etwa fünf Minuten taucht an dessen Ende ein Bürogebäude auf – und der Gastgeber steht dort schon zur Begrüßung auf der Treppe: Dr. Stephan Seck, Geschäftsführer bei DAPIN. Seit Dezember 2024, aber eigentlich auch seit 1999. Wie kann das sein? Viele Unternehmen am Haller Chemie-Standort tätig Nun, der gebürtige Kölner hat das Unternehmen auf seinem zumindest mit Blick auf die Eigentümer-Struktur wechselvollen Kurs jetzt schon seit mehr als 25 Jahren begleitet. 1961 nahm hier das Werk des Pharmazieherstellers Asta den Betrieb auf. Nach ersten Umstrukturierungen gehörte Asta ab 1999 zur Degussa-Hüls-Gruppe – in diesem Jahr begann auch Stephan Seck seine Laufbahn in Künsebeck. Der Standort wurde in verschiedene Unternehmen aufgespalten – unter anderem engagierte sich nun auch das Chemieunternehmen Girindus. Zur Vorgeschichte von DAPIN: Pharma-Unternehmen ist verkauft Unter dessen Regie stieg Seck also ein, ehe das Unternehmen 2008 an die japanische Central Glass verkauft wurde, 2022 an Evotec – und im vergangenen Dezember schließlich an Monacum Partners, eine Private-Equity-Gesellschaft mit Sitz in München. Nach nicht einmal zwei Jahren, also wieder eine neue Fahne vor dem Gebäude – verliert man da nicht den Überblick? &bdquo;Der Verkauf hat sich ab Mitte 2024 abgezeichnet, das waren natürlich schon aufregende Zeiten“, sagt Stephan Seck. &bdquo;Vor allem, weil der erneute Eigentümerwechsel nach relativ kurzer Zeit anstand. Aber es zeichnete sich schnell ab, dass großes Interesse an diesem Standort besteht.“ Der 57-Jährige und die rund 60-köpfige Belegschaft haben nun also einen neuen Partner, mit dem sie eine Zukunftsstrategie entwickeln. Käufer aus München legt neue Strategie für Pharmaziehersteller fest Was DAPIN kann, hat sich indes im Zuge der zahlreichen Namenswechsel nicht geändert: &bdquo;Wir sind ein sogenannter Lohnhersteller“, erklärt Stephan Seck. &bdquo;Der Kunde kommt mit genauen Vorstellungen auf uns zu und beauftragt uns zum Beispiel mit der Herstellung erster Mengen eines pharmazeutischen Wirkstoffes (API) für klinische Testphasen im Rahmen der Arzneimittelentwicklung. Und den entwickeln wir mit ihm gemeinsam.“ Zunächst erfolgt die Synthese kleinere Mengen im Labormaßstab gefolgt von der Herstellung erster kg-Mengen im Produktionsbetrieb für die klinischen Phasen I bis III. &bdquo;Solche Wirkstoffe zur Marktreife zu bringen, dauert bis zu zehn Jahre – anschließend profitieren wir dann von der Herstellung größerer Mengen – und der Kunde von unserer Kompetenz.“ 20 bis 30 Kundenprojekte pro Jahr setzt DAPIN um. Lesen Sie auch: Haller Pharmahersteller wird ausgezeichnet und schafft viele Arbeitsplätze Mit Monacum Partners wird sich die strategische Ausrichtung leicht verändern. &bdquo;Natürlich setzen wir weiter auf unsere pharmazeutischen Zwischenprodukte und API’s, aber wir wollen künftig auch verstärkt Kunden aus dem Bereich Feinchemie und Kosmetik ansprechen“, erklärt Seck. In den ersten Monaten seit der Übernahme seien die Münchener wöchentlich vor Ort gewesen, um Strategien zu besprechen und die Neuausrichtung gemeinsam mit dem Team vor Ort anzugehen. DAPIN könnte sich weiteres Wachstum in Halle vorstellen &bdquo;Grundsätzlich ist dieser Standort an der Kantstraße für Halle und die Region schon sehr attraktiv“, sagt Seck. &bdquo;Wir haben hier bei allen Unternehmen hochtechnische und attraktive Arbeitsplätze und zudem einen guten Austausch untereinander.“ Was Stephan Seck dabei zugutekommt: Er kennt viele am Standort, viele kennen ihn. Seit 2008 arbeitet der promovierte Chemiker nicht mehr im Labor. Nachdem er 15 Jahre die Produktion geleitet hat, übernimmt er seit einigen Jahren schon strategische Führungsverantwortung. &bdquo;Aber ich bin immer noch so nah dran wie möglich und will wissen, woran gerade konkret gearbeitet wird.“ Lesen Sie auch: Die Fabrik leergeräumt – Haller Betrieb geht für Fortschritt aufs Ganze Eine industrielle Insel der Glückseligkeit also mitten in der kriselnden Wirtschaft? &bdquo;Wir spüren die Probleme auch – aber unsere Kunden denken eher langfristig“, erklärt Seck. Und so ist es schon das Ziel, das Geschäft weiter auszubauen – und mit ihm womöglich auch die seit vielen Jahren relativ konstante Zahl der Mitarbeitenden. Zehn bis 15 Millionen Euro Jahresumsatz erwirtschaftet DAPIN – theoretisch wäre auf dem Gelände noch Platz für eine weitere Produktionsanlage. Doch auch DAPIN ächzt unter zunehmender Bürokratisierung des Geschäfts: &bdquo;Wir werden stark reguliert, und das ist auch gut so. Aber vor allem die mangelnde Digitalisierung macht uns zu schaffen“, erklärt Stephan Seck. &bdquo;Wir müssen immer noch viel ausdrucken und per Post verschicken.“ Vor allem Facharbeiter für Unternehmen schwer zu bekommen Und auch der Fachkräftemangel könnte DAPIN beim Wachstum zumindest etwas bremsen: &bdquo;Junge Chemiker von der Universität zu holen, gelingt uns mit Blick auf den attraktiven Standort Halle ganz gut. Aber Chemikanten und Laboranten gibt es einfach zu wenige.“ Und so wird es eine der größten Herausforderungen bei DAPIN bleiben, die komplexe Produktion rund um die Uhr am Laufen zu halten: Gearbeitet wird in drei Schichten, früh, spät und nachts. &bdquo;Die Chemie mag es nicht, wenn man sie unterbricht“, erklärt Stephan Seck die sensiblen, auf Reaktionen basierenden Produktionsprozesse.“ Das Haller Chemie-Cluster schläft also nie. 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