Der Wochenkommentar

Warum die Grundsteuer-Reform die Menschen im Altkreis Halle so aufwühlt

Die Bescheide, die Anfang 2025 in die Häuser flatterten, brachten manche unliebsame Überraschung mit sich. Dass viele Eigentümer sauer sind, ist verständlich. Mancher Vorwurf ist indes unfair.

Die im Januar versendeten Bescheide der neuen Grundsteuer sorgen weiter für intensive Debatten. | © picture alliance / Wolfgang Maria Weber

Marc Uthmann
08.03.2025 | 08.03.2025, 12:02

Keine Angst, ich werde Sie an dieser Stelle jetzt nicht mit Details zur Grundsteuerreform belästigen. Grundsteuermessbetrag, Steuermesszahl, Einheitswert oder der ominöse „Hebesatz“. Ganz ehrlich: Bis in die tiefsten Tiefen vermag ich dieses Thema selbst nicht zu durchdringen. Fest steht aber: Es bewegt die Menschen seit Wochen, bringt sie mitunter auch auf den Baum.

Meine Frau und ich haben die Daten für unser Haus vor nunmehr drei Jahren nach bestem Wissen und Gewissen ausgefüllt – und haben jetzt das Ergebnis schwarz auf weiß: Rund 40 Prozent mehr müssen wir jährlich an Grundsteuer zahlen. Da ist es nur ein schwacher Trost, dass es andere noch schlimmer getroffen hat.

Haben wir bei den Angaben womöglich Fehler gemacht, hätte sich vor Jahren ein Einspruch gegen den Bescheid gelohnt, der unseren Grundsteuermessbetrag auswies? Hätten wir wenigstens die Frist bis Ende Februar zu einem Widerspruch nutzen sollen? Wir haben den Bescheid letztlich schicksalsergeben hingenommen – mit der Vermutung, dass unser Grundstück und seine Nutzung eben zu den „Verlierern“ dieser Reform zählen.

Menschen im Altkreis Halle fühlen sich hilflos

Aber über kaum ein Thema – ausgenommen Politik – habe ich in den vergangenen Wochen auch im privaten Umfeld so viele Gespräche geführt. Einem guten Freund Artikel aus dem HK zugesandt, in denen erklärt wird, was er gegen seinen hohen Bescheid jetzt noch unternehmen könnte (nicht viel ...). Viele Menschen sind sauer – und fühlen sich vor allem hilflos.

Das mündet dann mal wieder in viel unsachliche Kritik gerade in den „sozialen“ Medien – das Ganze natürlich garniert mit Unwahrheiten. Die Kommunen machten sich mit ihren erhöhten Grundsteuern „die Taschen voll“, heißt es dann da. Man werde abkassiert. Da die Grundsteuerbescheide gemeinsam mit den Gebühren für Müll und Abwasser verschickt werden, lassen sich die versammelten Hiobsbotschaften dann prima zu einem kruden Brei zusammenrühren.

Allerdings sind die Gebühren von einer Kommune nach penibel festgelegten Regeln zu kalkulieren: Die Bürgerinnen und Bürger bezahlen über die Jahre genau den Aufwand, der für die Abwasserentsorgung und die Müllbeseitigung entsteht. Nix mit „abkassieren“. Und bei der Grundsteuer hat zum Beispiel die Stadt Versmold den Hebesatz – da ist der verbotene Begriff ja doch – zwar kräftig erhöht. Aber nur, um nach der Reform genau die gleichen Steuereinnahmen zu erzielen wie vorher. Was die Verwaltung anschließend auch vorrechnete. Auch hier nix mit Taschen vollmachen also.

Widersprüchliche Steuerbescheide untergraben Glaubwürdigkeit

Vom Charakter des Grundstücks, dem Alter der Immobilie und der Nutzung der gesamten Fläche hängt die Steuerbelastung ab. - © dpa
Vom Charakter des Grundstücks, dem Alter der Immobilie und der Nutzung der gesamten Fläche hängt die Steuerbelastung ab. (© dpa)

Das Problem liegt aus meiner Sicht mal wieder woanders: bei der Kommunikation. Vor einigen Tagen habe ich ausführlich mit einer Leserin telefoniert, die mit dem Thema Grundsteuer als mehrfache Immobilienbesitzerin intensiv zu tun hatte – und stellvertretend auf den Schlamassel hinwies, den wir uns mit einer zu ausufernden Bürokratie mal wieder eingebrockt haben: Niemand versteht sie mehr.

Wie soll man einem Nicht-Verwaltungs-Ass erklären, dass Bad Rothenfelde in Niedersachsen einen Hebesatz von 360 ansetzt, das direkt angrenzende Versmold aber 685. Natürlich gibt es da in der Länderfinanzierung liegende Ursachen und sicher auch nachvollziehbare Mechanismen – aber zwei Grenznachbarn dürften hier nur mit dem Kopf schütteln.

Und wie kann es sein, dass ein Wohnungseigentümer für zwei exakt gleich große Wohnungen im selben Haus die gleichen Angaben macht – und dann zwei unterschiedliche Grundsteuermessbeträge erhält. „Als Nächstes sind doch die Mieter sauer. Wenn ich den Aufwand umlege, sie unterschiedlich viel zahlen müssen und darüber sprechen“, sagt die Frau.

Nur minimal falsche Angaben können sehr teuer werden

Wenn man in den Angaben zur Grundsteuer nur minimal falsche Angaben macht, etwa das Baujahr drei Jahre zu früh ansetzt, kann das beim Steuerbescheid enorme Auswirkungen haben. „Und auf der anderen Seite bekomme ich für sechs Stellplätze sechs Bescheide für ein Jahr – über je 18 Cent“, berichtet die Eigentümerin.

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Nehmt es hin, protestieren könnt ihr eh kaum, das komme derzeit bei vielen Menschen an. Meine Gesprächspartnerin bekam auf ihren Widerspruch hin nach drei Jahren vor Kurzem jedenfalls Post. Inhalt: Das Schreiben sei eingegangen ...

Fest steht schon heute: Diese Reform wird weitere Auswirkungen haben. Wenn Grundstücke plötzlich mehr wert sind, werden in vielen Fällen irgendwann auch höhere Erbschaftssteuern zu berappen sein. Fazit der Immobilieneigentümerin: „Das ist alles so halbgar.“

Ziel der Steuerreform ist es, mehr Gerechtigkeit zu schaffen

In der Komplexität dieses Verfahrens ist ihr da nur beizupflichten. Das Schlimme: Mittlerweile weiß kaum noch jemand auf der Straße, warum es diese Reform überhaupt gibt. Tatsächlich soll sie zu mehr Gerechtigkeit führen. Das Bundesverfassungsgericht hatte entschieden, dass die bisherige Form der Berechnung nicht mehr zulässig war. Weil sie auf jahrzehntealten Grundstückswerten beruhte – und diese „Einheitswerte“ haben sich von den tatsächlichen Werten der Immobilien entkoppelt. Was zu ungerechten Steuerbelastungen führte.

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Man könnte also auch sagen: Viele, die bisher zu wenig Steuern bezahlten, werden jetzt fairer belastet – und müssen ja nicht einmal rückwirkend nachzahlen. Obwohl sie nach dieser Lesart bisher ja profitiert hätten. Und andere zahlen künftig sogar weniger. Über diese Aspekte der Grundsteuerreform redet aber niemand mehr – weil sie so komplex und undurchsichtig umgesetzt wurde, wie es zur bürokratischen Verfasstheit unseres Landes derzeit bestens passt.

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