Sargträger in Halle gesucht: Hinter den Kulissen von Beerdigungen

Halle. Auf den letzten Metern sind sie den Verstorbenen am nächsten: Mit respektvoller Ruhe geleiten die Sargträger die Toten zum Grab, um sie dann in die dunkle Erde hinabzulassen. &bdquo;Wir haben einen wesentlichen Anteil an einer würdevollen Bestattung“, hält Lothar Breiter fest. &bdquo;Es muss alles ruhig ablaufen. Keine Hektik!“ Das sei das Wichtigste in diesem Ehrenamt, das er selbst seit fast zwölf Jahren am evangelischen Friedhof in Halle ausübt. Der Haller koordiniert die Sargträger, die bei jeder Erdbestattung zu sechst antreten. Auch wenn der Anteil an Erdbestattungen gar nicht mehr so groß ist - viele entscheiden sich für Urnen - kommen die Helfer regelmäßig zum Einsatz. In den kälteren Monaten - November, Dezember, Januar - werden sie am häufigsten gebraucht. Im Dezember 2024 unterstützten die Sargträger beispielsweise zehn Beerdigungen. Aktuell hofft das Team auf Verstärkung - was nicht so einfach ist, denn das hohe Maß an Flexibilität ist vor allem für Berufstätige in der Regel nicht leistbar. &bdquo;Sterbefälle sind nicht planbar“, sagt Lothar Breiter. Wenn er von der Kirchengemeinde über eine Bestattung informiert wird, kontaktiert er die weiteren Träger. Diese treffen sich am Beerdigungstermin in einem gesonderten Raum an der Kapelle und besprechen kurz, ob es Besonderheiten im Ablauf gibt: Wird das Gesteck vom Sarg genommen? Hält der Pfarrer eine Rede am Grab? ... Details, auf die sich die Helfer einstellen. Schwarzer Mantel und Zylinder sind für Sargträger in Halle Pflicht Wenn die Zeremonie in der Kapelle beendet ist, stellen sich die Sargträger auf und warten hinter den Kulissen auf ihr Zeichen. Der Sarg wird dann auf einem Rollwagen zum Grab gebracht. Dabei passen sich die Helfer dem Tempo der Trauernden an - &bdquo;schließlich sollen auch die Älteren mit Rollatoren mithalten können“. Auch wenn es keine Möglichkeit gibt, das Herablassen des Sargs vorher zu üben, dürfen während der Bestattung keine Fehler passieren. Auf jeder Seite des Sargs stehen jeweils drei Helfer, die die Seile, auf denen der Sarg liegt, führen. So gleichmäßig wie möglich wird damit der Sarg in das Erdloch hinabgelassen, nachdem die Friedhofsgärtnerin die fixierenden Stangen unter dem Sarg weggezogen hat. Die Helfer müssen sich aufeinander einstellen können. &bdquo;Zum einen damit es für die Anwesenden gut aussieht, zum anderen damit der Sarg nicht wegrutscht.“ Deshalb stehen Neulinge oft in der Mitte. &bdquo;Da kann nicht so viel passieren. Das können die äußeren Helfer ausgleichen“, erklärt Lothar Breiter. Lesen Sie auch: Kisten packen statt ausschlafen: Zwei junge Haller (18) helfen Bedürftigen Nach einer gemeinsamen Verbeugung vor dem Grab kehren die Helfer samt Rollwagen zurück zur Kapelle - wo sie ihre schwarzen Mäntel und Zylinder wieder ablegen können. Einheitliche Kleidung ist Pflicht. Der Mantel wird gestellt. &bdquo;Schwarze Hose, schwarze Schuhe, weißes Hemd und die Krawatte organisieren wir selbst. Manche haben auch einen Zylinder - aber es gibt auch welche zum Leihen.“ Langjähriger Haller Sargträger hatte Respekt vor der Aufgabe Die weißen Handschuhe gibt es vom Bestatter jedes Mal neu. &bdquo;Die werden bei den Einsätzen oft schmutzig und werden darum später weggeworfen. Früher hat man die mit ins Grab gelegt - heute nicht mehr. Der Akt soll nicht als Entsorgung im Grab missverstanden werden“, erläutert Lothar Breiter. Denn der Respekt vor den Toten hat oberste Priorität. Aber auch der Umgang mit den Hinterbliebenen spielt eine Rolle: Eine weitere wichtige Voraussetzung sei Diskretion, findet Lothar Breiter: &bdquo;Wir hören so einiges auf dem Weg zum Grab.“ Menschen seien sehr unterschiedlich in solchen Situationen. &bdquo;Es geht vom herzzerreißenden Schluchzen bis hin zu freudigen Unterhaltungen. Man sollte so etwas später nicht herumerzählen - und sich auch auf keinen Fall darüber lustig machen.“ Aktuelle News bekommen Sie täglich über den WhatsApp-Kanal des HK Zudem müsse man sich darüber Gedanken machen, ob man selbst in der Lage sei, diese Erfahrungen zu verarbeiten, rät Lothar Breiter. Auch er habe damals Respekt vor der Aufgabe gehabt. Als der ehemalige Bautechniker, der mehr als 50 Jahre bei der Kreis-Wohnstätten-Genossenschaft (KWG) gearbeitet hat, in den Ruhestand ging, überzeugte ihn ein Nachbar, sich an dem Ehrenamt zu beteiligen. Psychische und körperliche Stärke gehören zu den Voraussetzungen Anfangs hatte er Bedenken, ob er mit solchen Situationen umgehen kann. &bdquo;Man muss völlig abschalten und darf es sich nicht zu nahe gehen lassen. Sonst kommt man nicht davon los. Aber bislang hat es ganz gut geklappt. Und ich mache das eigentlich auch ganz gerne.“ Für den fast 76-Jährigen, der durch seine frühere Arbeit und durch seine Mitgliedschaft im Radsport-Verein RC Teuto zahlreiche Haller kennt, ist das Amt schon häufiger eine Möglichkeit gewesen, sich von verstorbenen Bekannten in dieser besonderen Weise zu verabschieden. &bdquo;Gerade bei Menschen im hohen Alter komme ich damit zurecht. Ich weiß, der Mensch hat sein Leben gelebt und der Tod gehört am Ende dazu.“ Eine Beisetzung für einen jungen Menschen hat er noch nicht begleitet. &bdquo;Das stelle ich mir schwierig vor. Es würde mir nahegehen. Da hat man sicher dran zu knacken.“ Neben der psychischen Stärke müssen auch körperliche Voraussetzungen erfüllt werden, um den Leichnam und den Sarg sicher tragen zu können. &bdquo;Da kommen schon mal 100 oder 120 Kilo zusammen.“ Auch wenn sich das Gewicht auf sechs Leute verteilt, sollte man die Aufgabe nicht unterschätzen. Zudem müsse man trittsicher sein. An engen Grabstellen kann es mit wenig Platz und schwerem Gewicht auch mal kniffelig werden. Wer sich fit genug für diese Aufgabe hält, kann sich bei der evangelischen Kirchengemeinde melden, um Beerdigungen - unabhängig von der Konfession - begleiten zu können. Eine Altersbeschränkung gibt es nicht. Obwohl es in Halle noch nie eine weibliche Sargträgerin gab, ist auch das nicht ausgeschlossen, bestätigt Lothar Breiter. Kontakt und mehr Informationen über das Sargträger-Ehrenamt Bei Interesse vermittelt Jana Eisenstein-Schlote unter (05201) 30 86 oder jana.eisenstein-schlote@ekvw.de. Zudem gibt sie weitere Informationen zu Themen wie Arbeitsbekleidung und Vergütung. Lesen Sie auch: Mehr Geld fürs Ehrenamt: Helfer erzählen, warum das für sie kein Anreiz ist

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