
Der Versmolder Unternehmer Oliver Risken, der den Konzern Heristo lenkt, durfte mit der Premiere seines „Zukunftsdialoges Mittelstand“ im Alando Ballhaus durchaus zufrieden sein: erlesene Atmosphäre, hochkarätige Gäste, zahlreiche Entscheider aus der Wirtschaft und geballte Prominenz auf der Bühne.
Wer bei diesem Empfang dabei war, bekam einen ungefilterten Einblick in die Welt der Bosse. Auf dem Podium moderierte TV-Talkshow-Star Markus Lanz ein Gespräch zwischen dem ehemaligen Vizekanzler und heutigen Heristo-Aufsichtsrat Sigmar Gabriel sowie dem früheren Aufsichtsratsvorsitzenden von Heristo, Norbert Winkeljohann. Letzterer, von Haus aus Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, hatte schon viele Aufsichtsratsposten inne, war unter anderem Chefkontrolleur bei Bayer. Ein Mann, der die Arbeitgeber-Seite sozusagen verkörpert.
Und so war das Setting an diesem Abend klar: Wie denken die Unternehmer über die aktuelle Krise, welche Maßnahmen wünschen sie sich, wie beurteilen sie die Perspektiven für die Zukunft? Darüber sollte diskutiert werden, auf der Bühne und anschließend auch bei Häppchen.
42-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich?
Winkeljohann hatte sich nach dem hochkarätigen und sprachlich erlesenen Vortrag Gabriels zum Auftakt wohl vorgenommen, den Gästen - unter ihnen viele heimische Unternehmer aus Versmold, Halle oder Borgholzhausen - gleich mal ein Knallbonbon zu servieren: „Wir brauchen drastische Maßnahmen“, haute er raus. „Die Rückkehr zur 42-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich, und kurzfristige Krankmeldungen sollten auf das Urlaubskonto angerechnet werden.“
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Dass diese Aussage selbst für ein „Heimspiel“ eine ziemlich steile These war, zeigte sich schnell. Kurze erstaunte Stille im Saal, nur ein paar zögerliche Klatscher, hier und da ein Raunen. Letztlich eine wohltuende Reaktion, beweist sie doch, dass sich mit plumper Polemik keine Probleme lösen lassen - das haben auch vermeintlich knallharte Manager längst realisiert. Sigmar Gabriel beließ es dabei, dass Arbeitsbedingungen doch Sache der Tarifpartner seien, fortan wurde konstruktiver diskutiert.
Doch welche Botschaft verbirgt sich eigentlich hinter einer solchen Aussage Winkeljohanns? Man muss sie in zwei Teile aufspalten. Die erste lautet: Wir müssen alle mehr arbeiten, um unsere Ziele zu erreichen, weil wir unter den aktuellen Rahmenbedingungen nicht produktiv genug sind. Darüber kann man tatsächlich diskutieren. Dass der Vorschlag des Managers indes mit effektiver Lohnkürzung verbunden wäre, lässt sich wohl keinem Beschäftigten plausibel vermitteln - es sei denn, sein Arbeitgeber steckt in massiven Schwierigkeiten.
Wind in der Debatte um Arbeitszeiten hat sich etwas gedreht
Allerdings: Nachdem monatelang über die Einführung der Vier-Tage-Woche diskutiert und sie teilweise auch eingeführt wurde, damit Unternehmen attraktiver für Arbeitnehmer sind, scheint sich der Wind aktuell wieder ein wenig zu drehen. Wenn es um den Wohlstand und auch das gesicherte Einkommen geht, müssen zumindest in bestimmten Branchen andere Rezepte her. Diese allerdings per Holzhammer zu verordnen, löst unsere Probleme nicht und würde nur das Klima vergiften. Wie gut, dass so etwas angesichts der Tarifautonomie auch nicht möglich ist.
Der zweite Teil von Winkeljohanns Aussage sollte allerdings weit bedenklicher stimmen: Krankmeldungen vom Urlaub abzuziehen unterstellt, dass in unserem Land fleißig blaugemacht wird und die Menschen sich nicht mehr anstrengen wollen. Eine ziemlich freche Unterstellung, der man das Buhlen um billigen Applaus attestieren könnte.
Erfreulicherweise hatte der Abend viel Konstruktiveres zu bieten. Denn die heimischen Unternehmer treiben andere Fragen um: Wie bauen wir unsere überbordende Bürokratie ab, wie geben wir unseren Ideen und unserem Mut zu neuen Projekten endlich den nötigen Raum? Und wie schaffen wir die richtigen Rahmenbedingungen für unsere starken Branchen? Denn, und auch das wurde an diesem Abend deutlich: Die Bosse selbst wollen gar nicht unbedingt in das allgemeine Wehklagen einstimmen, sie glauben an das Potenzial und die Innovationskraft unserer Wirtschaft. Polemik hätte es da gar nicht gebraucht - allenfalls, um die Sinne zu schärfen.