Zehn Jahre Ravenna-Park in Halle: So hat Walbusch die Entwicklung geprägt

Herr Busch, bevor Gerhard Weber und sein Team vor zehn Jahren die ersten Spatenstiche für das Logistikzentrum und das Outlet im Ravenna-Park tätigten, waren sie bei Ihnen in Solingen zum Austausch. Waren Sie damals beeindruckt von den Plänen der Haller, die ein Logistikzentrum in diesen Dimensionen bauen wollten, eher skeptisch oder interessiert? CHRISTIAN BUSCH: Bei unserem ersten Kontakt diente das Walbusch-Hängewarenlager als Referenz für die Pläne im Ravenna-Park, denn unser Lager an unserem Hauptstandort in Solingen war das erste automatische Hängelager des Anlagenbauers dieser Art in Europa. Über die Pläne von Gerhard Weber habe ich mir keine Gedanken gemacht. Seinen Ansporn konnte ich indes gut nachvollziehen: Er wollte in einer engen Taktung von wechselnden Farb- und Themenkapseln die richtige Ware zum richtigen Zeitpunkt in der Filiale haben. Das erschien sehr sinnvoll. Wie haben Sie die Investitionen im Ravenna-Park im Laufe der nächsten Jahre verfolgt? Zum einen von Gerry Weber, obendrein aber auch von anderen Schwergewichten wie Eriks, Eggersmann, Keppel & Kompagnon oder Brockmeyer? Ich wurde erst wieder auf den Ravenna-Park aufmerksam, als ich in einer Logistik-Zeitung von dem fehlenden Kaufinteresse für die Immobilien von Gerry Weber las. Aufgrund der Tatsache, dass das Projekt vom Logistikberater Fortna und vom Architekturbüro agn betreut wurde, also von den Partnern, mit denen auch wir schon erfolgreich zusammengearbeitet hatten, wurde ich hellhörig und habe mich näher mit dem Objekt beschäftigt. Wie lange haben Sie überlegt, gerechnet und abgewogen, bis Sie schließlich 2021 das Logistikzentrum und das Outlet von der insolventen Gerry Weber International AG übernommen haben? Der Aufwand war gering. Beim Zustand der Immobilie habe ich mich im Telefonat auf die Einschätzung des zuständigen Partners bei agn verlassen. Unsere langjährige Zusammenarbeit war immer stark von Vertrauen geprägt. Etwas länger, aber letztlich auch zügig verlief die Bewertung der Logistik. Unser Ansprechpartner bei Fortna, der uns schon Jahrzehnte betreute, war auch für die Planung der Anlage von Gerry Weber verantwortlich. Er kannte unsere Anforderungen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass der Umbau der Anlage dann doch nicht so einfach verlief wie ursprünglich gedacht. Wie ging es dann weiter? Die nächste Herausforderung bestand darin, einen verhandlungsbereiten Ansprechpartner zu finden. Das dauerte knapp zwölf Monate. Der Grund dafür ist mir erst später klar geworden: Eine Auflage aus der Insolvenz lautete, die Immobilie zu verkaufen. Gerry Weber hatte wahrscheinlich die Befürchtung, die Immobilie räumen zu müssen. Das wollte man gegebenenfalls noch etwas hinauszögern - bekanntermaßen konnte Gerry Weber als unser Kunde die Logistik auch über den Verkauf hinaus die Immobilie nutzen. Mit einem neuen Vorstand kam dann Bewegung in die Angelegenheit. Neben Monolabel-Firmen wie Esprit oder Gerry Weber sind auch Einzelhandelsketten wie Peek & Cloppenburg und Galeria Karstadt Kaufhof in finanzieller Schieflage. Wie beschreiben Sie die Situation bei Walbusch? Die Situation ist allgemein angespannt und hat sich wirtschaftlich und gesellschaftlich in den vergangenen zwei Jahren auch nicht verbessert. Im Gegenteil: In der Ukraine herrscht immer noch Krieg. Die Situation im Nahen Osten eskaliert weiter. Die Inflation steigt nicht mehr so stark wie in den vergangenen zwei Jahren, aber die Konsumstimmung, insbesondere bei Schuhen und Textilien, ist weiterhin mau. Uns kommt dabei das jahrzehntelange Bekenntnis zur Eigenfinanzierung zugute. Die Situation bleibt angespannt. Können Sie das weiter konkretisieren? Nun, neben der Kaufzurückhaltung gibt es aktuell sehr viele Veränderungen bei den gewohnten Vertriebsformen. Sinkende Auflagen von Zeitschriften und Zeitungen zum Beispiel sind für uns ein echtes Problem, da wir diesen Kanal nutzen, um neue Kunden für uns zu begeistern. Es ließen sich viele weitere strukturelle Veränderungen ergänzen, die nicht nur uns, sondern auch viele andere Händler bereits heute vor große Herausforderungen stellen. Die gute Nachricht für uns: Ich glaube weiterhin an den Bedarf für Kleidung. Und obwohl Sie die Situation grundsätzlich als angespannt beschreiben, investieren Sie allein am Standort in Halle in Millionenhöhe, haben die Dachflächen mit Solartechnik ausgestattet, bauen Ladesäulen für E-Autos und denken perspektivisch über Windkraft auf dem Grundstück nach sowie über grünen Wasserstoff ... Ja, genau. Wobei wir uns in Halle aktuell besonders auf den Umbau der Logistik konzentrieren, der nun begonnen hat – und das Projekt wird uns auch die nächsten Monate intensiv beschäftigen. Daneben fokussieren wir uns auf unsere Kunden und den Markt. Wie sehen Sie denn die Zukunft der Modebranche, und welche Rolle spielt Nachhaltigkeit dabei aus Ihrer Sicht? Ich kann mir aktuell keine Welt ohne Textilien und Bekleidung vorstellen. Aber wir erleben auch starke Veränderungen – am Ende gibt es keine großen Unterschiede mehr zwischen Kleidung für den Beruf und für die Freizeit, um nur ein Beispiel zu nennen. In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Tragedauer von Textilien halbiert. Oft wird Bekleidung zum Wegwerfartikel – gefördert durch Fast-Fashion- und Ultra-Fast-Fashion-Anbieter wie Shein und Temu. Neben einer nachhaltigen Lieferkette – vom Rohstoff über die Fertigung bis zur Lieferung – haben wir als Konsumenten den größten Einfluss. Nachhaltig ist, wenn ein Kleidungsstück lange getragen wird, davon sind wir überzeugt – deshalb gibt Walbusch auf alle Textilien auch eine Fünf-Jahres-Garantie. Wie reagieren Ihre Kunden denn auf Ihre nachhaltigen Initiativen - honorieren sie die? Und welchen Stellenwert hat Nachhaltigkeit in der Markenwahrnehmung? Vermeintlich ist die Nachhaltigkeit für uns alle ein wichtiges Thema. Manchmal habe ich aber den Eindruck, dass sich zwischen der Absicht und dem Verhalten eine Lücke auftut. Nachhaltigkeit hat an vielen Stellen in unserem Leben etwas mit Kosten und Preis zu tun. Sicher stellt sich auch die Frage, ob sich jeder nachhaltige Produkte leisten kann. Aber am Ende ist es auch die Frage, ob nicht jeder von uns weniger konsumieren müsste, um dann nachhaltigere Produkte zu kaufen. Oh, das sagen Sie als Modeunternehmer? Stimmt. Das ist eine Aussage, die ich als Händler eigentlich gar nicht machen dürfte. Welche Botschaft möchten Sie anderen Unternehmen in der Branche vermitteln, die ebenfalls nachhaltiger agieren möchten, aber vielleicht noch zögern? Das steht mir nicht zu. In meinem Studium hatte ich das Fach Wirtschafts- und Unternehmensethik belegt und das Glück, dort Professor Homann kennenzulernen. Er vertrat damals die Auffassung, dass zunächst einmal die Gesellschaft den Rahmen für gemeinsame Regeln aufspannen muss. Anstrengungen darüber hinaus sind nur sinnvoll, wenn die Kunden bereit sind, dies zu honorieren. Dem Gedanken kann ich absolut folgen – deshalb konzentrieren wir uns auf die Anforderungen unserer Kunden. Ich gebe zu, das Thema PV und Elektromobilität ist ein Thema von mir, darum hat uns kein Kunde gebeten. Aber als Unternehmen sind wir ja auch ein Teil der Gesellschaft und leisten unseren Beitrag.

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