Man könnte natürlich zynisch argumentieren. Seitdem Walbusch das Logistikzentrum im Ravenna-Park und das zugehörige Outlet übernommen hat - und spätestens, seit sich das Aus des Modekonzerns Gerry Weber abzeichnete -, arbeitet das Solinger Unternehmen an Perspektiven für beide Betriebe.
Schon seit Monaten war klar, dass Walbusch neue Marken akquirieren will, um die Lücke zu füllen, die Gerry Weber hinterlässt. Und es waren auch vorher schon andere Marken in eben jenem Outlet vertreten. Nur eben in begrenztem Umfang.
Also warum erfolgt der Aufschrei der Haller Kaufleute so spät? Erst in dem Moment, als das Faktische, das sich längt in neuen Markenschildern am Outlet-Eingang manifestiert, durch einen neuen Bebauungsplan auch formal legitimiert werden soll. Jetzt richtet die Haller Interessen- und Werbegemeinschaft (HIW) emotionale Appelle an Politik und Verwaltung. Hätte Sie da nicht mal früher anfangen sollen?
Pläne treffen Halles Handel in extrem sensibler Phase
Wie gesagt: zynisch. Denn dieser neue Bebauungsplan markiert natürlich einen weiteren Meilenstein auf dem Weg in eine neue Welt des Haller Handels. Und dass ein traditionsreiches Modeunternehmen wie Walbusch sein Outlet stärkt und weitere Nachfrage anziehen will, erwischt die Haller Händler in einer extrem sensiblen Phase.
Sie kämpfen mit der Dauerbaustelle Innenstadt vor der Tür ohnehin gerade um jeden Kunden. Es wurde eigens ein Härtefallfonds für die Kaufleute eingerichtet - manche bekunden offen, in ihrer Existenz bedroht zu sein. Und dann erwächst da womöglich vor den Toren der Stadt in Künsebeck mit perfektem Autobahnanschluss ein noch stärkerer Konkurrent als bisher? Es ist absolut nachvollziehbar, dass die HIW die Bühne einer politischen Beratung nutzt, um auf eine aus ihrer Sicht prekäre Lage hinzuweisen. Der Frust, der aus dem Statement des Vorsitzenden Statement schimmerte, die markigen Worte des Untergangs, die er bemühte, sind ihm nachzusehen.
Neue Marken im Outlet Ravenna-Park: Händler aus Halle sind sauer
Die Politik betonte dann auch brav ihr Verständnis, blieb aber inhaltlich recht kühl. Und auch das ist absolut nachvollziehbar. Denn letztlich muss hier höchst sachlich abgewogen werden, was das Beste für den Wirtschaftsstandort Halle ist. Das ist knifflig genug - auch ohne Emotionen.
Outlet und Logistikzentrum in Halle zum Erfolg verdammt
Mit dem Logistikzentrum und dem angrenzenden Outlet sind vor Jahren mächtige Bauten mit Symbolwirkung in Halle entstanden. Nach dem „Parkplatzdesaster“ - der Stein gewordenen Verschwendung von wertvollem Boden - ist der Komplex jetzt insgesamt noch mehr als ohnehin zum Erfolg verdammt.
Outlet und Logistikzentrum müssen funktionieren - Leerstände im Outlet oder ein Dahinvegetieren des gesamten Komplexes wären Gift für den Wirtschaftsstandort Halle. Was Walbusch will, ist wirtschaftlich nachvollziehbar und wird obendrein vom Handelsexperten Jörg Lehnerdt von der BBE bestätigt: Bliebe die Kopplung zum Logistikzentrum bindend, entzöge das dem Outlet die Grundlage. Immerhin sind durch das Aus von Gerry Weber ja auch einige Marken verschwunden.
Hintergrund: So geht es im Haller Outlet Ravenna-Park ohne Gerry Weber weiter
Und ja, auch hier werden Umsätze generiert und Arbeitsplätze geschaffen. Um dem Outlet auch in Zukunft eine wirtschaftliche Perspektive zu verschaffen, setzt Walbusch auf Abwechslung und überschaubare Flächen für einzelne Marken. Soll die Politik das Modeunternehmen zum Misserfolg verdammen? Jenes Unternehmen übrigens, das so mutig war, Logistikzentrum und Outlet zu übernehmen. Mindestens schwierig.
Stadt Halle darf Haller Kaufleute nicht aus dem Blick verlieren
Stadtverwaltung und Politik müssen in dieser Frage einen übergeordneten Blick auf Halle werfen, von oben. Was sie dabei tunlichst unterlassen sollten: ihre Kaufleute aus dem Blick zu verlieren. Denn denen haben sie mit der Megabaustelle Innenstadt gerade eine Herkulesaufgabe vor die Tür gesetzt. Und ehe die Händler die blühenden Landschaften in Halles Zentrum genießen können, müssen sie bis zu deren Entstehen erst einmal durchhalten. Das ist das größte Problem für Halles inhabergeführten Einzelhandel. Und hier hat er jede Kampagne, jeden Fonds, jede Unterstützung verdient.
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