Der Wochenkommentar

Roboter servieren in Halle - nützliche Helfer oder Bedrohung von morgen?

Noch ist es spektakulär, in ein paar Jahren womöglich Alltag: In einem Restaurant bringt jetzt ein Roboter das Essen an den Tisch. Sollen wir darüber jubeln oder uns vor der Zukunft gruseln?

Roboter "Robert" serviert in der Kantine das Essen und transportiert Teller und Besteck in die Küche. | © Uwe Pollmeier

Marc Uthmann
21.09.2024 | 21.09.2024, 09:05

Robert hat Augen, aber keine Stimme, denn die haben die Betreiber des Restaurants „Kantine“ im Haller Gewerbegebiet Ravenna-Park ausgestellt. So weit soll es mit der Menschlichkeit dann doch nicht gehen. Bloß nicht noch mehr Ängste wecken, als es mit Blick auf eine sich rasant verändernde Welt und ungeahnte technologische Entwicklungen in der Zukunft ohnehin schon gibt.

Also rollt Robert mit freundlichem Robotergesicht heran, nur, um dann die Speisekarte auf seinem Display zu zeigen. Später wird er abräumen - eine dienstbare Maschine, die dort gleitet, wo früher Mitarbeitende laufen mussten. Was sollen wir jetzt davon halten?

Roboter üben auf die Menschen schon seit Jahrzehnten eine besondere Faszination aus. Einst als so wilde wie prophetische Hirngespinste von „Mensch-Maschinen“ durch große Denker und Philosophen ersonnen, leisten sie zum Beispiel in der Automobilindustrie bereits viele Jahre wichtige Dienste. „Wir sind die Roboter ...“ textete schon 1978 die legendäre Band Kraftwerk. Und weiter: „Wir laden unsere Batterie. Jetzt sind wir voller Energie.“ Das klang damals nach Science-Fiction - vor allem aber unglaublich cool.

Roboter erobern zunehmend mehr Lebensbereiche

Doch diese Zukunft, von der Kraftwerk sangen, sie scheint bereits in unserem Leben angekommen - mit all den positiven und negativen Gefühlen, die technische Revolutionen nun mal so mit sich bringen. Mittlerweile erobern Roboter zunehmend Lebensbereiche, in denen wir uns das vor wenigen Jahren überhaupt nicht hätten vorstellen können. Die Gastronomie zum Beispiel, oder die Pflege.

Aber schaffen wir uns damit nicht selbst ab? Fehlen künftig an wichtiger Stelle in unserem Leben menschliche Zutaten wie Empathie und zugewandte Kommunikation? Bedrohen diese dienstbaren Helfer - nie müde, nie im Streik - nicht bald unsere Arbeitsplätze? Und schließlich: Was ist, wenn aus den dienstbaren Geistern mit Hilfe Künstlicher Intelligenz irgendwann unkontrollierbare Maschinen werden, die uns bedrohen? Womit wir beim düsteren Science-Fiction-Szenario heutiger Tage wären.

Kein Wunder, dass Roboter Robert in der Kantine in Halle zwar einerseits sehr gerne fotografiert und gefilmt wird - es aber andererseits auch Gäste gibt, die sich Sorgen darum machen, dass der rollende Kellner Menschen die Arbeit stehlen könnte. Allerdings, wenn Robert nicht rollen würde, dann liefe auch niemand anderes. Denn die heimische Gastronomie leidet wie mehrfach berichtet unter dramatischem Personalmangel - viele Läden haben deswegen aufgegeben und dichtgemacht, andere reduzieren die Öffnungstage massiv. Dann doch lieber ein Robert, der das Team entlastet und unterstützt und eben keine Arbeitsplätze stiehlt.

In der Pflege braucht es Roboter und KI - dringend

In der Pflege sind die Hoffnungen auf Roberts Kollegen noch viel größer, und zwar in verschiedensten Bereichen. Denn auch hier fehlen die Fachkräfte an allen Ecken und Enden. Roboter, die an das regelmäßige Trinken erinnern, oder die zupacken und beim Umlagern helfen - in vielen Bereichen könnten sie wertvolle Dienste leisten und zunehmend erschöpfte Menschen entlasten, die sich empathisch und mit Hingabe um Pflegebedürftige kümmern. Sie könnten auch pflegenden Angehörigen zu Hause die Arbeit erleichtern. Denn wie anstrengend deren Leben ist, hat zum Beispiel mein Kollege Uwe Pollmeier in seiner Reportage über ein Paar dokumentiert, das seine beeinträchtigten Söhne pflegt und selbst in die Jahre kommt.

Hier kommt auch die Künstliche Intelligenz ins Spiel: Sie kann zum Beispiel ermittelte Daten von Patienten wie Blutdruck, Trinkmenge und Wohlbefinden automatisch in eine Datenbank transferieren - die zeit- und kraftraubende Dokumentation für die Mitarbeitenden entfällt. Die Diakonie arbeitet schon mit solchen Modellen und hofft, dass ihren Kräften dann mehr Zeit für den Menschen bleibt.

Auch Musik, Kunst und der Journalismus lassen sich bereits von der Künstlichen Intelligenz inspirieren und assistieren. Also ist jetzt endgültig die schöne neue Welt heraufgezogen, in der uns Roboter und Maschinen alle Probleme abnehmen?

Moralische Fragen sollten über allem stehen

Wenn es mal überall so einfach wäre wie bei Robert in der Kantine. Denn der hat eine klar umrissene Aufgabe, stopft eine Lücke und entlastet die Menschen. Dass technische Entwicklungen gewisse Aufgaben entbehrlich machen, muss auch nicht per se schlecht sein. Denn es bleiben für eine immer kleiner werdende Erwerbsbevölkerung immer noch genügend übrig.

Die Gefahr liegt wie so oft bei Ethik und Moral. Denn die Künstliche Intelligenz entwickelt ein immer komplexeres Eigenleben. Das ist von den Entwicklern gewollt - schließlich soll sie bahnbrechende Lösungen unserer gesellschaftlichen Probleme entwickeln: Die KI soll nicht abräumen, sie soll Mittel gegen Krebs und den Klimawandel finden. Doch was, wenn wir nicht mehr durchdringen, welche Motive und Absichten in den Tiefen der neuronalen Netze entstehen? Wenn die KI irgendwann Entscheidungen trifft und unkontrollierbar wird? Das klingt jetzt nach düsterster Science-Fiction - doch ernstzunehmende Wissenschaftler warnen genau davor.

Wir sollten keine Angst vor Robert und seinen Kollegen haben. Denn wir werden sie in Zukunft noch mehr brauchen als heute. Aber wir sollten beim Umgang mit modernen Technologie und Künstlicher Intelligenz immer auch nach der Moral fragen. Darum sind wir Menschen. Kraftwerk haben über Roboter übrigens weitergetextet: „Wir funktionieren Automatik. Jetzt wollen wir tanzen Mechanik.“ Das klingt auch heute noch schräg.