Vom Verteidigungsministerium in den Familienbetrieb: Hallerin sattelt um

Halle. Bei der Baufirma Schneider steht ein zukunftsweisender Wechsel an. Die dritte Generation ist in das am 1. April 1966 von dem kürzlich im Alter von 87 Jahren verstorbenen Horst Schneider gegründete Unternehmen eingestiegen. Während das für Herbst geplante Mitwirken von Tim Schneider (22), Sohn des Geschäftsführers Frank Schneider und dessen ebenfalls im Unternehmen tätigen Ehefrau Antje Enkemann-Schneider, zu erwarten war, ist der Einstieg von dessen Schwester Lisa Schneider eine Überraschung. &bdquo;Ich hatte das eigentlich nie vor und war einen ganz anderen Weg gegangen. Es war nie eine Option für mich, dass ich mal die Firma übernehme“, sagt die 29-Jährige. Nach dem Abitur 2012 am KGH hat Lisa Schneider acht Wochen lang auf dem Bau mitgearbeitet. Danach war für sie aber klar, dass sie eine andere Richtung einschlagen möchte. Sie studierte an den Universitäten in Münster und im niederländischen Enschede &bdquo;Public Administration and European Governance“, es folgte das Masterstudium &bdquo;Internationale Beziehungen“ in Berlin. Danach arbeitete sie unter anderem im Bundesverteidigungsministerium in der Hauptstadt und beriet öffentliche Verwaltungen zum Thema Digitalisierung. Wissen innerhalb der Familie weitergeben &bdquo;Warum sich immer nur um die Digitalisierung anderer kümmern? Komm doch zu uns“, baten sie schließlich ihre Eltern und Lisa Schneider sagte zu. Gestartet als Minijobberin grub sie sich immer tiefer in das Thema ein und steht nun vor dem Sprung zur zukünftigen Geschäftsführerin. &bdquo;Ich trage halt doch irgendwie das Unternehmer-Gen in mir“, sagt Lisa Schneider. In der öffentlichen Verwaltung könne sie dies nicht ausleben. Ihre Eltern freuen sich, denn auch wenn beide mit 60 Jahren noch nicht ans Aufhören denken, ist es beruhigend, frühzeitig das eigene Unternehmen für die Zukunft in besten Händen zu wissen. Das Team der Baufirma umfasst aktuell 20 Beschäftigte, darunter vier Auszubildende. Der Altersdurchschnitt liegt bei Mitte 30. &bdquo;Wir versuchen, den Mitarbeitern besondere Anreize zu bieten. So gibt es seit einiger Zeit einen freien Freitag pro Monat, was sehr wertgeschätzt wird“, sagt Antje Enkemann-Schneider. Familienteam ergänzt sich bestens Die zukünftige Verteilung der Aufgaben auf vier Schultern aus zwei Generationen ist optimal. &bdquo;Bei meinen Eltern haben sich Erfahrung und Wissen über Jahrzehnte angehäuft“, sagt Lisa Schneider, und ihre Mutter gibt das Lob direkt zurück: &bdquo;Lisa bringt frischen Wind rein, das ist eine tolle Mischung. Es ist auch gut, dass mal jemand von Außen kommt und Dinge auch mal hinterfragt“, sagt Antje Enkemann-Schneider. &bdquo;Ich wäre aufgeschmissen, wenn Mama in Rente geht“, stellt Lisa Schneider klar. Ihre Mutter beruhigt sie direkt. &bdquo;Ich habe das noch nicht vor, noch ist Open End. Eigentlich muss ich für meine Rente arbeiten, bis ich 66 Jahre und elf Monate alt bin“, sagt die 60-Jährige. Lisa Schneider wird ihren Hauptwohnsitz weiterhin in Wuppertal haben, wo sie mit ihrem Lebensgefährten zusammenwohnt. Sie wird jedoch an drei Tagen pro Woche in Halle sein, um vor Ort arbeiten zu können. Ihr Bruder Tim studiert aktuell noch Architektur und Immobilienmanagement in Köln. Er wird im Oktober mit in das Unternehmen einsteigen. Zukünftig soll er sich auf den gewerblichen Bereich konzentrieren, Lisa Schneider wird im Verwaltungsbereich wirken. &bdquo;Kuddel“ baute die Haller Firma aus &bdquo;Ich kann nicht alles alleine wuppen. Es ist gut, wenn wir es auf verschiedene Füße verteilen“, sagt Lisa Schneider. Sie schätze die Erfahrung ihrer Eltern aus den vergangenen 30 Jahren sehr. Diese waren Ende der 1980er Jahre in das einst als Einschaltbetrieb gegründete Unternehmen eingestiegen. Die Zimmerei lief nur nebenher, bis Zimmermeister Frank &bdquo;Kuddel“ Schneider die Sparte ebenso wie den Stahlbetonbau mit seinem Einstieg stärkte. Seit 1993 ist er geschäftsführender Gesellschafter. Bis 1972 war das Unternehmen mit drei Mitarbeitern noch am Amshausener Weg in Künsebeck ansässig, dann erfolgte der Umzug nach Gartnisch. Als der Stahlbetonbau durch immer mehr Kräfte aus Osteuropa erledigt wurde, orientierte man sich 2010 um und entwickelte das Projekt Casa Nova. &bdquo;Wir treten als Generalunternehmer auf und vereinen alle Gewerke, teils durch langjährige Geschäftspartner“, erklärt Lisa Schneider. Ein schlüsselfertiger Umbau im Bestand, wie Antje Enkemann-Schneider es beschreibt. Das Konzept Smart Addy, bei dem ein würfelförmiger Anbau von etwa drei mal fünf Metern an ein Haus angedockt wird, um beispielsweise Raum für eine pflegebedürftige Person zu schaffen, entstand zur ähnlichen Zeit. Und auch das Konzept Thermofloc, das die energetische Sanierung von Altbauten durch Verblasen von natürlichen Zellulose-Dämmstoffen in Hohlräumen beinhaltet, ist, wie Lisa Schneider sagt, &bdquo;ein Alleinstellungsmerkmal“. Zukünftig will man vor allem die Holzrahmenbauweise stärken. &bdquo;Es wird immer Wohnraum benötigt, das Baugewerbe wird es immer geben“, blickt Lisa Schneider optimistisch in die Zukunft.

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