Unverpackt-Läden kämpfen: Warme Wohnung scheint wichtiger als Biowaren

Altkreis Halle/Verl/Bielefeld. Vor einigen Jahrzehnten war es noch völlig normal, Waren im Tante-Emma-Laden um die Ecke lose und unverpackt einzukaufen. Vom Vorratsbehälter ging es auf die Waage und vor dort weiter in die Tüte – fertig war der Einkauf. Erst vor wenigen Jahren kehrte dieser Gedanke im Zuge der &bdquo;Zero-Waste-Bewegung" zurück und auf den ersten, 2014 in Kiel eröffneten verpackungsfreien Laden, folgten bundesweit mehrere hundert Geschäfte, die auf hüllenlose Lebensmittel setzten. Auch im Altkreis ist dieses Konzept mittlerweile vertreten, wenngleich der Start inmitten der Pandemie eher unter ungünstigen Rahmenbedingungen erfolgte. &bdquo;Ich habe ja nicht den Vergleich mit der Zeit vor Corona, aber man spürt sicherlich noch eine gewisse Zurückhaltung", sagt Celina Schröter, die gemeinsam mit Steffen Knauer im vergangenen Sommer den Unverpackt-Laden Erdreich in Halle eröffnete. Dies sei jedoch nicht auf die Unverpackt-Läden bezogen, sondern zeige sich ganz generell im gesamten Einzelhandel. Manchmal gibt es auch private Gründe Sie glaube weiterhin an das Konzept und setze darauf, dass die Kundinnen und Kunden aus Überzeugung kaufen, da die Vermeidung von Verpackungsmüll ihrem Lebenskonzept entspricht. &bdquo;Ich habe auch davon gehört, dass andere Läden in der Umgebung schon wieder schließen, aber man muss auch immer schauen, welche Gründe das im Einzelfall hat", sagt Schröter. Oft sei nicht das Konzept gescheitert, vielmehr sei es nicht mehr vereinbar mit dem eigenen Alltag. Private Veränderungen spielten oft die entscheidende Rolle. Dies ist auch bei Lisa Steinigans der Fall. Sie war unter den Namen &bdquo;Mir nichts, Dir nichts" seit Oktober mit ihrem Unverpackt-Mobil unter anderem auch auf den Wochenmarkt in Steinhagen unterwegs. &bdquo;Ich habe damit kürzlich aufgehört", sagt Steinigans. Sie sucht derzeit eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger, die das Konzept weiter am Leben halten könnten. Zwar sei die Nachfrage in den vergangenen Wochen weniger geworden, aber der Hauptgrund für ihren Rückzug sei privater Natur. Reis und Nudeln sind am beliebtesten Ihr Angebot an unverpackten Lebensmitteln reduziert haben auch Tim und Lena Fichter in ihrem Hofladen in Versmold. &bdquo;Wir haben gemerkt, dass einige Dinge sich nur schlecht verkaufen", sagt Mitarbeiterin Jennifer Krüger. So laufe derzeit ein Abverkauf der Nussprodukte, da diese kaum noch nachgefragt wurden. &bdquo;Am Anfang war alles toll, aber die Euphorie bei den Kunden hat nachgelassen", sagt Krüger. Zuletzt habe es nur noch drei oder vier Kunden gegeben, die diese Ware unverpackt einkauften. Deutlich besser lief der Verkauf von Müsli, Haferflocken, Nudeln und Reis, die somit auch weiterhin verpackungsfrei angeboten werden. Dass gerade die Nüsse und auch Trockenfrüchte bei Erdreich in Halle eher zu den Verkaufsschlagern gehören, beweist, dass es keine allgemeingültige Erfolgsformel gibt. &bdquo;Was bei anderen nicht geht, wird hier gut verkauft. Das Entscheidende ist aber, dass die Gesellschaft von dem Konzept überzeugt ist", sagt Schröter. Man sollte daher auch nicht immer nur auf die Zahlen schauen und immer nur darüber reden, wo es gerade nicht läuft. Gleichwohl scheinen einige Unverpackt-Läden in der Region Probleme zu haben. Teilweise stehen sie auch vor dem Aus. &bdquo;Seit der Pandemie haben wir etwa 80 Prozent unseres Umsatzes einbüßen müssen", sagt Dennis Hammer, der die Geschäfte &bdquo;Stückweise" in Detmold und Lemgo betreibt. Die Lemgoer Filiale wird er jedoch bald schließen, da es sich nicht mehr rentiert. &bdquo;Derzeit ist für viele nicht mehr an Nachhaltigkeit zu denken", sagt Hammer. Der Krieg in der Ukraine verschärfe die Situation. &bdquo;Durch die Preiserhöhung der Lebensmittel im Allgemeinen ist die Biobranche für viele uninteressant geworden", vermute er. Das Thema Nachhaltigkeit sei für viele in den Hintergrund gerückt, gar unwichtig geworden. &bdquo;Der Nachhaltigkeitsgedanke wurde durch die verschiedenen Krisen um Jahre zurückgeworfen", beklagt er. Zwei Krisen sind nicht zu stemmen Ende Juni wird Christian Focke seinen Unverpackt-Laden &bdquo;Losgelöst" im Bielefelder Westen schließen, da es sich einfach nicht mehr lohne. Durch Corona habe das 2018 eröffnete Geschäft einen ersten starken Einbruch erhalten, danach sei die Kundenzahl weiter gesunken. Mit dem Ukrainekrieg sei der nächste Rückschlag erfolgt. Bereits Ende Mai wird Tatjana Bergen den Unver(l)packtladen in Verl-Sürenheide schließen. &bdquo;Eine Krise kann ein Unternehmen überstehen, aber zwei Krisen sind fast unmöglich", sagt die 39-Jährige mit Blick auf die Corona-Pandemie und den Ukraine-Krieg. Die Menschen seien verunsichert und hielten ihr Geld beisammen. &bdquo;Die Leute überlegen natürlich, ob sie am Ende des Jahres eine warme Wohnung haben wollen oder lieber Biowaren auf dem Tisch", sagt die Geschäftsinhaberin. Lesen Sie auch: Mit diesen fünf Tricks können Kunden beim Einkaufen bares Geld sparen

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