
Halle. Wer Koch ist und derzeit trotzdem ohne Job auf dem eigenen Sofa sitzt, muss irgendwas falsch machen. In jeder Stadt suchen Restaurantbesitzer aktuell händeringend nach Fachkräften, welche die appetitanregenden Formulierungen der Speisekarten in die Tat umsetzen. Allein für Halle gibt es aktuell bei der Bundesagentur für Arbeit acht offene Stellen.
„Den Restaurants gehen die Köche aus, das geht fast allen so“, sagt Antje Siekendiek, Inhaberin des Hotels Hollmann. Es werde immer schwieriger, geeignetes Personal zu finden. In ihrem Haus sei eigentlich alles noch im Rahmen. „Wir haben ein tolles Team, aber man merkt, wie schwierig das alles wird“, sagt Siekendiek. Dennoch sucht auch sie Verstärkung für ihr Personal, einer der Anreize für potenzielle Bewerber soll der sonntägliche Ruhetag sein, der in der Anzeige explizit erwähnt wird.
Gastronomieszene könnte auf die halbe Größe schrumpfen
„Wir haben nun eine Art zweiten Ruhetag eingeführt“, sagt Siekendiek. Montags, am neuen Kneipenabend, gebe es ab sofort nur noch „bierbegleitende Speisen“. An diesem Tag könne sich dann auch mal der Küchenchef, der sonst eigentlich immer da ist, zu Hause bleiben. „Wir arbeiten halt immer dann, wenn alle anderen frei haben“, sagt Siekendiek. Für sie sind die unattraktiven Arbeitszeiten der Hauptgrund für das derzeitige Desinteresse an Gastronomiejobs. „Wir stecken den Kopf trotzdem nicht in den Sand“ – die Hollmann-Chefin gibt sich kämpferisch.
Noch dramatischer sieht Emil Sickendiek, Inhaber des Rossini in Eggeberg und von Emils Wirtshaus in Versmold-Bockhorst, die derzeitige Lage: „Ich glaube, dass in den kommenden sechs Jahren die Hälfte aller Gastronomiebetriebe schließen muss.“ Denn sollte das benötigte Personal nicht gefunden werden, gebe es nur zwei Auswege. „Die einzigen Lösungen sind, die Öffnungszeiten zu verändern oder das Angebot auf der Speisekarte zu verkleinern“, sagt Emil Sickendiek, Inhaber des Rossini in Eggeberg und von Emils Wirtshaus in Versmold-Bockhorst. Er selbst habe in Bockhorst wegen des Fachkräftemangels schon Ruhetage für den dritten und vierten Sonntag im Monat eingerichtet. „Das war die einzige Lösung. Ohne Koch müssten wir ganz schließen“, erklärt der Gastronom den Biss in den sauren Apfel.
„Wir haben aggressiv geworben“, sagt Sickendiek. An der Kreuzung in Borgholzhausen-Bahnhof sowie am Anfang der Eggeberger Straße stehen Plakatwände. Zudem ließ er die Heckseiten von drei Linienbussen in Bielefeld mit großflächigen Anzeigen bekleben. Noch weiß er nicht, welche Taktik zum Erfolg geführt hat, sicher ist aber, dass es Bewerbungen gab. „Die Lage hat sich gebessert. Im Februar und im März fangen drei neue Leute an“, sagt Sickendiek.
Großküchen bieten bessere Arbeitszeiten
Die Gründe für das geringe Interesse an Gastronomiejobs sind für Sickendiek klar. „Viele gehen wegen der Arbeitszeiten lieber in die Großküche und arbeiten in Firmenkantinen“, sagt Sickendiek. Dort seien die Arbeitszeiten eben viel familienfreundlicher. Und natürlich seien auch die Löhne stets ein Thema, so Sickendiek, der zugleich betont, dass er seinen Mitarbeitern mehr als den Mindestlohn sowie Urlaubs- und Weihnachtsgeld zahle.
Leider böten einige Betriebe einen Mittagstisch zu so niedrigen Preise an, dass dieser sich wirtschaftlich einfach nicht rechnen könne. Dadurch werde die Preisakzeptanz der Gäste auf ein niedriges Niveau gesetzt. „Manch einer könnte da auf den Gedanken kommen, ich verdiene mich dumm und dämlich“, sagt Sickendiek mit Blick auf seine Preisklasse. Dabei steckten in jedem Euro eine Vielzahl an Kosten, angefangen bei der Reinigungskraft bis hin zu den Energiekosten. „Für entsprechende Löhne müssen auch entsprechende Preise angesetzt werden.“
Für Jörg Haskenhoff, der gemeinsam mit seiner Ehefrau Diana den Pappelkrug betreibt, liegen die Gründe für den Fachkräftemangel eher in der Vergangenheit. „Natürlich sind feste Arbeitszeiten attraktiver, aber es gibt viele Berufe mit ähnlichen Arbeitszeiten und die Löhne dürften auch kein Thema sein. Es ist wohl eher der schlechte Ruf der Branche. Zudem wurde in der Vergangenheit vieles madig geredet“, sagt Haskenhoff. Umso bedauerlicher sei es daher, wenn sich niemand für Angebote von Gastronomen interessiere, die gesetzeskonform arbeiteten.
Im vergangenen Jahr hat Haskenhoff drei Auszubildende einstellen können. „Wir versuchen, uns die zukünftigen Fachkräfte direkt ins Haus zu holen und sie dann hierzubehalten“, erklärt er die Pappelkrug-Taktik. Für das im Herbst beginnende Ausbildungsjahr sei bisher jedoch keine einzige vernünftige Bewerbung eingegangen. „Dabei waren wir kreativ und haben sogar bei Facebook mit einem kleinen Werbefilm gesucht“, sagt Haskenhoff. Man suche daher weiterhin, insbesondere Auszubildende zum Hotel- oder zum Restaurantfachmann.