Besonderes Jubiläum

Das Borgholzhausener Freibad wird 100 Jahre alt

Die Badehosen waren nicht immer so kurz wie heute. Und das Schwimmen in Borgholzhausen diente einst auch der „Stählung des Körpers“. Das HK schaut in fünf Episoden zurück auf 100 Jahre Piumer Freibad.

An die Reifen, fertig, los - vor allem bei den Kinder sorgt der Reifenwettbewerb bei der jährlichen Freibadfete für viel Spannung. In diesem Jahr feiert Piums "Badeanstalt" 100. Geburtstag. | © Alexander Heim

13.04.2025 | 13.04.2025, 15:50

Borgholzhausen. Das Borgholzhausener Freibad erzählt Geschichte und Geschichten. „Die allgemeinen und globalen Entwicklungen zeigen sich hier im Kleinen“, sagt Stadtarchivar Sebastian Schröder. Schwimmbad und die zunächst benachbarte Jugendherberge „sind Symbole des Aufbruchs in die Moderne“ schreibt Schröder in einem Text zur Gründungszeit, den er dem „Haller Kreisblatt“ zur Verfügung gestellt hat. Angereichert werden die Schlaglichter aus der frühen Phase des „Geburtstagskindes“ mit drei weiteren Ereignissen aus den Jahren 1975, 2013 und 2023.

1925: Borgholzhausen bekommt ein Freibad auf der Wiese

An der Stelle, an der heute gebadet werden kann, befindet sich ursprünglich landwirtschaftlich genutztes Land am Rand der Siedlung. Später wird eine Getreidemühle etabliert, die vom Violenbach angetrieben wird. Es folgt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Zementfabrik. Erst während des Ersten Weltkriegs übernimmt die Stadt das Gelände.

1919 schon soll ein Schwimmbad entstehen, doch sechs weitere Jahre gehen ins Land. Ab Januar 1925 wird an der Masch gewerkelt, am 3. Juli 1925 werden die ersten Badegäste begrüßt. Maßgeblichen Anteil am Bau haben die „Wasserratten“, eine Gruppe Borgholzhausener Bürger, die sich für den Bau des Bades einsetzt. In einem öffentlichen Aufruf an die Stadtverwaltung schreiben sie im August 1920: „Möge man auch in unserer Stadt erkennen, daß sich hier eine Gelegenheit bietet, neben der Annehmlichkeit, an heißen Sommertagen nach des Tages Last und Hitze ein erfrischendes Bad zu nehmen, das Nützliche und für die Stählung und Abhärtung des Körpers Notwendige zu bewirken.“

Das historische Foto zeigt die unmittelbar am Freibad gelegene Jugendherberge im Jahr 1929. - © Stadtarchiv Borgholzhausen
Das historische Foto zeigt die unmittelbar am Freibad gelegene Jugendherberge im Jahr 1929. (© Stadtarchiv Borgholzhausen)

Recht bald nach der Fertigstellung des Schwimmbades wird darüber hinaus im Obergeschoss der ebenfalls Mitte der 1920er Jahre entstandenen Spül- oder Waschanstalt eine Jugendherberge errichtet, die man rasch erweitert. Die Jugendherberge liegt unmittelbar neben dem Freibad. All diese baulichen und gesellschaftlichen Veränderungen gehen nicht spurlos an der Umwelt vorüber: Der Violenbach muss umgelegt und kanalisiert werden.

Männer und Frauen zusammen im Wasser? Lieber nicht

Auch den „Auszug aus der Ordnung für die Badeanstalt vom 17. Juli 1925“ hat Sebastian Schröder im Archiv. Werktags zwischen 13 und 20 Uhr steht die Badeanstalt danach offen. Hat sich ja nicht so viel verändert in den vergangenen 100 Jahren. Könnte man meinen. Stimmt aber nicht.

„Erwachsene und Kinder männlichen Geschlechts“ dürfen von 13 bis 16 Uhr rein. Ab dann sind für zwei Stunden die Frauen dran. Die Abendzeit gehört im Borgholzhausener Freibad wieder den Männern. „Die Badegäste haben sich so frühzeitig wieder anzukleiden, daß der Wechsel in der Badezeit (...) pünktlich und ohne Störung von statten geht“, schärft der Aufseher den Badegästen ein.

Wer eine „ansteckende oder ekelerregende Krankheit“ hat – insbesondere eine Geschlechtskrankheit oder offene Wunden – muss 1925 draußen bleiben. Benutzung der Badeanstalt ohne Badeanzug oder Badehose? Vergessen Sie es. Und wer das Borgholzhausener Freibad im Sommer 1925 nach der Erfrischung wieder verlässt, sollte besser wieder die Alltagskleidung angelegt haben.

„Badehose“ bedeutet im Jahr 1925 auch nicht ein wasserschnittiges Teil von Speedo oder Arena. Die Hosen müssen „mit an den Körper anschließenden Beinlängen“ versehen sein. „Auffällige, das sittliche Empfinden verletzende, insbesondere in Farbe und Stoff durchsichtige Badebekleidung ist nicht gestattet“, heißt es in der Badeordnung.

1975: Von wegen „dreckiges Wasser“ – Freibad besteht den Test

Auf halbem Weg zum 100. Geburtstag hat das Borgholzhausener Freibad ein veritables Imageproblem. Erwachsene Borgholzhausener und Borgholzhausenerinnen rümpfen die Nase über ihre „Badeanstalt“, heißt es in einem Artikel des „Haller Kreisblatts“ vom 25. Juli 1975. „In das dreckige Wasser gehe ich doch nicht rein“, werden Skeptiker zitiert – kein ungetrübter Schwimmspaß also.

Das Bild von oben zeigt das Freibad kurz vor der Saisoneröffnung 2013. - © Andreas Großpietsch
Das Bild von oben zeigt das Freibad kurz vor der Saisoneröffnung 2013. (© Andreas Großpietsch)

Doch Besserung ist in Sicht. Zum einen gibt es den rührigen Schwimmmeister Willi Töpperwin. Zum anderen stellt Stadtdirektor Alois Hasekamp eine Umwälzanlage in Aussicht. Die ist teuer – circa 250.000 D-Mark –, aber vielleicht wissen heimische Handwerker ja Rat, hofft Hasekamp. Und dann gibt es drittens noch Absolution von wissenschaftlicher Stelle. Denn die hygienisch-bakteriologische Untersuchung des Wassers von Anfang Juli war einwandfrei. Vielleicht kann Töpperwin also bald schon mehr als die durchschnittlich 300 bis 400 Menschen an warmen Tagen im Freibad begrüßen.

Neues Becken, neue Umkleiden: Die Sanierung 2012/2013

Es ist kalt an diesem 18. Mai 2013, einen Tag vor Pfingsten. 10 Grad Celsius Außentemperatur, um genau zu sein. Glühwein und Kinderpunsch werden im Freibad gereicht. Warm ums Herz würde den Anwesenden aber wohl auch mit Bier und Mineralwasser werden. Denn sie feiern die Eröffnung des Freibads nach dem Umkleidenneubau. Das alte Gebäude stammte aus den 1930er Jahren. Jetzt ist für 460.000 Euro eine Anlage mit Umkleiden, Kiosk, Duschen und Toiletten entstanden, die für weitere fünf Jahrzehnte den Ansprüchen der Borgholzhausener „Wasserratten“ genügen soll.

Schwimmmeister Lars Kattner (v. l.), Hermann Ludewig (Förderverein), Biljana Geadas da Luz (Stadt), Bauamtsleiterin Kerstin Otte, die Architekten Sven Stratmann und Ulrike Tober sowie Bürgermeister Klemens Keller freuen sich im Mai 2013 über die Eröffnung nach dem Neubau des Umkleidengebäudes. - © Alexander Heim
Schwimmmeister Lars Kattner (v. l.), Hermann Ludewig (Förderverein), Biljana Geadas da Luz (Stadt), Bauamtsleiterin Kerstin Otte, die Architekten Sven Stratmann und Ulrike Tober sowie Bürgermeister Klemens Keller freuen sich im Mai 2013 über die Eröffnung nach dem Neubau des Umkleidengebäudes. (© Alexander Heim)

Vorausgegangen war im April 2011 der Grundsatzbeschluss für den Abriss des alten Umkleidegebäudes und den Bau eines neuen. Im September 2012 rückten die Abrissbagger an, im Oktober 2012 folgte die Grundsteinlegung an der Masch. Knapp sieben Monate später steht die moderne und architektonisch ansprechende Immobilie. „Es war absolut richtig, dass wir uns für einen Neubau entschieden haben“, sagt Bürgermeister Klemens Keller bei der Eröffnung. „Wir sind es den Bürgerinnen und Bürgern schuldig, ein solches Angebot vorzuhalten.“

Was Keller sagt, ist in den damaligen Zeiten leerer öffentlicher Kassen nicht selbstverständlich. Obwohl es im Etat knirscht, lässt sich die kleine Stadt am Teutoburger Wald das Freizeitvergnügen einiges kosten, um attraktiv zu bleiben. Piums gesamte Investitionen in das Freibad gehen sogar in den siebenstelligen Bereich: Ein Jahr vor den Umkleiden ist nämlich erst das neue Edelstahlbecken eingeweiht worden. Im September 2011 hatte es dazu kurz vor dem Saisonende die Abrissparty gegeben.

2020: Der erste Corona-Sommer

Der Sommer 2020 ist in mancherlei Hinsicht nicht so wie die Sommer zuvor. „Es ist nicht so warm wie in den letzten Jahren“, sagt Schwimmmeister Lars Kattner dem HK. 11.000 Besucher zum Ende der Saison – damit wäre Kattner im Juli 2020 schon zufrieden. 2019 und 2018 waren es an der Masch jeweils etwa 18.000.

Im Sommer 2020 war das Becken wegen Corona nicht so gut gefüllt wie in anderen Jahren. Schwimmeister Lars Kattner nahm es lächelnd. - © Andre Schneider
Im Sommer 2020 war das Becken wegen Corona nicht so gut gefüllt wie in anderen Jahren. Schwimmeister Lars Kattner nahm es lächelnd. (© Andre Schneider)

Aber selbstverständlich sind es nicht vorrangig die kühle Witterung und der relativ späte Saisonbeginn, die die Zahl nach unten ziehen. Corona sorgt für strikte Auflagen. Pro Tagesabschnitt dürfen nur höchstens 200 Personen gleichzeitig ins Freibad. Vier Öffnungsblöcke gibt es pro Tag, dazwischen wird desinfiziert, was das Zeug hält.

Die Gäste müssen sich am Eingang registrieren. Es herrscht Maskenpflicht beim Betreten und Verlassen des Bads. Auch wer im Kiosk einkauft, trägt Mundschutz. Damit sich Schwimmer und Schwimmerinnen im Becken nicht zu nah kommen, gilt hier eine Einbahnstraßenregelung.

Manchen Besucher nervt das, andere sind froh, wenigstens warm duschen zu können. Immerhin: Schwimmkurse sind auch in der Corona-Zeit sehr gefragt. Lars Kattner erteilt 2020 35 Nachwuchs-Wasserratten jeweils zehn Minuten Einzelunterricht. „Das kommt wirklich gut an“, sagt der Schwimmmeister.

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