Warum hat die Polizei den Borgholzhausener Senior (90) nicht gefunden?

Borgholzhausen/Dissen. Die traurige Gewissheit wurde Freitagabend (8. November) bekannt: Der vermisste 90-Jährige aus Borgholzhausen, nach dem eine Woche lang intensiv gesucht worden war, ist tot. Eine Gruppe von Jägern hatte sich mit ihren Hunden gezielt auf den Weg gemacht und den Mann schließlich in einem Brombeerfeld im Dissener Stadtteil Aschen entdeckt, etwa 700 Meter von seinem Auto entfernt. Anteilnahme in der Bevölkerung an dem tragischen Unglücksfall und ebenso Betroffenheit sind seitdem groß. Zugleich diskutieren die Menschen diese eine Frage: Warum haben die Jäger binnen weniger Stunden das geschafft, was ein Großaufgebot an Einsatzkräften innerhalb von mehreren Tagen nicht zu leisten imstande war? Ulrich Meyer zu Drewer, Hegeringleiter in Borgholzhausen und Initiator der Suchaktion, geht am Montag sogar noch einen Schritt weiter. Er erhebt schwere Vorwürfe: &bdquo;Die ganzen Gegenstände, die der Mann nach und nach verloren hatte - Nordic-Walking-Stöcke, Autoschlüssel, Brille -, lagen wie aufgereiht an einer Perlenschnur auf einer Strecke von 150 Metern gar nicht weit vom Auto verteilt. Für mich ist es nicht nachvollziehbar, dass diese Dinge bei dem Aufgebot an Einsatzkräften nicht gefunden wurden. Da wurde dilettantisch gearbeitet.“ Leiche nach kurzer Zeit in einem Brombeerfeld gefunden Bereits am Sonntag nach dem Verschwinden, also am 3. November, habe man der Polizei Unterstützung angeboten. &bdquo;Aber die wurde abgelehnt. Sinngemäß hieß es, das solle man den Profis überlassen“, berichtet Meyer zu Drewer. &bdquo;Das haben wir auch akzeptiert. Aber als es am Freitag hieß, alle Möglichkeiten seien ausgeschöpft und man habe die Suche eingestellt, hat mir das keine Ruhe gelassen. Wir kannten den Vermissten und wollten das so nicht stehenlassen. Auch nicht gegenüber den Angehörigen.“ Man habe der Polizei daher mitgeteilt, dass man sich selbst noch einmal auf die Suche machen würde, was auch akzeptiert worden sei. Die Jäger nahmen sich zunächst die Revierkarte. &bdquo;Wir haben überlegt, nach welchen Kriterien sich ein 90-Jähriger, der sein festgefahrenes Auto bei Nacht in der Dunkelheit verlässt, zu Fuß auf den Weg macht. Unserer Meinung nach in die Richtung, aus der er Licht sieht - also in diesem Fall in Richtung Dissen.“ Eineinhalb Stunden hätte die 22 Mann starke Gruppe gebraucht, so Meyer zu Drewer, dann hätten sie den Mann in einem Brombeerfeld gefunden. Von außen beziehungsweise von oben nicht direkt einsehbar, wie er die Szenerie beschreibt. Auch mit dem Abstand von ein paar Tagen zeigt sich Meyer zu Drewer noch sehr mitgenommen. &bdquo;Ja, wir waren darauf vorbereitet, dass wir den Mann nicht mehr lebend auffinden würden. Aber zu sehen, dass er am Ende in den Dornen den Kältetod sterben musste, hat mich, hat uns alle sehr betroffen gemacht. Und dann ärgert es mich doch, dass die Polizei uns zunächst so abgelehnt hat.“ Womit er und seine Jagdfreunde sich gerade trösteten: &bdquo;Wir konnten den Mann seiner Familie zurückgeben, nun können sie ihn wenigstens beerdigen.“ Polizei zeichnet ein differenziertes Bild rund um die Suche Das bekräftigt auch Kim Junker-Mogalle, Sprecherin der Polizei Osnabrück. Und sagt: &bdquo;Vorab: Es ist sehr gut, dass die Jäger den Mann noch gefunden haben und die Angehörigen nun ihren Abschluss machen können - so traurig der Fall ausgegangen ist. Und dennoch glaube ich nicht, dass das der richtige Augenblick ist, um Schuldzuweisungen vorzunehmen.“ Nach Gesprächen mit verschiedenen Verantwortlichen und diversen Dienststellen zeichnet sie deshalb auch im Gespräch mit dem &bdquo;Haller Kreisblatt“ noch einmal die Abläufe nach, die ein differenziertes Bild ergeben. &bdquo;Grundsätzlich lief es in diesem Fall so, dass wir als Polizei Niedersachsen mit den Kollegen der Kreispolizeibehörde Gütersloh ständig im Austausch standen. Sie haben auf Borgholzhausener Gebiet gesucht, unsere Leute auf Dissener Seite. Alle Maßnahmen waren jederzeit miteinander abgestimmt.“ Konkret sei es dann so abgelaufen: Der Senior sei nach einer Veranstaltung in Melle am Abend von Allerheiligen nicht zurückgekehrt. Also habe man eine Öffentlichkeitsfahndung herausgegeben - und schließlich das Auto des Mannes gefunden. &bdquo;Vom Pkw-Fundort aus sind die Einsatzkräfte mit Unterstützung von Fährtenhunden im nächsten Schritt losgelaufen, wobei die Fährtenhunde beide am Ortseingang von Dissen anschlugen.“ Leichenspürhund hat nicht am Brombeerfeld angeschlagen Hier habe man daraufhin alles abgegrast und später den Suchradius ausgeweitet - bis hin zum Regenrückhaltebecken. Der Aufwand, der dabei unternommen worden sei, um den 90-Jährigen zu finden, sei enorm gewesen: &bdquo;Die Polizei vor Ort hat wirklich alles getan. Es wurden mit der Bereitschaftspolizei Ketten gebildet, Felder und Wälder abgesucht. Drohnen waren im Einsatz, ebenso Hunde - sogenannte Mantrailer -, die in der Lage sind, Menschen zu finden - unabhängig davon, ob sie noch leben oder nicht. Die Feuerwehr war mit im Boot und ebenso Kräfte des THW.“ Am Ende, so Kim Junker-Mogalle, sei der Mann an einer schwer zugängigen Stelle versteckt unter dichtem Buschwerk gefunden worden. &bdquo;Der Leichenspürhund, mit dem wir am Ende im Einsatz waren, war in der Nähe, er hat aber nicht angeschlagen.“ Unterstützung bekommt sie von ihrer Kollegin aus Gütersloh, Polizeisprecherin Katharina Felsch. Die beispielsweise erklärt, warum man am Sonntag noch auf die Hilfe der Jäger verzichtet hatte: &bdquo;Wir hatten zu dem Zeitpunkt mit unseren eigenen Leuten und unseren eigenen Maßnahmen noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft.“ Vor diesem Hintergrund habe man den Kreis der Suchenden nicht direkt um Externe erweitern wollen. Letztlich ginge es auch darum, keine Spuren zu vernichten, was aber bei noch mehr Menschen und noch mehr Hunden im Einsatz schnell der Fall sein könne. Kommissariat für Opferschutz bietet Hilfe an &bdquo;Wir bedauern den Tod des Seniors sehr, bei dem es sich um einen tragischen Unglücksfall handelt“, betont auch Kim Junker-Mogalle noch einmal. &bdquo;Aber wir haben alles unternommen, was uns möglich war. Und bestimmt nicht fahrlässig etwas ignoriert, was zum schnellen Auffinden des Mannes beigetragen hätte.“ Unterdessen bietet Katharina Felsch Hilfe für diejenigen an, die einen Leichenfund verarbeiten müssen: &bdquo;Es sprechen immer erfahrene Beamte vor Ort mit den Betreffenden, aber auch im Nachhinein besteht immer noch die Möglichkeit, sich ans Kommissariat Opferschutz zu wenden.“

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