Wirtschaft setzt Ampel-Koalition bei Gipfel-Treffen unter Druck

Berlin. Den Seitenhieb von Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger mit dem &bdquo;politischen Schaulauf“ darf Gastgeber Christian Lindner auch auf sich beziehen. Dulger spricht zwar nach dem 90-minütigen &bdquo;Wirtschaftsgipfel“ mit der FDP als Konkurrenzveranstaltung zum &bdquo;Industriegipfel“ des Kanzlers am Dienstag von einem &bdquo;sehr guten Austausch“. Aber er sagt, die Ampel müsse &bdquo;gemeinsam, und ich betone: gemeinsam, die richtige Wirtschaftspolitik machen“. Regierungsverantwortung heiße auch Regierungsverpflichtung. &bdquo;Wir müssen nach dem politischen Schaulauf ins Handeln kommen“, fordert Dulger. Finanzminister Christian Lindner steht am Rand und hört zu. Die Sache mit der &bdquo;Regierungsverpflichtung“ ist vermutlich nicht das, was er hören wollte. Er hat in den vergangenen Monaten nie eine Garantie für den Fortbestand der Koalition bis zur regulären Wahl im September 2025 abgegeben. Auf eine entsprechende Frage von Journalisten ringt er sich nun ab: &bdquo;Rainer Dulger hat gerade gesagt, es gibt auch so etwas wie eine Regierungsverpflichtung, und für Deutschland ist es allemal besser, wenn eine Regierung eine gemeinsame Richtung findet, sie beschreibt und umsetzt.“ Man kann nur spekulieren, dass es bei ihrem vertraulichen Gespräch auch um die Möglichkeit einer Neuwahl und die Folgen ging. Wenige Stunden später werden im Kanzleramt Vertreter von Gewerkschaften (DGB, IG Metall, IG Bergbau, Chemie, Energie), von Industrieverbänden (BDI, Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau) sowie von Konzernen (VW, BMW, Mercedes) erwartet. Anschließende Statements wie bei der FDP hatte Scholz schon im Vorhinein abgelehnt. Zu viel &bdquo;Theater“, wie er sagt. Deutschland droht zweites Rezessionsjahr Die deutsche Wirtschaft ist in der Krise, 2024 könnte das zweite Rezessionsjahr infolge werden. Die Wirtschaftsleistung schrumpft, es wird zu wenig investiert, Deutschland hinkt anderen westlichen Industrienationen hinterher. Unternehmen fordern Deregulierung, Bürokratieabbau, Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel, Senkung der Sozialabgaben – und weniger Streit in der Ampel. Diese hat zwar eine &bdquo;Wachstumsinitiative“ angestoßen, kommt aber mit der Umsetzung nicht voran. Während aus dem Kanzleramt lautes Schweigen dröhnt, geht bei der FDP der Vorhang auf. Lindner, FDP-Fraktionschef Christian Dürr, Dulger, der Präsident des Bundesverbandes der Freien Berufe, Stephan Hofmeister, und Reinhold von Eben-Worlée, Präsidiumsmitglied des Verbandes Die Familienunternehmer können ihre Botschaften loswerden – und damit den Ton an diesem Tag setzen. Die Wirtschaft hierzulande sei eben nicht ausschließlich geprägt durch Industrieunternehmen, sondern zu gut drei Viertel durch Mittelstand, Handwerk, Start-ups, freie Berufe und Selbstständige, sagt Lindner. Dürr erklärt, es sei ihnen ein &bdquo;Herzensanliegen“, mit allen Teilen der deutschen Wirtschaft zu sprechen. Deutschland stehe wirtschaftspolitisch vor &bdquo;Richtungsentscheidungen“. Lindner ergänzt: &bdquo;Klar ist, dass wir in den nächsten Wochen alleine schon aufgrund der Zeitplanung für den Bundeshaushalt 2025 ja auch zu einer gemeinsamen Position werden finden müssen.“ Müssen? Doch eine &bdquo;Regierungsverpflichtung“? Die sogenannte Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses des Bundestags Mitte November gilt wegen noch klaffender noch Milliardenlücken als Sollbruchstelle. Appelle an die Ampel-Koalition Dulger mahnt, die Ampel solle auch auf die Opposition zugehen, um Lösungen bei der &bdquo;Modernisierung der sozialen Sicherungssysteme zu finden“. Was so viel wie Einschnitte ins Sozialsystem bedeutet, die der Sozialdemokrat Scholz ablehnt. Von Eben-Worlée teilt mit, er sei bei der FDP in vielerlei Hinsicht auf offene Ohren gestoßen und forderte, &bdquo;dass die Bundesregierung uns jetzt über Deregulierung und finanzielle Entlastung des Mittelstandes zum Beispiel durch eine Verschiebung des Rentenpaketes oder andere Dinge entlastet.“ Bei der Rente ist die SPD aber gewillt, die Koalition platzen zu lassen, wenn die FDP sich nicht an ihr Versprechen der Zustimmung hält. Das weiß auch Lindner. Stephan Hofmeister, der Präsident des Bundesverbandes der Freien Berufe, sagt, seine Branche brauche einfach, &bdquo;von der Kette gelassen zu werden“: Entbürokratisierung, Zuverlässigkeit in der politischen Orientierung in der Gesetzgebung. &bdquo;Und das hat alles nicht Zeit bis nächstes Jahr bis zu irgendeiner neuen Wahl. Das muss jetzt beginnen und wir erwarten uns von diesem Gespräch, dass die Ampelparteien sich da zusammenfinden.“ Noch so ein Appell an die Koalition. Bei beiden Gipfeln an diesem Dienstag sind Ergebnisse nicht geplant gewesen. Scholz hatte vorher klargestellt, es solle ein Treffen von mehreren sein. Allerdings: Sollten sich Industrie, Konzerne und Gewerkschaften je am Kanzlertisch auf Maßnahmen einigen, müsste sich der Regierungschef mit den beiden Menschen einigen, die er nicht eingeladen hatte: Lindner und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne). Noch sind sie in einer Koalition.

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