Meinung

Kritik an Aktivrente: Wir brauchen Mut für unkonventionelle Wege

Schon vor der Einführung wird das neue Rentenmodell von vielen Seiten kritisiert. Die Idee ist im Kern aber ein richtiger Schritt, meint unser Autor Ingo Kalischek.

Die Aktivrente steht bereits in der Kritik, doch sie hat eine Chance verdient, meint unser Autor. | © Arne Dedert/dpa

Ingo Kalischek
06.11.2025 | 06.11.2025, 05:00

Einfach mal machen. Das wird sich Carsten Linnemann gedacht haben, als er das Konzept der Aktivrente in die Politik brachte. Das Modell klingt gut: Es soll Rentner durch einen Steuerbonus motivieren, länger zu arbeiten. Und so den Fachkräftemangel lindern. Es ist fast schon tragisch und auch ein bisschen „typisch Deutsch“, dass die ersten Reaktionen nahezu durchweg negativ ausfallen. Denn im Kern hat der Paderborner Linnemann einen Punkt.

Steuerberater halten das Modell für rechtswidrig. Selbstständige, Landwirte und Freiberufler bewerten die Aktivrente als ungerecht. Weil nur Arbeitnehmer die Möglichkeit erhalten, bis zu 2.000 Euro monatlich steuerfrei dazuzuverdienen. Irritierend ist, dass sich sogar Anwälte und Ärzte beschweren. Ob auch ihre Kritik angebracht ist, darüber lässt sich sicher streiten.

Nachvollziehbarer erscheinen die Einwände von Pflegekräften und Handwerkern. Für viele Menschen, die seit Jahrzehnten in diesen Branchen arbeiten, ist eine Weiterbeschäftigung nach der Rente körperlich schlichtweg nicht möglich.

Im Zweifel: Einfach mal machen

Trotzdem sollte der politische Vorstoß zur Aktivrente nicht sofort schlecht geredet werden. Viele Bürger zeigen sich mit der aktuellen Politik deshalb so unzufrieden, weil sie das Gefühl haben, dass Probleme stets beschrieben, aber nur unzureichend angegangen und gelöst werden. Wenn sich das ändern soll, muss es möglich sein, Dinge im Zweifel auch mal auszuprobieren. Mut zur Lücke. Einfach mal machen.

Mit der Aktivrente sollte nicht die überzogene Erwartung einhergehen, dass sie die aufziehende Rentenproblematik und den Mangel an Fachkräften im Alleingang löst. Von ihr geht das Zeichen aus, dass Politik bereit und in der Lage ist, in recht kurzer Zeit auch unkonventionelle Wege zu gehen, um Verbesserungen anzustoßen. Nicht durch Pflicht, sondern durch Anreize.

Es ist daher gut, dass das Modell nach zwei Jahren analysiert und womöglich verändert werden soll. Die aktuellen und in Teilen nachvollziehbaren Reaktionen deuten darauf hin, dass das nötig ist. Vielleicht geht von der Aktivrente künftig dann ja keine Neiddebatte, sondern ein positives Signal aus. Das kann das Land sehr gut gebrauchen.