Zumindest in einer Disziplin ist Deutschland weltweit führend: Kein Volk ist besser darin, schlechte Laune mit pessimistischer Zukunftsahnung zu verbinden. In der Regel wissen wir vorher schon, was alles nicht funktionieren wird. Positive Überraschungen ertragen wir allenfalls im Sport oder beim Lotto. So gesehen hat die neue Bundesregierung, die in der kommenden Woche starten wird, beste Voraussetzungen: Sie kann die geringen Erwartungen nur übertreffen.
Dabei sind wir Deutsche durchaus anspruchsvoll: Wir wollen von brillanten Köpfen regiert werden, die uneitel und selbstlos sind, ebenso unterhaltsam wie verständlich kommunizieren und komplexe Probleme in kürzester Frist beseitigen. Wir wünschen durchgreifende Reformen möglichst ohne Veränderung. Wir sind objektiv und urteilsstark: Besserverdiener mit Feriendomizil jammern über den nahenden Ruin, andere beklagen unmenschliche soziale Kälte in einem Land, das jährlich fast 1.300 Milliarden für Soziales ausgibt. Wir fürchten den Klimawandel und misstrauen Elektroautos. Wir hätten gern viel, viel weniger Gesetze. Nur wenn wir etwas wollen, sollte alles genau geregelt sein – und natürlich muss es Schuldige geben, wenn etwas schiefgeht.
Waren wir schon immer so? Wie haben frühere Generationen dann Kriege und Katastrophen überlebt?
Weit entfernt von dem düsteren Bild der Schwarzmaler
Seit 80 Jahren leben wir im Frieden, in sehr geordneten Verhältnissen, wir waren und wir sind eines der wirtschaftlich erfolgreichsten und wohlhabendsten Länder der Welt. Vieles ist in die Jahre gekommen, vieles ist verbesserungsfähig, aber wir sind weit entfernt von dem düsteren Bild, das die notorischen Schwarzmaler zeichnen.
Vier von fünf Deutschen haben bei der Bundestagswahl eine demokratische Partei gewählt. Gut zehn Wochen später steht eine stabile Regierungsmehrheit, die in den kommenden Jahren eine Billion Euro in unser Land investieren will. Die allermeisten Staaten auf diesem Planeten hätten gerne unsere Probleme.
Ja, natürlich, es gibt reichlich Baustellen und viel Anlass zur Sorge. Aber vielleicht versuchen wir’s zur Abwechslung trotzdem mal mit Zuversicht?
Die neue Regierung jedenfalls hat eine faire Chance verdient. Sie wird keine Wunder vollbringen können. Aber wir sollten ihr den ehrlichen Willen und das Bestreben unterstellen, unser Land besser zu machen. Ist das naiv? Nein, es ist sogar sehr eigennützig. In Skandinavien kann man lernen, was eine Gesellschaft glücklicher und erfolgreicher macht: Grundvertrauen in den Staat und die Zuversicht, dass man gemeinsam Großes schaffen kann. Man muss nur auf etwas Übertreibung und Überheblichkeit verzichten. Und man muss sich den befreienden Mut gönnen, an eine bessere Zukunft zu glauben.