Meinung

Österreichs neue Regierung ist ein Notbündnis gegen rechts

Fünf Monate nach der Wahl hat Österreich eine neue Regierung. Unser Autor ist skeptisch, ob die Dreierkoalition fünf Jahre durchhalten wird.

Die österreichischen Parteivorsitzenden Christian Stocker von der Volkspartei (Mitte, ÖVP), Andreas Babler von den Sozialdemokraten (SPÖ) und Beate Meinl-Reisinger von den Neos, sprechen auf einer Pressekonferenz, nachdem sie sich auf die Bildung einer Koalitionsregierung geeinigt haben. | © Heinz-Peter Bader/AP/dpa

27.02.2025 | 27.02.2025, 17:50

Fünf Monate dauerte es, bis sich Österreichs Parteien auf eine Koalition einigen konnten. Volkspartei, Sozialdemokraten und liberale Neos raufen sich zusammen, um die rechtsextreme Freiheitliche Partei im Kanzleramt zu verhindern. Das mahnende Beispiel der in Deutschland abgewählten Ampel schreckt Österreichs „Parteien der Mitte“ nicht, wie sie sich gerne nennen.

Anfang des Jahres war der Versuch der drei nach drei Monaten gescheitert. Die Volkspartei verhandelte dann mit der Freiheitlichen Partei. Im Wahlkampf hatte die ÖVP noch rausposaunt: niemals mit den „Freiheitlichen“ unter ihrem Parteichef Herbert Kickl. Im Januar Kehrtwende und „was kümmert mich das Geschwätz von gestern“. Aber die FPÖ wollte die „Festung Österreich“ bauen, den kompletten Stopp des Ausländerzuzuges. Als die FPÖ sich schließlich weigerte, ein klares Bekenntnis zur Europäischen Union und zu den Sanktionen gegen den Ukraine Aggressor Russland im Koalitionsvertrag zu unterschreiben, scheiterten die Verhandlungen.

Nun gelang im dritten Anlauf das vorher Undenkbare. Kickls Vorbilder – Orbáns Ungarn oder die USA unter Donald Trump und Elon Musk – wirken so abschreckend, dass erstmals eine Dreierkoalition in der Alpenrepublik als Notbündnis gegen rechts gebildet wird.

Das Neue hält sich in Grenzen

„Jetzt das Richtige tun. Für Österreich“ lautet die Überschrift der neuen Österreichischen Bundesregierung. Sie erinnert erstaunlicherweise an das Motto des einstigen ÖVP-Kanzlers Sebastian Kurz: „Tun, was richtig ist“. Das Neue hält sich also in Grenzen.

Im gemeinsamen Programm ein sofortiger Stopp des Familiennachzuges bei Asylbewerbern und kompletter Asylstopp, sollten die Asylbewerberzahlen wieder steigen, auf der Basis einer „nationalen Notlage“. Außerdem soll ein Kopftuchverbot für minderjährige Mädchen kommen, auch das zeigt den Rechtsruck der ÖVP, obwohl Sozialdemokraten und liberale Neos dabei sind. Die Klimaagenden werden im ÖVP Landwirtschaftsministerium untergepflügt, also nach vergangener grüner Regierungsbeteiligung nun wieder Klimapolitik auf Sparflamme. Sozialdemokraten rühmen sich, eine einjährige Mietpreisbremse erreicht zu haben, und die Neos sehen ihren Beitrag zum Sparprogramm, das „harte Jahre“ für alle Bewohner Österreichs bringen wird, unter anderem in Pensionsdämpfungen und dem verpflichtenden zweiten Kindergartenjahr. Gemeinsam strebt man an, die Radikalisierung durch soziale Medien vor allem von Jugendlichen zu stoppen durch genauere Kontrolle einschließlich der Messenger-Dienste.

Neos-Mitglieder müssen dem Koalitionsprogramm zustimmen

Ob das alles gemeinsam angegangen werden kann, wird sich am Sonntag zeigen. Dann müssen zwei Drittel der ca. 3.000 Mitglieder der Neos dem 210 Seiten starken Koalitionsprogramm zustimmen. Bemängelte im Januar noch die Neos-Vorsitzende Meinl-Reisinger das Fehlen nachhaltiger Reformen, so kann sie im dritten Anlauf im Grunde nicht viel mehr bieten. Es wird nicht leicht, angesichts der hohen Verschuldung des Landes und Sparnotwendigkeiten die Neos-Mitglieder und die Wähler insgesamt vom Neustart zu überzeugen.

Fazit dieses Regierungsbildungsprozesses in Österreich: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben: Das deuten die neuesten Umfragezahlen an. Erzielte die Freiheitliche Partei im September des Vorjahres bei den Wahlen noch 28,8 Prozent, so liegt sie mittlerweile bei 34 bis 35 Prozent. Sie werden also die neue Regierung so schnell wie möglich zu Neuwahlen zwingen wollen. Fraglich, ob diese Legislaturperiode in Österreich fünf Jahre dauern wird.