Warum die Abwehr feindlicher Drohnen in Deutschland so kompliziert ist

Nach Drohnenschwärmen über Kiel Ende voriger Woche – betroffen waren das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, das Kieler Landeshaus, das Werksgelände der Marinesparte von Thyssenkrupp und eine Raffinerie in Hemmingstedt – traf es zum Tag der Deutschen Einheit München, also das andere Ende der Republik. Wegen Drohnensichtungen am Flughafen der bayerischen Landeshauptstadt wurde der Flugbetrieb zwischenzeitlich eingestellt. 17 Maschinen konnten nicht starten. Laut Bundespolizei gab es am Donnerstagabend Drohnensichtungen im Umfeld des Flughafens, später auch über dem Flughafen selbst. Am Freitag wurde der Flugbetrieb langsam wieder hochgefahren. Die Urheber und ihre Ziele sind nicht bekannt. Zunehmend dringlich stellt sich die Frage, was sich gegen die zunehmenden Drohnenüberflüge über Deutschland und anderen europäischen Ländern tun lässt. Wir geben Antworten. Warum setzt Russland Drohnen gegen den Westen ein? Zunächst besteht ein Problem darin, dass die Herkunft der Drohnen selten klar zuzuordnen ist. Experten sind sich aber einig, dass allein Russland ein Interesse und die Möglichkeit hat, den Westen in dieser Dimension anzugreifen. Die Motive liegen auf der Hand. Es geht darum, bei Bürgern und Politikern Verunsicherung und Angst zu schüren. Außerdem will der russische Präsident Wladimir Putin wohl testen, wie der Westen reagiert – und daraus weitere Schritte ableiten. &bdquo;Egal, ob es beabsichtigt war oder ob es unabsichtlich passiert ist: Putin wird unsere Reaktion genau beobachten“, sagte der Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer. Schließlich deutet vieles darauf hin, dass das weitreichendste Ziel ist, durch Spionagedrohnen Informationen über bestimmte Objekte zu sammeln, um diese im Kriegsfall attackieren zu können. Die Einschätzung, welches Motiv jeweils als vorrangig betrachtet wird, dürfte Auswirkungen auf die Reaktion der westlichen Staaten haben. Welche Möglichkeiten der Abwehr gibt es – und welche Risiken? Die EU plant, bis 2030 einen &bdquo;Drohnenwall“ zu errichten. Dem liegt augenscheinlich die Vorstellung zugrunde, man könne Drohnen wie mit einem eisernen Vorhang vom Eindringen in den europäischen Luftraum abhalten. Fest steht, dass es prinzipiell zahlreiche effektive Varianten der Drohnenabwehr gibt. Man kann sie abschießen. So betonte Breuer, die Anschaffung von Skyranger-Flugabwehrwaffensystemen laufe bereits, gleiches gelte für Loitering Munition, also Kamikazedrohnen. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) will für das Bundeskriminalamt das Abfangsystem Sky Wall 100 beschaffen. Es schießt ein Netz in die Luft, in dem sich Drohnen verfangen. Eine dritte Variante der Drohnenbekämpfung ist das Stören ihrer GPS-Signale, das so genannte Jamming oder Spoofing. Offen ist, ob die Systeme im Ernstfall in ausreichender Zahl vorhanden sind, ob sie stets da sind, wo man sie jeweils schnell braucht – und ob sie dem aktuellen Stand der Technik entsprechen. Das Kennzeichen der Drohnentechnologie sind nämlich Innovationszyklen in hohem Tempo, weshalb es nicht als praktikabel gilt, zu viele Abwehrdrohnen auf Vorrat zu beschaffen. Ein letztes Risiko kommt hinzu: Der Abschuss von Drohnen kann selbst einen Schaden anrichten, etwa durch herunterfallende Trümmerteile. Insofern ist Drohnenabwehr komplizierter, als es klingt. Wer darf Drohnen abschießen – und wer nicht? Tauchen Drohnen über Bundeswehr-Kasernen auf, ist die Bundeswehr zuständig. Ansonsten sind es die Länderpolizeien oder die Bundespolizei, wobei die Länderpolizeien technisch limitiert sind. Dobrindt will nun das Luftsicherheitsgesetz ändern. Ziel sei, ein deutsches Drohnen-Kompetenzzentrum aufzubauen, in dem Bund, Länder und Bundeswehr vernetzt sind, sagte er der &bdquo;Rheinischen Post“. Die Bundeswehr soll bei der Drohnenabwehr über zivilen Objekten Amtshilfe leisten können. Allerdings sagen manche Fachleute, dies gehe nur mit einer Grundgesetzänderung, die eine Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat erfordert - weil die Bundeswehr im Inneren normalerweise nicht intervenieren dürfe. Neben den Regierungsfraktionen müssten also auch Grüne und Linke mitmachen. In Armeekreisen fürchtet man eine Überforderung. Eine Sprecherin des Operativen Führungskommandos der Bundeswehr sagte mit Blick auf die Ereignisse in Schleswig-Holstein: &bdquo;Der Schutz ziviler und kritischer Infrastruktur fällt nicht originär in den Geschäftsbereich der Bundeswehr. Zuständig sind hier vor allem die Betreiber der jeweiligen Infrastrukturen sowie das Bundesinnenministerium beziehungsweise die Landesinnenministerien, die ebenfalls Maßnahmen ergreifen und Möglichkeiten besitzen.“ Grundsätzlich seien für die Gefahrenabwehr außerhalb der Bundeswehr-Liegenschaften die Landessicherheitsbehörden verantwortlich. Wie geht es weiter? Klar ist, dass Polizei und Bundeswehr technisch aufrüsten. Ziemlich klar ist auch, dass sich an der Gesetzeslage etwas tun und die Bundeswehr stärker in die Pflicht genommen werden dürfte. Was das konkret bedeutet, bleibt noch ungewiss.

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