Ex-DSC-Trainer Koschinat: „Arminia ist ein schwarzer Fleck in meinem Leben“ | Haller Kreisblatt

Herr Koschinat, am Sonntag (13.30 Uhr) kehren Sie mit Rot-Weiss Essen erstmals seit ihrem Arminia-Engagement nach Bielefeld zurück. Der DSC möchte oben dran bleiben, RWE die Abstiegszone verlassen. Was erwarten Sie für ein Spiel? Arminia hat einen nachvollziehbaren Plan mit viel Tempo auf dem Flügel, offensivfreudigen Außenverteidigern und einem spielstarken Zentrum. Diese Strategie müssen wir bekämpfen. Der DSC wird sicher nicht mit einem Punkt zufrieden sein. Daraus ergeben sich Möglichkeiten. Wir werden bestimmt eine sehr emotionale Alm erleben. Mit Kaito Mizuta hat Essen unlängst einen DSC-Spieler unter Vertrag genommen. Was erhoffen Sie sich von seiner Verpflichtung? Ich verfolge Kaito Mizuta seit einigen Jahren und wollte ihn schon verpflichten, als ich Trainer in Bielefeld war. Ich freue mich sehr, dass es uns gelungen ist, ihn nach Essen zu holen. Kaito ist in der Offensive flexibel einsetzbar: vor allem auf dem linken Flügel, aber auch im offensiven Mittelfeld. Er hat eine hohe Individualität, hat immer etwas Überraschendes im Köcher und versucht stets Abschlussmöglichkeiten zu schaffen. Ihr Team feierte am zurückliegenden Wochenende einen wichtigen 5:1-Erfolg im Kellerduell gegen Hannover 96 II. Wie wichtig war das für Mannschaft und Klub? Die Lücke zu Hannover II wäre bei einer Niederlage extrem groß gewesen. Es war klar – ohne dass wir es so in die Mannschaft kommuniziert haben –, dass wir alles dafür tun müssen, die drei Punkte zu holen. Das hat funktioniert und hat uns viel Kraft gegeben. In unserer Situation, ein so deutliches Zeichen zu setzen, tut immer gut. Vor allem, wenn man bedenkt, dass wir eine Woche zuvor verdienter Verlierer in Aachen waren. Das hat man in der Trainingswoche gemerkt. Trotzdem bereitet mir Sorge, dass es im Saisonverlauf nur einzelne Ausreißer waren und wir es nicht kontinuierlich geschafft haben, Leistung zu bringen. Das muss der nächste Schritt sein. Wir haben gezeigt, dass wir in einer emotional außergewöhnlichen Situation unseren Mann stehen können. Das darf aber nicht dazu führen, dass wir uns wieder ein paar Wochen zurücklehnen, sondern muss der Maßstab für die kommenden Wochen sein. Sie sind erst im Dezember 2024 RWE-Trainer geworden. Wo sehen Sie ihr Team nach der Wintervorbereitung und den ersten beiden Spieltagen der Rückrunde? Wir sind in Sachen Spielanlage und Spielabläufe sehr weit. Daran haben wir sehr intensiv gearbeitet. Die Mannschaft war dank meines Vorgängers Christoph Dabrowski in einem guten körperlichen Zustand. Ich setze noch ein paar andere Spitzen, um das Team nach vorne zu bringen. Jetzt geht es darum, Klarheit in unser Spiel zu bekommen. Ich habe mit unterschiedlichen Systemen variiert, ohne unsere grundsätzliche Idee zu verändern. Ich möchte eine maximale Anzahl an Zweikämpfen organisieren, in sehr hohem Tempo in die Spitze spielen und Standardsituationen offensiv und defensiv gut ausspielen. Dafür ist das Team gut zusammengestellt. Als Tabellen-18. geht es für Essen um den Klassenerhalt. Worin liegt für Sie der Schlüssel, um in der 3. Liga zu bleiben? Ich muss dafür sorgen, dass nach Erfolgserlebnissen keine Selbstzufriedenheit entsteht. Wir müssen wachsam sein, weil das Rückschlagspotenzial im Abstiegskampf viel größer ist als bei einem Team, das kontinuierlich Erfolge feiert. Es wird außerdem darum gehen, eine oder zwei Serien zu spielen, in denen wir im Schnitt mehr als zwei Punkte holen. So können wir uns deutlich von den Abstiegsrängen entfernen oder zumindest vermeiden, mit einem schlechten Spiel wieder unten reinzurutschen. Und dann kommt es darauf an, dass wir auch in schwierigen Phasen bei uns bleiben und die nötige Widerstandsfähigkeit zeigen. Bei Arminia und in Osnabrück haben Sie bei Ihren vorherigen Stationen ebenfalls gegen den Abstieg gespielt. Haben Sie gezögert, sich erneut einer derart zehrenden Aufgabe zu widmen, als das Angebot aus Essen kam? Wenn ich vor 15 Jahren, als ich ein kleiner Co-Trainer in Koblenz war, gefragt worden wäre, ob ich eine Sekunde zögern würde, Arminia, Osnabrück oder RWE zu trainieren, wenn sich die Möglichkeit ergibt, wäre die Antwort ein glasklares ’Nein’ gewesen. Nach den Gesprächen mit Rot-Weiss Essen war mir sehr schnell klar, dass der Klub einfach fasziniert, eine sehr starke Anziehungskraft hat. Leider ist es so, dass sich die Chance bei einem solchen Klub nicht ergeben wird, wenn Essen Tabellenfünfter ist. Ich habe keine Sekunde gezögert. Für Sie ist es also kein Problem, mit dem speziellen Druck im Abstiegskampf umzugehen? In der Hinsicht hat mich vor allen Dingen Arminia geprägt. Da war es so, dass jeder im Umfeld erkannt hat, dass sich durch meine Arbeit etwas bewegt hat und meine Arbeit unabhängig vom Ausgang der Saison anerkannt wurde. Diese Anerkennung hat den Druck für mich überwogen. Sie sprechen Ihre Arminia-Zeit an. In Bielefeld waren Sie knapp drei Monate tätig, an deren Ende der Drittliga-Abstieg stand. Wie blicken Sie auf diese Zeit zurück? Arminia ist ein schwarzer Fleck in meinem Leben. Dass ich diesen Abstieg nicht verhindern konnte, hat richtig wehgetan. Ich habe gespürt, in welcher Situation ich zum DSC gekommen bin. Die war extrem besonders. Innerhalb von wenigen Tagen bin ich aus dem Nichts heraus zum Hoffnungsträger geworden. Der Verein war nach dem Abschied von Samir Arabi extrem aufgewühlt. Die erste Phase war nahezu perfekt. Das Zusammenspiel zwischen mir, dem Klub, den Spielern und den Fans hat schnell hervorragend funktioniert. Der schwarze Fleck der Unerklärbarkeit ist aber geblieben. Mir ist bis heute unerklärlich, wie eine in sich gefestigte Mannschaft, die gegen Paderborn und Kaiserslautern zwei herausragende Spiele macht, eine Woche später so leidenschaftslos und wehrlos in Magdeburg untergehen kann und dann auch die Relegation abschenkt. Das hat mich nie losgelassen. Ich wäre beruhigt, hätte ich kommen sehen, dass es schiefgeht. Das war in der Woche vor dem Magdeburg-Spiel aber nicht der Fall. Was waren aus Ihrer Sicht die Gründe für den Abstieg? Zur Wahrheit gehört, dass zwei Faktoren zusammengekommen sind, die die Mission Klassenerhalt brutal erschwert haben. Der eine war, dass wir in Karlsruhe ein Spiel machen, wie es kaum eine Auswärtsmannschaft gemacht hat. Wir halten wahrscheinlich noch heute den Rekord für Latten- und Pfostentreffer. Wenn wir da gewinnen, wäre das Ganze unerschütterlich gewesen. Zum Zweiten haben sich mit Masaya Okugawa und Guilherme Ramos zwei Leistungsträger verletzt. Das konnten wir nicht kompensieren. Der ehemalige Aufsichtsratschef Hartmut Ostrowski sagte im Nachgang des Abstiegs, im sportlichen Bereich habe während der Zweitligasaison eine Atmosphäre von Misstrauen und Missgunst geherrscht. Teilen Sie diese Einschätzung? Es hat damals im gesamten Klub nicht gestimmt. Zu viele Menschen waren mit dem Selbstverständnis eines Bundesligisten unterwegs. Hintenraus haben sehr viele Egoismen eine viel zu große Rolle gespielt. Vor allen Dingen die sportlich Verantwortlichen waren nicht in der Lage, sich auf den Existenzkampf auf der letzten Rille einzulassen. Sie hatten zu viele Ideen, was den Rest ihres sportlichen Lebens angeht. Das kann man sich in so einer Phase nicht erlauben. Viele Fans hätten Sie trotz des Misserfolges gerne weiter bei Arminia gesehen. Was hat Ihnen dieser Zuspruch bedeutet? Es war eine Bestätigung für meine authentische Art. Die Leute haben registriert, dass ich in dieser schwierigen Situation viel auf meine Schultern geladen habe und nicht eingeknickt bin. Die Menschen konnten sich in dieser Phase wieder mit Arminia identifizieren. Nach einem Abstieg so gefeiert zu werden, war etwas Einzigartiges. Sie wären ebenfalls gerne in Bielefeld geblieben. Waren Sie enttäuscht, dass sich die Verantwortlichen anders entschieden haben? Ich mache keinen Hehl daraus, dass mich der Verein in seinen Bann gezogen hat. Ich hätte mir einen Verbleib sehr gut vorstellen können. Michael Mutzel, der am Tag nach dem Abstieg als Sportchef übernommen hat, war aber supersauber und korrekt. In unserem angenehmen Gespräch hat er kein großes Brimborium gemacht, sondern klar gesagt, dass er vorbehaltlos einen Neustart möchte und einen anderen Trainertypen sucht, der eine andere Art von Fußball spielen lässt. Da ist überhaupt nichts hängen geblieben. Klar hat die Entscheidung wehgetan, ich konnte sie aber auch nachvollziehen. Trauen Sie Arminia in dieser Saison die Rückkehr in die 2. Bundesliga zu? Der Verein hat einen ganz tollen Weg genommen und die schwierige vergangene Saison dazu genutzt, die Mannschaft zu verstärken. Ein wichtiger Faktor war, dass aus dem Schatten von Fabian Klos heraus neue Spieler in die erste Reihe getreten sind und Verantwortung übernommen haben. Ich denke dabei etwa an Mael Corboz, der der absolute Kopf der Mannschaft ist. Die Zusammenstellung des Kaders – auch in der Breite – ist die einer Spitzenmannschaft. Arminias Problem ist, dass das auch für sechs oder sieben andere Klubs gilt. Die Liga ist unglaublich schwer zu prognostizieren.

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