Terra Wortmann Open

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Leben als Tennis-Rentner: In Halle gewährt Roger Federer seltene Einblicke

Der Rekordsieger des ostwestfälischen Rasenturniers wird in der OWL-Arena bejubelt. In einer Medienrunde spricht er über das Leben nach der aktiven Karriere.

Turnierdirektor Ralf Weber (r.) ehrt Halle-Rekordsieger Roger Federer auf dem Center Court in der OWL-Arena. | © Wolfgang Rudolf

Benedikt Riemer
21.06.2023 | 21.06.2023, 20:14

Halle. Daniil Medwedew zählt derzeit zu den weltbesten Tennisspielern und doch geriet er am Mittwoch zur Randfigur. Die Hauptattraktion beim Rasenklassiker in Halle war mit Roger Federer einer der größten Darsteller in der Tennisgeschichte. Als Turnierdirektor Ralf Weber den Schweizer für dessen Verdienste bei den Terra Wortmann Open unter dem tosenden Jubel des Publikums ehrte, trat Medwedew, der zuvor auf dem Centre Court seinen Viertelfinal-Einzug gegen Laslo Djere perfekt gemacht hatte, demütig in die zweite Reihe und verfolgte das Geschehen aus dem Abseits. Die Bühne sollte allein dem Rekordsieger der Terra Wortmann Open gehören.

"Es ist im guten Sinne ein mulmiges Gefühl", sagte Federer. "Aber aufgrund des 30-jährigen Geburtstages vom Turnier und meinen Siegen war es der richtige Moment, wieder hierherzukommen." In seiner mehr als 20 Jahre langen Karriere schlug Federer dank eines Vertrages auf Lebenszeit 18 Mal in Halle auf, feierte bei "einem für mich speziellen Turnier" zehn Titel. "Mit Ralf Weber, seiner Familie und mit der Gegend hier verbindet mich sehr viel."

Den ganzen Tag lang war diese Verbindung auf der Anlage zu spüren: Kappen und T-Shirts mit dem berühmte "RF"-Logo waren überall zu sehen. Bereits am Vormittag legten sich Autogrammjäger vor dem Court-Hotel auf die Lauer, um Federer auf keinen Fall zu verpassen. Die Strahlkraft des 20-maligen Grand-Slam-Siegers ist noch immer enorm. Auf dem Center Court wurde er vom Publikum entsprechend frenetisch bejubelt und von Weber als "absoluter Ausnahmesportler" gewürdigt. Es war das erste Mal seit seinem Rücktritt im vergangenen September, dass sich der Schweizer überhaupt auf der ATP-Tour zeigte.

Projekte und Reisen halten Federer auf Trab

Sein Karriereende sei "eine Erlösung" gewesen, berichtete Federer. "Ich vermisse nicht viel aktuell. Ich habe nicht das Gefühl, etwas zu verpassen und fühle mich sehr gut ohne Tennis." Das Bedürfnis, wieder auf dem Platz zu stehen, habe er auch wegen körperlicher Probleme nicht. Sport auf gehobenem Niveau? Derzeit nicht möglich. "Wenn der Körper bei 100 Prozent wäre, wäre es etwas anderes." Dann würde er auch wieder an Show-Wettkämpfen teilnehmen. Er arbeite deshalb im Fitnessstudio daran, seinen Körper "wieder auf Vordermann zu bekommen".

Langweilig wird Federer auch ohne Tennis nicht. Die vergangenen Monate habe er für "tolle Trips" genutzt. Für seine Stiftung ging es etwa mit der ganzen Familie nach Lesotho. Zudem besuchte er die Fashion-Week in Paris, die Formel 1 in Miami, die Met-Gala in New York und war mit seinen Eltern im Orientexpress unterwegs. "Nach Corona hat es Spaß gemacht, wieder mehr zu reisen", sagte er.

Roger Federer nahm sich im Anschluss an seine Ehrung besonders viel Zeit für seine Fans. - © Wolfgang Rudolf
Roger Federer nahm sich im Anschluss an seine Ehrung besonders viel Zeit für seine Fans. (© Wolfgang Rudolf)

Einen besonderen Traum konnte sich der Baseler im vergangenen Winter erfüllen. Erstmals ging es mit den vier Kindern Leo, Lenny, Myla Rose und Charlene Riva gemeinsam auf die Skipiste. Seit 2008 hatte Federer nicht mehr auf Skiern gestanden. Damals hatte er das Pfeiffersche Drüsenfieber bekommen und danach kein Risiko mehr eingehen wollen. "Ich habe jetzt anders Zeit für die Familie, bin einen Tick relaxter", erklärte er nun in Halle. Ein ganz neues Leben habe er seit September aber auch nicht begonnen. "Der Übergang war eher fließend."

Federer äußert sich zu Nadal und Djokovic

Projekte hatte Federer auch zu seiner aktiven Zeit genug. Daran hat sich für den umtriebigen Unternehmer wenig geändert. Im Gegenteil: Allein für seine Stiftung seien in sechs Monaten 1.200 Anfragen eingegangen. Die geschäftlichen kommen noch dazu. "Praktisch alle Anfragen muss ich ablehnen. Das ist der Teil, der nicht so viel Spaß macht", sagte Federer, "aber ich bin selbst schuld. Ich habe den Leuten gesagt, dass sie sich melden sollen, wenn ich mal aufgehört habe." Trotz allem sei er in den vergangenen Monaten viele Herzensprojekte angegangen. "Andere Sachen sind noch im Köcher. Es ist nie ein Tag wie der andere. Das ist sehr cool."

Auf dem Tennisplatz ist Federer nur noch mit seinen Kindern. Die Ergebnisse auf der Tour interessieren ihn aber doch – so sehr, dass es ihn manchmal selbst überrascht. Mehrmals am Tag checkt er die Resultate der alten Rivalen. "Was Novak macht, ist schier unglaublich und ich hoffe, dass Rafa zurückkommt." Der Kontakt zum Spanier, dem er nach dessen Verletzung alles Gute gewünscht hatte, sei weniger geworden. "Es war schon immer so, dass es etwas ruhiger wurde, wenn es ihm nicht so gut ging. Das zeigt mir, wie sehr er mit seinem Körper am kämpfen ist."

Mit Carlos Alcaraz, mit dem Federer einst in Wimbledon trainierte, steht der legitime Nachfolger bereits parat. "Ich freue mich für die Tour und bin gespannt, wie sich die Jungen auf Rasen schlagen". Auch die nächsten Schritte der Generation um Alexander Zverev verfolge er mit "großem Interesse". Ab Donnerstag aber erst mal wieder aus der Distanz. Dann überlässt Federer das Rampenlicht wieder der aktiven Generation.