Messerangriff in Bielefeld: Was die Fundstücke über ein Motiv verraten

Bielefeld. Warum hat ein Mann wahllos junge Menschen angegriffen, die nichts ahnend vor einer Bielefelder Bar standen? Der Täter – laut Polizeiangaben ein Syrer (35), der zuletzt in Harsewinkel (Kreis Gütersloh) lebte – ist flüchtig, die Ermittlungen laufen in alle Richtungen. Recherchen geben jedoch erste Hinweise auf ein mögliches Motiv. So berichtet ein Mitbewohner in der Flüchtlingsunterkunft in Harsewinkel Brisantes: Der 35-jährige Mahmoud Mhemed soll sich demnach in den vergangenen Monaten verändert haben. Über soziale Medien soll er Kontakte nach Ägypten, Syrien und in den Irak gepflegt haben. In Gesprächen sei es viel ums &bdquo;Töten“ und &bdquo;Abschlachten“ gegangen. Hat sich der 35-Jährige in seiner Unterkunft radikalisiert? Der Syrer soll seinen Bruder durch den Islamischen Staat (IS) verloren haben, den Tod seines Bruders aber gegenüber anderen Syrern als gut bezeichnet haben. Er habe zuletzt betont, nach Syrien zurückkehren zu wollen, um dann für den IS gegen die syrische Regierung kämpfen zu wollen. Staatsanwaltschaft hält sich bedeckt Die Staatsanwaltschaft Bielefeld äußert sich auf Nachfrage nicht zu der Motivlage. &bdquo;Die Ermittlungen laufen auf Hochtouren“, sagt ein Sprecher. Mehr könne zum jetzigen Zeitpunkt nicht mitgeteilt werden. Auch nicht zu möglichen Dingen, die in dem mittlerweile durchsuchten Zimmer des Verdächtigen gefunden wurde. Diese Redaktion hatte jedoch Einblicke in die Wohnräume des Syrers. Auf einem Tisch lagen am Montag zwei Bücher sowie ein kleines Klappmesser, die später von der Polizei doch noch sichergestellt wurden. Bei den beiden Büchern (beide in arabischer Sprache) handelt es sich laut Angaben eines Islamwissenschaftlers, der anonym bleiben möchte, um islamische Literatur. Eines könne als Unterweisung für eine religiös begründete Strukturierung des Alltags für Muslime gedeutet werden, verfasst von einem arabischen Gelehrten einer Universität, die als salafistisch gilt. Literatur befasst sich mit Dschihad Das andere Buch sei eine Sammlung von 40 sogenannten Überlieferungen, die für Muslime entscheidend seien. Diese seien weit verbreitet in der muslimischen Welt, bis in terroristische Gruppierungen. &bdquo;Die Überlieferungen werden in verschiedenen Kreisen anders gedeutet. Einige befassen sich konkret mit dem Dschihad und dienen oft auch als Rechtfertigung für diesen“, erklärt der Islamwissenschaftler. Anhand der Bücher sei anzunehmen, dass der Besitzer seinen Alltag womöglich nach islamischen Gepflogenheiten richten wolle. Sind es konkrete Hinweise? Oder nur Anhaltspunkte? Fakt ist: Bisher hat sich der IS noch nicht zu der Tat bekannt oder diese für sich reklamiert. Entsprechende Kanäle, in die diese Redaktion Einsicht hat, greifen den Messerangriff bisher nicht auf. Die Generalbundesanwaltschaft, die in der Regel mögliche terroristische Verfahren übernimmt, hat eine Bitte um Rückruf bisher unbeantwortet gelassen. Tatverdächtiger bereits weit geflüchtet? Noch herrscht nach der Tat neben der Bestürzung viel Unklarheit zu den Hintergründen. Was bisher klar ist: Der 35-jährige Syrer soll am frühen Sonntagmorgen (4:20 Uhr) vor der Bielefelder Bar &bdquo;Cuties“ mehrere Menschen wahllos angegriffen und teilweise mit einem spitzen Gegenstand schwer verletzt haben. Zeugen griffen in das Geschehen ein. Anschließend flüchtete der Mann Richtung Innenstadt, wo sich seine Spur verlor. Seitdem wird nach ihm gesucht – mittlerweile auch öffentlich. Möglich, dass der Mann bereits weit weg ist. Was dafür spricht: Die Polizei Aachen veröffentlichte den Bielefelder Fahndungsaufruf am Montagnachmittag. In Tatortnähe entdeckte die Polizei einen Rucksack samt Personaldokumenten sowie einer PET-Flasche, in der eine mutmaßlich brennbare, nach Benzin riechende Flüssigkeit gewesen sein soll. Schnell bestand der Verdacht, es könne sich um einen Anschlag handeln. Die Polizei bündelte daraufhin die Kräfte. Über die Türkei nach Europa gereist Der Syrer selbst war der Polizei bisher unbekannt, es lagen keine Erkenntnisse vor. Anderen Behörden dagegen schon, wie etwa dem Bundesamt für Migration (BAMF). Dieses habe laut NRW-Fluchtministerin Josefine Paul (Grüne) dem Tatverdächtigen im Dezember 2023 den Aufenthaltsstatus des &bdquo;subsidiären Schutzes“ erteilt. Er hatte eine durch die Ausländerbehörde des Kreises Gütersloh bis Februar 2027 befristete Aufenthaltserlaubnis. Nach Europa eingereist sei er über die Türkei und dann über Bulgarien, Serbien, Ungarn, Slowakei und Tschechien schließlich nach Deutschland gekommen und erstmals einen Asylantrag gestellt haben. &bdquo;Aufenthaltsbeendende Maßnahmen“ – also mögliche Gründe für eine Abschiebung – lagen nicht vor. Auffälligkeiten seien in den ausländerrechtlichen Akten bisher nicht ersichtlich, so Paul weiter. Generell ist der Messerangriff mittlerweile auch in der Politik angekommen. Die Bielefelder Politikerin Christina Kampmann, innenpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, fordert: &bdquo;Jetzt muss alles dafür getan werden, um den immer noch flüchtigen Täter schnell festzunehmen und das Motiv festzustellen. Erst dann kann auch die politische Aufklärung beginnen. Alle Versuche, diese schreckliche Tat für eigene politische Zwecke zu instrumentalisieren, sind auf das Schärfste zu verurteilen.“

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