Handy wählt Notruf: Rettungskräfte aus OWL berichten von Fehlmeldungen

Bielefeld. Ob in der Hosentasche oder am Handgelenk: Smartphones und smarte Uhren sind Dauerbegleiter. Sie sind Alltagshelfer. Und manchmal werden sie auch zu Lebensrettern. Dann ist in Leitstellen von Feuerwehr und Rettungsdienst eine Nachricht wie diese zu hören: &bdquo;Die Person, der dieses Smartphone gehört, war in einen schweren Autounfall verwickelt“. Die künstlich generierte Stimme gibt dann noch die Koordinaten des Unfallortes durch – und die Retter können ausrücken. Solche automatischen Notrufe dank Unfallerkennung nähmen zu, sagen Einsatzkräfte aus Ostwestfalen-Lippe. Schließlich verbreiten sich auch die Geräte immer weiter. Sie registrieren starke Beschleunigungen und laute Umgebungsgeräusche – und schließen auf einen Unfall. Nutzer bekommen dann noch eine Nachfrage, ob sie wirklich einen Notruf absetzen möchten. Bleibt diese unbeantwortet, rufen die Geräte Hilfe herbei. Funktioniert der Notruf vom Handgelenk oder aus der Tasche, kann die Rettungskette besonders schnell in Gang gesetzt werden. Doch immer wieder kommt es zu Fehlmeldungen. Auch in der Region. So im vergangenen Jahr im Kreis Gütersloh. Ende November kommt ein 20-Jähriger bei Steinhagen von der Straße ab. Er prallt gegen einen Baum und überschlägt sich mehrfach. Das Auto fängt Feuer. Sein Smartphone erkennt, dass es zu einem Unfall gekommen ist. Es setzt einen Notruf ab. Parallel melden sich Zeugen und berichten ebenfalls von einem Unfall – allerdings in einiger Entfernung von der Stelle, die das Smartphone angegeben hat. Hat das Gerät eine Fehlfunktion und es gibt tatsächlich nur einen Unfall? Oder stimmen die Koordinaten des Gerätes und es geht um zwei Unfälle? Leitstellen aus OWL haben Erfahrung mit Notrufen von smarten Devices Die Leitstelle entsendet damals Einsatzkräfte zu beiden Stellen, erinnert sich Leiter Ansgar Kanther im Gespräch mit dieser Zeitung. Vor Ort stellen die Retter fest, dass es nur ein Unfallgeschehen gibt. Trotz Rettungsversuchen stirbt der 20-Jährige in seinem Auto. Hätte er ohne die Fehlmeldung überleben können? Nach Einschätzung aller Beteiligten nicht, sagt Kanther. Nur wenige Monate zuvor kommt es im Kreis Gütersloh zu einem weiteren Vorfall. Mehrere Löschzüge, Rettungswagen und ein Notarzt rücken nach Herzebrock aus. Eine smarte Uhr des Herstellers Apple hat einen Aufprall registriert und einen Notruf abgesetzt. Am angegebenen Unfallort treffen die Retter jedoch niemanden an, der Hilfe braucht. Eine Anfrage dieser Zeitung zu diesem und ähnlichen Vorfällen lässt das Unternehmen, das laut Kanther mit den Feuerwehren sehr gut zusammenarbeite, unbeantwortet. Ebenfalls im November rückt die Feuerwehr Büren im Kreis Paderborn nach einer automatischen Notrufmeldung mit drei Einheiten aus. Am vermeintlichen Unfallort finden sie nur ein ramponiertes Smartphone, das offenbar vom Autodach gerutscht ist - und deswegen fälschlicherweise einen Unfall meldete. Rettungsdienste sprechen von hoher Fehlerquote Abgesehen von solchen Vorfällen aus der Region gibt es weitere Berichte. Davon, dass smarte Uhren oder Telefone Notrufe aus Achterbahnen absetzen; oder weil sie vom Tisch auf den Boden gefallen sind. Stiftet die Technologie also mehr Verwirrung, als dass sie nützt? Klar ist: Die Fehlerquote kann durchaus hoch sein. Allerdings unterscheiden sich die Angaben der Einsatzkräfte hierzu. In einem Beitrag des Bayerischen Rundfunks beziffern Mitarbeiter einer Leitstelle den Anteil der Fehlmeldungen mit 90 Prozent. Auch Einsatzkräfte aus OWL sprechen von ähnlichen Größenordnungen. &bdquo;Diese Quote ist auch im Kreis Höxter realistisch“, sagt etwa Daniel Wulf, Leiter der dortigen Leitstelle für Feuerschutz und Rettungsdienst. Die Unfall-Erkennung scheint noch nicht ausgereift, heißt es aus dem Kreis Lippe. Hier ist die Rede von 80 bis 90 Prozent Fehleinsätzen. Und im Kreis Paderborn rücken die Einsatzkräfte bei automatischen Meldungen im überwiegenden Teil vergeblich aus, berichtet Sprecherin Leah Laven. Leitstelle Gütersloh sieht Nutzen der smarten Geräte Für den Kreis Gütersloh spricht Leitstellenleiter Kanther von drei bis fünf automatisierten Notrufen in der Woche, abgesetzt von Smartphones, smarten Uhren aber auch von Notrufsystemen, die in Autos verbaut sind. Die Quote von 90 Prozent könne er allerdings nicht bestätigen. &bdquo;Wir haben uns zu Beginn natürlich Sorgen gemacht“, sagt Kanther im Rückblick auf die Einführung der Technologie. Doch die Zeiten, in denen die Geräte zum Beispiel in Achterbahnen auslösen, seien vorbei. Auch machten die Geräte meist &bdquo;extrem genaue“ Angaben, sagt der 45-Jährige. Eine falsche Ortung wie bei dem Unfall in Steinhagen sei unüblich. Damals habe das Gerät einen Suchradius von 15 Kilometern angegeben - üblich seien sonst eher 15 Meter. Aus Sicht des Leitstellen-Chefs haben die Geräte im Kreis Gütersloh schon gute Dienste geleistet. Etwa wenn sie Daten liefern, die sich mit den Informationen von Notrufen kombinieren lassen, die von Menschen abgesetzt worden sind. Auch sonst kann Kanther von Einsätzen berichten, in denen die Funktion ihren Wert gezeigt hat. Kanther berichtet zum Beispiel von einem Fall, bei dem eine smarte Uhr den Sturz ihrer Trägerin registriert hat. Die Smartwatch alarmierte einen abgespeicherten Notfallkontakt, der die Frau bewusstlos auffand und die Einsatzkräfte hinzurief. Positive Meldungen aus der Region Auch sonst gibt es in der Region immer wieder positive Meldungen. So konnten Einsatzkräfte im Mai dank der Alarmierung durch eine smarte Uhr unmittelbar zu einem Unfall an der Jöllenbecker Straße in Bielefeld ausrücken. Sicher: Fehlermeldungen werde es auch in Zukunft geben, sagt Kanther. Aber insgesamt zeigt sich der Leiter der Leitstelle im Kreis Gütersloh von der Technologie beeindruckt: &bdquo;Wir möchten sie nicht missen“, sagt der 45-Jährige. In diese Richtung äußern sich auch Retter aus anderen Kreisen - und das trotz der teils hohen Fehlerquoten. So betont der Höxteraner Leitstellenleiter Daniel Wulf: &bdquo;Jedes System, das im Ernstfall die Alarmierung der Rettungs- und Einsatzkräfte beschleunigt, kann Leben retten. Daher überwiegen die Vorteile.“ Und für den Kreis Paderborn erklärt Sprecherin Laven: &bdquo;Wir fahren mit unseren Kolleginnen und Kollegen lieber einmal zu viel zu einem Einsatz, als einmal zu spät.“

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