Spurensicherung nach Vergewaltigung: Bielefelderin bringt Täter vor Gericht

Bielefeld/Düsseldorf. Am Tag ihres 21. Geburtstages wacht Katharina W. in der Wohnung eines Freundes auf. Sie ist allein, nur halb bekleidet und hat hämmernde Kopfschmerzen. Mit jeder Minute nehmen die Schmerzen zu, sie entdeckt Hämatome und blutige Fingernägel. An die Ursache kann sich die Bielefelderin jedoch nicht erinnern. Erst später, während einer anzeigenunabhängigen Spurensicherung in einer Klinik, wird W. klar, was ihr widerfahren ist. &bdquo;Mein Freund hat mich betäubt und vergewaltigt.“ Dank der Spurensicherung wird der Täter drei Jahre später verurteilt. Flächendeckend gibt es dieses Angebot nicht, weil Krankenhäuser die Kosten selber tragen müssen. Das soll sich in NRW jetzt ändern. Als Katharina W. in der Wohnung ihres Freundes aufwacht und schnell merkt, dass etwas nicht stimmt, bekommt sie Panik. &bdquo;Ich hatte einen Filmriss wie noch nie zuvor. Ich wollte sofort raus aus der Wohnung, weil ich Angst hatte, dass er wiederkommt.“ Sie ruft eine Freundin an, die sie abholt und in ihre Wohnung nach Bielefeld bringt. &bdquo;Ich erzählte ihr alles und zum ersten Mal sprach jemand meine Gedanken aus. Meine Freundin sagte: Du wurdest mit K.O.-Tropfen betäubt und vergewaltigt.“ W. fühlt sich wie gelähmt. &bdquo;Ich wollte meine Wohnung nicht mehr verlassen.“ Doch ihre Freundin kann sie umstimmen. &bdquo;Zum Glück habe ich auf sie gehört“, sagt W. heute. Die Frauen fahren für eine anzeigenunabhängige Spurensicherung in ein Bielefelder Krankenhaus. &bdquo;Eine Ärztin untersuchte mich von Kopf bis Fuß. K.O.-Tropfen konnten nicht mehr nachgewiesen werden, aber alle anderen Spuren wurden gesichert.“ Anzeige erstattet W. erst anderthalb Jahre nach der Tat Für eine Anzeige ist W. zu diesem Zeitpunkt nicht bereit: &bdquo;Ich wollte mit niemandem darüber sprechen, es einfach vergessen.“ Groß seien vor allem die Scham- und Schuldgefühle gewesen. &bdquo;Ich war kurz vor der Tat von Osnabrück nach Bielefeld gezogen und kannte den Täter erst ein paar Wochen. Wir haben uns aber so gut verstanden, dass ich keine Sorge davor hatte, mich allein mit ihm zu treffen“, sagt W. Heute weiß sie, dass sie keine Schuld trifft. &bdquo;Doch das war lange anders.“ Erst anderthalb Jahre nach der Tat entschließt sich W. zu einer Anzeige. Weitere anderthalb Jahre später kommt es zum Prozess, in dem die gesicherten Spuren und dokumentierten Verletzungen als Beweismittel vor Gericht genutzt werden. &bdquo;Die Beweise haben dazu geführt, dass der Täter die Vergewaltigung gestanden hat“, erklärt W. Heute ist sie froh, dass sie das Angebot der anzeigenunabhängigen Spurensicherung genutzt hat. &bdquo;Ohne die Beweise hätte es anderthalb Jahre nach der Tat nur meine Aussage und vielleicht nie eine Verurteilung des Täters gegeben.“ Opfer haben Angst, dass ihnen niemand glaubt So wie W. gehe es vielen Mädchen und Frauen nach Gewalttaten, erklärt Melanie Rosendahl, Geschäftsführerin des Frauennotrufs Bielefeld. &bdquo;Opfer befinden sich in einem Ausnahmezustand, weshalb es vielen nicht möglich ist, direkt nach der Tat Anzeige zu erstatten.“ Scham- und Schuldgefühle können nach Angaben der Psychologin bei Opfern ebenso auftreten wie die Angst, dass ihnen nicht geglaubt wird. &bdquo;Hinzu kommen Sorgen vor Aussagen bei der Polizei und vor Gericht, langen Verfahrensdauern und davor, den Täter vor Gericht wiedersehen zu müssen.“ Der Frauennotruf Bielefeld unterstützt Mädchen und Frauen, die Opfer sexualisierter Gewalt geworden sind, und rät Betroffenen immer zur anzeigenunabhängigen Spurensicherung. &bdquo;Auch ohne die Sicherung der Spuren können Opfer Anzeige erstatten und es kommt auch zu Verurteilungen von Tätern, doch die Chancen dafür steigen, wenn die Spuren nach der Tat gesichert werden“, erklärt Rosendahl. Der Frauennotruf kooperiert mit den Krankenhäusern in Bielefeld und stellt Sets für die standardisierte Spurensicherung zur Verfügung. Polizei und Krankenkasse erfahren nicht von Spurensicherung Neben den drei Kliniken in Bielefeld bieten in OWL neun weitere Krankenhäuser die anzeigenunabhängige Spurensicherung an. &bdquo;Viele Mädchen und Frauen entscheiden sich direkt für eine Anzeige und kommen nach der Aussage bei der Polizei zu uns. Das gilt aber nicht für alle Opfer, weshalb wir seit vielen Jahren auch die anzeigenunabhängige Spurensicherung anbieten“, erklärt Gynäkologin Maximilia Bußmeyer, die mit ihren Kollegen im Zentrum für Frauenheilkunde im Klinikum Bielefeld Gewaltopfer betreut. &bdquo;Das bedeutet, dass die Polizei so lange nichts von dem Übergriff erfährt, bis das Opfer das möchte.“ Auch die Krankenkasse erfährt laut Bußmeyer nur, dass es eine Untersuchung in der Notaufnahme gegeben hat, auch bei minderjährigen Opfern. Die Spurensicherung nach Gewalttaten ist eine komplexe Untersuchung, für die sich Mediziner viel Zeit nehmen und in Schulungen vorbereitet werden. &bdquo;Wir führen ein langes Gespräch mit der Frau, untersuchen sie und nehmen Blut und Urin ab. Dabei sichern wir alle Spuren am gesamten Körper und dokumentieren diese.“ Abhängig von der Tat wird auch über den Schutz vor einer Schwangerschaft und Geschlechtskrankheiten gesprochen. Neben den gesicherten Spuren und Proben wird bei Bedarf auch die Kleidung der Opfer aufbewahrt. &bdquo;Mindestens zwei Jahre wird alles gelagert, damit Opfer auch Monate nach der Tat noch die Gelegenheit haben, den Täter anzuzeigen“, erklärt Bußmeyer. Krankenkassen übernehmen Kosten für Spurensicherung Rosendahl plädiert dafür, das Angebot der anzeigenunabhängigen Spurensicherung flächendeckend einzuführen und mehr Öffentlichkeit dafür zu schaffen. &bdquo;Es ist wichtig für die Opfer. Zum einen, um ihnen die Möglichkeit einer späteren Anzeige zu geben, und zum anderen, um Täter abzuschrecken.“ Bislang müssen die Krankenhäuser das Angebot jedoch selber finanzieren, erklärt der Chefarzt des Zentrums für Frauenheilkunde des Klinikums Bielefeld, Werner Bader. &bdquo;Abgerechnet wird lediglich der Kontakt in der Notaufnahme und das deckt die Kosten nicht ansatzweise.“ Mit einem auskömmlichen Finanzierungskonzept könnten Krankenhäuser die Hilfe verbessern, sagt er. Das soll es künftig in NRW geben, heißt es von der Landesregierung. Vier Jahre nachdem die Bundesregierung die Voraussetzungen dafür geschaffen hat, gibt es nach Angaben des Gesundheitsministeriums eine vertragliche Grundlage für die künftige Kostenübernahme des Angebots durch die gesetzliche Krankenversicherung. Informiert wurden die Kliniken darüber jedoch bislang noch nicht. &bdquo;Angestrebt wird ein Inkrafttreten im Februar. Danach wird das Angebot sukzessive in Kliniken zur Verfügung stehen“, heißt es dazu aus dem Ministerium. In OWL bieten zwölf Krankenhäuser die anzeigenunabhängige Spurensicherung nach Gewalttaten an. Betroffene können sich jederzeit in den jeweiligen Notaufnahmen der Kliniken melden. Bielefeld: Klinikum Bielefeld, evangelisches Klinikum Bethel, Franziskus Hospital Kreis Herford: Klinikum Herford, Mathilden Hospital Herford Kreis Gütersloh: Klinikum Gütersloh, Sankt-Elisabeth-Hospital Gütersloh Kreis Paderborn: St. Vincenz-Krankenhaus Paderborn Kreis Höxter: St. Ansgar Krankenhaus Höxter Kreis Lippe: Klinikum Lippe Kreis Minden-Lübbecke: Johannes Wesling Klinikum Minden, Krankenhaus Bad Oeynhausen Hilfsangebote für Mädchen und Frauen Der Frauennotruf Bielefeld hilft Frauen und Mädchen ab 16 Jahren, die Opfer von sexualisierter Gewalt geworden sind. Erreichbar ist das Team telefonisch unter 0521 124248 und online. Das Hilfetelefon &bdquo;Gewalt gegen Frauen“ ist ein bundesweites Beratungsangebot für Frauen, die Gewalt erlebt haben oder noch erleben. Unter der Nummer 116016 und via Online-Beratung wird rund um die Uhr unterstützt.

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