Protest-Tag in Düsseldorf: Darum stehen viele Eltern nicht hinter der Demo

Bielefeld/Düsseldorf. 83 Millionen Euro will das Land NRW im sozialen Bereich einsparen. Dagegen haben die Verbände der freien Wohlfahrtspflege am Mittwoch zu einer Demo in Düsseldorf aufgerufen. 20.000 Menschen aus ganz NRW und allen sozialen Bereichen erwarten die Organisatoren. Auch zahlreiche Mitarbeiter aus dem Kita-Bereich werden zu der Kundgebung fahren, denn den meisten Einrichtungen steht das Wasser bis zum Hals. Für die Kitas vor Ort heißt das allerdings: Schließung oder Notbetreuung. Und obwohl sie ihren ureigenen Interessen dient, stehen viele Eltern aus OWL nicht hinter der Aktion. &bdquo;Die Kraft und die Kapazitäten für noch einen Tag ohne Kinderbetreuung sind bei vielen Eltern einfach nicht mehr da“, bringt Nico Ritter das Problem auf den Punkt. Der Vater aus Gütersloh war selbst lange im Jugendamtselternbeirat Gütersloh und ist gut vernetzt unter Eltern. &bdquo;Das Problem ist vor allem, dass sie die Erzieher und die Kitas dafür verantwortlich machen – die sich mit dem Protest in Düsseldorf ja für die sichere Betreuung von Kindern und damit für die Interessen von Eltern starkmachen.“ Auch beim Jugendamtselternbeirat Rheda-Wiedenbrück kennt man die Probleme der Eltern. &bdquo;Viele beklagen einen hohen Betreuungsausfall oder verkürzte Betreuungszeiten aufgrund des vorherrschenden Personalnotstands“, sagt die erste Vorsitzende Sarah Baysoy. Dies führe bei den betroffenen Eltern zu Unmut und Verzweiflung. &bdquo;Der Balanceakt, Privat- und Berufsleben unter einen Hut zu bekommen, gestaltet sich dadurch oft schwierig. Insgesamt ist der Kraftakt auf Dauer für die Eltern kaum noch tragbar.“ Deshalb sieht der JAEB Rheda-Wiedenbrück politisches Engagement eigentlich auch im Feld der Eltern. &bdquo;Normalerweise läge es an uns, nach Düsseldorf zu fahren und laut zu werden.“ Das sei jedoch für die meisten gar nicht möglich. &bdquo;Hier wären dann die Arbeitgeber gefragt, die Eltern dabei zu unterstützen. Klar ist für alle, es muss sich dringend etwas an dieser Situation verändern.“ Viele Eltern wissen nicht, worum es geht Aber auch Unwissenheit sorgt bei den Eltern für fehlendes Verständnis, weiß Sandra Goike vom JAEB Paderborn. Hier steht man geschlossen hinter der Demo-Teilnahme. &bdquo;Viele Eltern aber wissen gar nicht, worum es bei den Protesten geht“, sagt Goike. &bdquo;Die denken, die Erzieher fordern mehr Geld für sich, höhere Gehälter. Wenn man ihnen die Sache dann genau erklärt, sind sie sofort mit im Boot.“ In den Augen von Goike braucht es daher dringend noch mehr Aufklärung und Transparenz. &bdquo;Wir müssen möglichst geschlossen dafür sorgen, dass die Botschaft in Politik und Wirtschaft ankommt. Diese Einsparungen sind eine Katastrophe.“ Beim Kirchenkreis Bielefeld ist man genau diesen Weg gegangen. Der Verband fährt am Mittwoch nach Düsseldorf, rund 500 bis 600 Mitarbeiter sind dabei. Die 28 Kitas des Trägers bleiben deshalb geschlossen. Um Unmut zu vermeiden, hat man sich im Vorfeld mit den Elternvertretern verständigt. &bdquo;Wir haben hier noch mal sehr deutlich erklärt, worum es geht und auch um Teilnahme geworben“, sagt Melanie Hoffmann, Geschäftsführerin für die Abteilung Kindertagesstätten. &bdquo;Am Ende wollen wir ja alle dasselbe: mehr Qualität für die Kinder und Verringerung von Schließzeiten.“ Viele Träger reduzieren Personal auf Mindestbesetzung Wie nötig diese Entwicklung ist, zeigt ein Blick auf die Personal-Ausfall-Statistik des Landesjugendamtes. Denn die Schließzeiten in den Kitas erreichen immer häufiger Rekordniveau. Allein im September erfolgten rund 3.600 Meldungen über personelle Unterbesetzung. Zum Vergleich: Im September 2023 waren es rund 1.200 Meldungen weniger. Und selbst im Erkältungsmonat Februar erfolgten für das Jahr 2024 rund 300 Meldungen weniger. In vielen Fällen reichte eine Reduzierung der Betreuungszeit nicht mehr aus. Stattdessen mussten in 2.000 Fällen Voll- oder Teilschließungen erfolgen. Es sind Zahlen, die das dramatische Ausmaß der Kita-Krise auch aus Träger-Perspektive zeigen. Denn den Verbänden steht das Wasser bis zum Hals. Im Bereich Kita reagieren Träger darauf auch mit Kürzung des Personals auf die gesetzlich vorgeschriebene Mindestbesetzung. So beschreibt zum Beispiel Marco Eltner, Geschäftsführer des DRK-Kreisverbandes die Lage: &bdquo;Die Situation in unseren 11 Bielefelder Kitas ist unverändert problematisch. Die finanzielle Ausstattung nach dem KiBiz führt zu einer unzureichenden Personaldecke, wir arbeiten mit Mindestbesetzung. So ist das Risiko von eingeschränkten Betreuungszeiten oder (Gruppen-)Schließungen aufgrund von Krankheitsausfällen sehr hoch.“ Auch Melanie Hoffmann weiß um die Auswirkungen. &bdquo;Mindestbesetzung heißt: Es ist keine Vertretung mehr möglich bei Erkrankung, Urlaub oder Fortbildung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Und damit kommen wir in der aktuellen Lage laufend, auch im Sommer, in die personelle Unterversorgung – was Schließungen oder Kürzungen der Betreuungszeit bedeutet.“ In Gütersloher Kita ziehen alle an einem Strang Das wiederum bedeutet Stress und extrem hohe Belastung für die Mitarbeitenden. Corinna Vetter, Leiterin der Elterninitiative &bdquo;Krabbelstube“ in der Paderborner Südstadt, beschreibt den Zustand so: &bdquo;Ich fühle mich wie eine Krake, die jeden Tag jonglieren muss.“ Einerseits gebe es aufgrund des zugewiesenen Personalschlüssels von aktuell 3,5 Fachkräften pro Gruppe zu wenige Mitarbeiterinnen, andererseits aktuell aber auch Krankheitsfälle im Team. In der Folge sei – in Absprache mit den Eltern – derzeit eine Gruppe geschlossen. Auch, weil es um die Aufsichtspflicht gehe, der die Kita nachkommen müsse, sowie um die Fürsorge der Kinder und um den Arbeitsschutz. Auch in der Kita Kopernikus in Gütersloh zieht man an einem Strang. Der Zusammenhalt zwischen Eltern, Erziehern und Kita-Leitung sei sehr gut, vor allem bei Engpässen, erzählt Svena Schlechte vom Elternbeirat. Am Mittwoch wird es hier nur eine Notbetreuung geben, weil die Mitarbeiter nach Düsseldorf fahren. &bdquo;Aber auch uns Eltern ist es wichtig, aus der Ferne einen Beitrag zu leisten und die in Düsseldorf Protestierenden zu unterstützen.“ Deshalb gebe es eine kleine Plakataktion. Dazu würden von den Kindern gemalte Bilder am Außengelände der Kita angebracht. &bdquo;Wir Eltern werden uns am Mittwoch dann für einen kurzen Moment gemeinsam bei den Plakaten versammeln und so ein Zeichen setzen.“

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