Rheda-Wiedenbrück

Greenpeace-Aktivisten landen auf Tönnies-Dach - Anzeigen gegen vier Verdächtige

Tönnies-Gegner haben ein Protest-Plakat auf dem Dach der Firma entrollt - sie kamen mit Gleitschirmen. Die Polizei hat nun Strafverfahren wegen Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung eingeleitet.

Die Aktivisten hängten ein meterhohes Banner an die Wand des Gebäudes, um ihre Botschaft zum Ausdruck zu bringen. | © Andreas Frücht

17.07.2020 | 17.07.2020, 04:50

Rheda-Wiedenbrück. Egal welchen Erschütterungen der Tönnies-Konzern in den vergangenen Wochen während des massiven Corona-Ausbruchs mit rund 1.500 Infizierten auch ausgesetzt war, eine Konstante gab es immer: Schwein, Rind und Kuh, die das Logo des Konzerns bilden, drehten sich auf dem Dach des Hauptgebäudes unablässig. Am Donnerstagmittag stand die Konstruktion nun plötzlich still.

Zwei Aktivisten von Greenpeace hatten sie zum Stillstand gebracht, indem sie ein Kabel des Emblems durchtrennten. Die Aktivisten waren zuvor mit zwei motorisierten Paragleitschirmen in der Umgebung gestartet und nach wenigen Flugminuten auf dem Dach des Tönnies-Werks in Rheda-Wiedenbrück gelandet. Einer von ihnen hatte sich mit einem Gurt abgeseilt, um ein etwa sieben mal vierzehn Meter großes gelb-schwarzes Banner mit dem Aufdruck "Schluss mit dem Schweinesystem" auszurollen und zu befestigen.

Aktivisten versperren eine Feuerleiter und so den Einsatzkräften den Weg

Die Polizei war seit zehn Uhr mit mehreren Einsatzkräften am Werk vor Ort, sie hatte einen entsprechenden Hinweis erhalten. Nach ersten Erkenntnissen sollen die beiden Aktivisten eine Feuerleiter an der Fassade des Gebäudes mit einer Leiter verbarrikadiert haben, um zu verhindern, dass die Einsatzkräfte hinaufkamen.

Nachdem einer der beiden Aktivsten das Dach in Richtung Lintel fliegend verlassen hatte, hob auch der zweite gegen Mittag mit seinem Schirm wieder ab. Polizeisprecherin Katharina Felsch schätzt, dass zwischen den Abflügen ein Zeitversatz von etwa 30 bis 45 Minuten lag. Zuvor war vor Ort noch zu vernehmen gewesen, dass der Regen die Flucht per Schirm für den zweiten Aktivisten vermutlich nicht zulassen würde.

Tönnies will die Aktion der Aktivisten nicht kommentieren

Mit mehreren Einsatzwagen versuchte die Polizei daraufhin die Route der beiden Aktivisten zu verfolgen.Wie die Polizei am Nachmittag mitteilte, habe sie bei der Fahndung im Bereich des Rehwegs und der Winkelstraße zwei Frauen und Männer angetroffen, die nach aktuellen Erkenntnissen in Verbindung mit der Aktion stehen. Die Beamten vernahmen sie auf der Polizeiwache in Gütersloh und nahmen ihre Personalien auf. Es muss noch ermittelt werden, wer von ihnen die Gleitschirme geflogen hat. Die Polizei stellte neben dem Plakat auch Fotoequipment und Klettergurte sowie ein Auto sicher, mit dem mutmaßlich die Ausrüstung transportiert worden war.

Mit motorisierten Gleitschirmen sind die Aktivisten auf dem Dach gelandet. - © Daniel Müller/Greenpeace
Mit motorisierten Gleitschirmen sind die Aktivisten auf dem Dach gelandet. (© Daniel Müller/Greenpeace)

Sie leitete ein Strafverfahren wegen Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung ein. Ob Verstöße gegen das Luftverkehrsgesetz vorliegen, muss nach Angaben der Beamten noch geprüft werden.

Die Aktion der Aktivisten hatte für ein großes Medienecho gesorgt. Viele Kamerateams versammelten sich in kürzester Zeit wieder vor Europas größtem Schlachthof. Das Unternehmen selbst mochte sich nicht zur Aktion äußern, wie es in Person von Unternehmenssprecher André Vielstädte wissen ließ.

"Das System Billigfleisch ist komplett krank und ein Gesundheitsrisiko"

Wie Greenpeace vor Ort erklärte, seien die Aktivisten für diese Aktion selbst verantwortlich und müssten sich auch persönlich dafür verantworten. Die Umweltorganisation mit Sitz in Hamburg begleite die Aktion aber mit Wohlwollen. Sie hatte zuvor in einer Stellungnahme erklärt, es müsse ein grundlegender Wandel in der Fleischindustrie stattfinden.

„Das System Billigfleisch ist komplett krank und nicht nur für die Beschäftigten der Fleischindustrie in Corona-Zeiten ein Gesundheitsrisiko", sagt Dirk Zimmermann, Landwirtschaftsexperte von Greenpeace. „So darf es nicht weitergehen. Die Produktion von Billigfleisch gefährdet uns alle - über die Verbreitung von Antibiotikaresistenzen, Nitrat im Wasser, Ammoniak in der Luft und klimaschädliche Emissionen."

Für den Schutz von Klima, Tieren und Gesundheit müsse auf eine artgerechte Haltung umgestellt und die Tierbestände abgebaut werden. Zudem sei es zwingend notwendig, die Arbeitsbedingungen in Schlachthöfen und Fleichunternehmen zu verbessern.

Der Konzern hat seinen Schlachtbetrieb am Donnerstag wieder aufgenommen

Die Politik sei in der Pflicht, Konzentration von Marktmacht in Fleischindustrie und Handel zu beschränken, mahnte die Umweltorganisation weiter an. Die Expansion von Mega-Schlachthöfen müsse begrenzt und regionale Betriebe sollten gefördert werden. Supermärkte forderte die Umweltorganisation dazu auf, Fleisch aus schlechter Tierhaltung aus dem Sortiment zu nehmen.

Nach einer etwa einmonatigen Schließung des Fleischunternehmens wegen des massenhaften Corona-Ausbruchs darf der Tönnies-Schlachtbetrieb nach einer Verfügung der Stadt Rheda-Wiedenbrück seit Donnerstag wieder öffnen. Unter Einhaltung von Hygieneauflagen wie Einhaltung von Abständen, Trennung der Beschäftigten durch Plexiglaswände und regelmäßiger Tests sollen rund 600 Mitarbeiter der Schlachtung die Arbeit nun wieder aufnehmen können.

Mitte Juni waren rund 1.500 Beschäftigte positiv auf das Coronavirus getestet worden. Die NRW-Landesregierung hatte daraufhin vorübergehend einen weitgehenden Lockdown für die Kreise Gütersloh und Warendorf verfügt. Zuvor wurden in dem Werk bis zu 30.000 Schweine täglich geschlachtet.

Schon vor zwei Wochen stiegen vermummte Aktivisten aufs Dach

Bereits vor etwas mehr als zwei Wochen hatten sich vier vermummte Aktivisten des Bündnisses "Gemeinsam gegen die Tierindustrie" unerlaubt Zugang zum Tönnies-Dach verschafft, um ein Protest-Plakat mit der Aufschrift "Shutdown Tierindustrie" aufzuhängen. Damals wurden sie nach intensiven Verhandlungen von der Polizei herunter eskortiert und vor dem Werk mit Applaus weiterer Demonstranten empfangen.

Tönnies-Unternehmenssprecher André Vielstädte teilte damals auf Anfrage mit: "Wir respektieren das Demonstrationsrecht und die freie Meinungsäußerung. Hier ist es jetzt Aufgabe der Polizei, die Menschen und das Gelände zu schützen, schließlich ist es nicht ungefährlich, auf den Dächern der Fabrik herumzuklettern." Zur Frage nach möglichen juristischen Folgen äußerte sich das Unternehmen vor zwei Wochen nicht.

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